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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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wie Kirchen, Kapellen, das katholische Vereinsheim <strong>und</strong> zahlreiche andere Einrichtungen<br />

wiederholt durch Schmieraktionen <strong>und</strong> Sprengsätze mutwillig beschädigt<br />

würden. Die Leute fühlten sich nicht sicher, denn die Gendarmen taten wohl „brav“<br />

ihren Dienst, für den Ernstfall einer bewaffneten Auseinandersetzung seien jedoch<br />

viel zu wenige <strong>und</strong> mangelhaft bewaffnete Sicherheitskräfte vor Ort. Es sei Tatsache,<br />

so Moser, dass die ÖAMG den Nationalsozialisten günstig gesinnt sei, der verbotene<br />

Heimatschutz noch ein großes Waffenarsenal versteckt halte, leider wisse er nicht<br />

wo, <strong>und</strong> auch der verbotene Schutzb<strong>und</strong> über erhebliche Waffenbestände verfüge.<br />

Moser schlug vor, die an ortsbekannte Nationalsozialisten adressierten Postsendungen<br />

zu kontrollieren, um Propagandamaterial rechtzeitig abzufangen. Das ginge,<br />

meinte er, wenn man das Postgeheimnis aus Staatsräson ein wenig „lüften“ wolle.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der von Moser gelieferten Informationen wurden sofortige Maßnahmen<br />

veranlasst. Die von ihm genannten Männer wurden observiert <strong>und</strong> festgenommen,<br />

Unterkünfte nach Waffen durchsucht, der Deutsche Turnverein aufgelöst <strong>und</strong> das<br />

Schutzkorpspersonal aufgestockt. 753 Dennoch kam es erneut zur Sabotage von Telefonleitungen<br />

<strong>und</strong> Bahnstrecken, zum Abbrennen von Hakenkreuzfeuern <strong>und</strong> immer<br />

öfter zu Fahnenhissungen auf Bäumen, Schornsteinen, Türmen <strong>und</strong> Strommasten<br />

in lebensgefährlichen Höhen <strong>und</strong> an unzugänglichen Stellen. In den allerwenigsten<br />

solcher Fälle fanden sich Wagemutige gegen Bezahlung bereit, diese Fahnen<br />

zu entfernen. 754 Die Einschätzung Mosers bezüglich der überlegenen Bewaffnung<br />

der Nationalsozialisten in Eisenerz sollte sich ein halbes Jahr später anlässlich des<br />

nationalsozialistischen Putsches am 25. Juli 1934 bewahrheiten. Im August 1934<br />

berichtete der deutsche Konsul in Graz von der reibungslosen Machtergreifung der<br />

Nationalsozialisten in Eisenerz <strong>und</strong> über die Schreckensherrschaft der Gegenseite,<br />

als der Putsch bald darauf zusammenbrach:<br />

Am Abend war wegen der Trauer um Dollfuss offizielle Fensterbeleuchtung <strong>und</strong><br />

Glockengeläute, da wurde unter der Bevölkerung wild herumgeprügelt <strong>und</strong> die<br />

Hüte mit Gewehrkolben vom Kopf geschlagen. Eine Abordnung bat den kath.<br />

Pfarrer zu helfen, damit die Prügeleien abgestellt würden; dieser antwortete ‚das<br />

schadet nichts, die N.S. sollen nur verprügelt werden‘. Auch als Hohenberg 755 von<br />

den Grazer Starhembergern abgelöst wurde, hielten die <strong>Gewalt</strong>tätigkeiten an.<br />

Etwa 600 N.S. waren in die Berge geflüchtet, darunter die militärischen Führer,<br />

die sonst jedenfalls erschlagen worden wären. Der andere Teil wurde verhaftet<br />

<strong>und</strong> nach Leoben gebracht. (…) Zweierlei ist festzustellen: Trotz ihrer furchtbaren<br />

Lage sind die Gefangenen gefasst <strong>und</strong> voll Vertrauen auf ihren Führer <strong>und</strong><br />

den baldigen Sieg ihrer Sache. Die Zahl der in Eisenerz ist gewachsen, durch die<br />

Prügelszenen hat die Hitlersache neue Werbekraft erlangt <strong>und</strong> auch die Kommunisten<br />

sind wütend über die begangenen Rohheiten. 756<br />

753 StLA ZGS (BKA) K.85/12 (Fol.1123–1127; 1143–1146).<br />

754 StLA ZGS (BKA) K.85/12 (Fol.1430–1432;1450–1451).<br />

755 Der Großgr<strong>und</strong>besitzer Fürst Hohenberg war ein Sohn des ermordetenThronfolgers Franz Ferdinand.<br />

756 StLA MF Akten des Dt. Konsulats P7/Bd.36/C1/Pol.II-1934, KNr.138 (17.8.1934).<br />

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