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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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152<br />

Landstube. Kaum war die Regierung in ihr Amt eingesetzt, kam es Anfang Jänner<br />

1931 zu ersten Reibereien. Als die Nationalratsabgeordneten des Heimatblocks –<br />

unter Missachtung ihrer industriellen Geldgeber – für die staatliche Kontrolle von<br />

Betriebsschließungen stimmten, weigerten sich ihre steirischen Landtagskollegen,<br />

eine ähnliche Resolution der steirischen Sozialdemokraten zu unterstützen. Dafür<br />

mussten sie sich den Vorwurf gefallen lassen, jetzt, wo die Wiener Kollegen den Missfallen<br />

der Industriebosse erregt hatten, zeige sich das wahre Gesicht des steirischen<br />

Heimatblocks. In einer kritischen Zeit versage er der heimischen Arbeiterschaft<br />

Schutzmaßnahmen gegen die drohende Arbeitslosigkeit. Das Konzept sei ihnen vom<br />

Generaldirektor Busson „aufgesetzt“ worden. Die Heimatblockabgeordneten erwiderten,<br />

sie hätten eben keine Lust, der Demagogie der Sozialdemokraten Vorschub<br />

zu leisten. Landeshauptmann Rintelen <strong>und</strong> die christlichsoziale Fraktion stimmten<br />

ebenfalls gegen die Resolution mit der Begründung, man könne es sich nicht leisten,<br />

ausländische Kreditoren durch unrentable Betriebsfortführungen abzuschrecken. 454<br />

Im Verlauf der erregten Herbstdebatte über die Umstände des Pfrimer-Putsches<br />

kam es im Landtag zu wüsten verbalen Gefechten zwischen dem Heimatblock <strong>und</strong><br />

den Christlichsozialen auf der einen Seite <strong>und</strong> den Sozialdemokraten auf der anderen<br />

Seite. Landeshauptmann Rintelen wurde vorgeworfen, gegen die Aufständischen viel<br />

zu lasch <strong>und</strong> zögerlich vorgegangen zu sein. In seiner Erwiderung verteidigte sich Rintelen<br />

mit dem Argument, er habe ein defensives Vorgehen gewählt, um Blutvergießen<br />

zu vermeiden. Seinen Stellvertreter Machold beschuldigte er, dieser habe bei Ausbruch<br />

des Putsches ihm, dem Landeshauptmann, zugeschrien, die Exekutive solle auf die<br />

Aufständischen schießen, was Machold als eine infame Lüge bezeichnete. Während der<br />

sozialdemokratische Abgeordnete Leichin die bangen St<strong>und</strong>en seiner Gefangennahme<br />

<strong>und</strong> Internierung durch Organe des Heimatschutzes schilderte, bedauerte Landesrat<br />

Meyszner, die Sozialdemokraten nicht „abgestaubt“ zu haben. Im selben Ton ging es<br />

weiter. Die Entgleisungen reichten von „Betrüger“, „Haderlump“, „Gurgelhupfer“ bis<br />

hin zu „gemeiner Bluth<strong>und</strong>“. 455 Im Dezember desselben Jahres beantragte das Landesgericht<br />

Graz die Auslieferung des am Pfrimer-Putsch beteiligten Abgeordneten Kammerhofer<br />

<strong>und</strong> des Abgeordneten zum B<strong>und</strong>esrat Tanzmeister. Die Sozialdemokraten<br />

wurden in der Frage der Immunitätsaufhebung von den bürgerlichen Parteien mit der<br />

Begründung überstimmt, jene Taten seien als „politisches Delikt“ zu bewerten. Der<br />

Sozialdemokrat Gföller ließ seiner Empörung darüber freien Lauf:<br />

Tanzmeister <strong>und</strong> Kammerhofer haben nicht nur den Hochverrat propagiert,<br />

sondern beide haben aktive Tathandlungen vollbracht, um zu erreichen, daß<br />

diese Körperschaften, denen sie angehören, hinweggefegt werden sollen. (…) Jene<br />

Leute, die am 13. September Hochverrat begangen haben, werden nicht ausgeliefert,<br />

werden dem Gerichte entzogen <strong>und</strong> der Hochverrat wird legalisiert. 456<br />

454 StLA Sten.Ber. Stmk.Landtag 1931–1934, 1–65 (5.Sitzung 3.1.1931) S. 88–93.<br />

455 StLA Sten.Ber. Stmk.Landtag 1931–1934, 1–65 (16. Sitzung 20.11.1931) S. 302–315.<br />

456 StLA Sten.Ber. Stmk.Landtag 1931–1934, 1–65 (20. Sitzung 22.12.1931) S. 405–408.

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