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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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geeilt waren, einmengten. Nicht nur die Fäuste flogen, sondern Gummiknüppel, Gläser,<br />

Sesseln <strong>und</strong> auch ein Messer kamen zum Einsatz. Einer der Schutzbündler erlitt<br />

schwere Stichverletzungen <strong>und</strong> musste ins Krankenhaus gebracht werden. 641<br />

In den Abendst<strong>und</strong>en desselben Tages kam es in einem Gasthof nächst dem<br />

Kapfenberger Südbahnhof zu einem weiteren blutigen Vorfall zwischen Heimatschützlern<br />

<strong>und</strong> deren Gegnern. Die Kellnerin Maria A. sagte aus, vor dem Gasthaus<br />

sei es plötzlich zu einem erregten Wortwechsel zwischen drei vermutlich sozialdemokratisch<br />

gesinnten Straßenbauarbeitern, den Brüdern Gruber aus Lebring, <strong>und</strong><br />

einem Mitglied des Heimatschutzes gekommen. Der Heimatschützler habe sich aber<br />

ruhig verhalten <strong>und</strong> sich daraufhin entfernt, während sich die Brüder Gruber in den<br />

Gastgarten begaben. Nicht lange danach eilten mehrere Heimatschützler direkt in<br />

den Gastgarten, fielen über die Brüder her <strong>und</strong> hieben brutal auf sie ein. Während<br />

einer der Brüder flüchten konnte, erlitten die beiden anderen Gesichtsabschürfungen<br />

sowie schwere Kopfverletzungen. Als die Gendarmen am Tatort eintrafen, war die<br />

Rauferei zwar beendet, doch hatten sich mittlerweile andere Mitglieder der Konfliktparteien<br />

auf der Straße zusammengerottet, so dass schwerere Zusammenstöße<br />

zu befürchten waren. Die Lage drohte kritisch zu werden, als der Bürgermeister von<br />

Kapfenberg, Josef Schweighardt, von Heimatschützlern „angehalten“ <strong>und</strong> in seiner<br />

„freien Bewegung gehindert“ wurde. Bis in die Nacht hinein kam es immer wieder<br />

zu Ansammlungen von Arbeitern, die durch den Einsatz verstärkter Gendarmeriepatrouillen<br />

in Schach gehalten werden konnten. Die Lage blieb jedoch gespannt.<br />

Nach der nächtlichen Sperrst<strong>und</strong>e kam es erneut zu einem Vorfall zwischen etwa<br />

zehn Heimatschützlern, darunter der örtliche Kommandant Lauda sowie Dr. Weitzer,<br />

<strong>und</strong> der Gemeindewache. Auf dem Nachhauseweg hatte sich die Gruppe noch<br />

eine Weile plaudernd auf der Straße aufgehalten, als sie von drei Wachebeamten zum<br />

Heimgehen aufgefordert wurden. Als sich die Männer nicht gleich entfernten, entstand<br />

ein Scharmützel, in dessen Verlauf einer der Wachebeamten seinen Säbel zog<br />

<strong>und</strong> Lauda damit auf die Schulter hieb, ohne ihn allerdings zu verletzen. Ruhe kehrte<br />

erst ein, als die daraufhin verständigte Gendarmerie den Tatbestand aufgenommen<br />

<strong>und</strong> die Heimatschützler nach Hause geschickt hatte. 642 Im nächsten Jahr darauf<br />

geriet der „amtsbekannte“ Kapfenberger Wachmann Sch. in die Schlagzeilen, als er<br />

im betrunkenen Zustand einen unbeteiligten Heimwehr-Sympathisanten anpöbelte,<br />

niederknüppelte <strong>und</strong> schließlich, wild um sich schlagend, von der Gendarmerie unter<br />

unflätigen Beschimpfungen festgenommen werden musste. 643<br />

5.1.5.10 Eine erfolglose Waffensuchaktion<br />

Es bedarf daher keiner blühenden Phantasie, um sich die Stimmung des Jahres 1930<br />

auszumalen, die, angeheizt durch sonntägliche Ereignisse wie die oben beschriebenen,<br />

641 StLA ZGS (BKA) K.76/3 (Fol.496–497).<br />

642 StLA ZGS (BKA) K.76/3 (Fol.498–500).<br />

643 Kapfenberg. Unerhörter Skandal. In: Obersteirerblatt (27.8.1930) S. 5–6.

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