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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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2. Die innenpolitische Radikalisierung<br />

1927–1934<br />

2.1 Die Heimwehren als Schrittmacher der Innenpolitik<br />

Die so genannten Selbstschutzverbände, die in der historischen Literatur oft als Privatarmeen,<br />

paramilitärische Verbände <strong>und</strong> Ähnliches bezeichnet werden, fungierten<br />

als bewaffneter Arm des jeweiligen politischen „Lagers“ oder der Partei <strong>und</strong> hatten<br />

unter anderem die Aufgabe, in sonntäglichen Aufmärschen <strong>und</strong> Versammlungen<br />

für ständige Präsenz auf der Straße <strong>und</strong> in der Öffentlichkeit zu sorgen. Zu den<br />

größten Verbänden in Österreich zählten die je nach B<strong>und</strong>esland zunächst autonom<br />

entstandenen Heimwehren; der 1923 vom früheren sozialdemokratischen Staatssekretär<br />

für Heereswesen Julius Deutsch ins Leben gerufene <strong>und</strong> straff organisierte<br />

Republikanische Schutzb<strong>und</strong> 83 , der „Frontkämpferb<strong>und</strong> Deutschösterreichs“ sowie<br />

die Ordnertruppe der NSDAP, die Sturmabteilung (SA). Schon die in der historischen<br />

Literatur üblich verwendete Bezeichnung „Heimwehr“ für die militärähnlich<br />

organisierten Verbände, die zunächst teils von Bayern aus 84 , teils von dem österreichischen<br />

Industriellenverband materielle Unterstützung erhielten, ist irreführend. Zu<br />

heterogen waren deren soziale Zusammensetzung, Ziele, regionale Ausrichtung <strong>und</strong><br />

Führungskräfte, als dass man von einer einheitlichen Heimwehr sprechen könnte.<br />

Den Katholizismus hat man zu bestimmten Anlässen, beispielsweise bei Feldmessen<br />

anlässlich sonntäglicher Versammlungen <strong>und</strong> Fahnenweihen, zur Schau getragen,<br />

sich angesichts der liberal-nationalen Elemente jedoch nie auf den Katholizismus<br />

festgelegt. Obwohl Bauern unter den Mitgliedern sehr zahlreich waren, gab es ebenfalls<br />

keine definitiv agrarische Ausrichtung. Genauso fanden sich Monarchisten in<br />

ihren Reihen wieder. Insgesamt fehlte der Heimwehrorganisation eine klare positive<br />

Programmatik; einzig zu der Beseitigung des klassenkämpferischen Marxismus, dem<br />

liberalistischen Wirtschaftssystem <strong>und</strong> der parlamentarischen Demokratie hat man<br />

sich in radikalen Parolen, die am 18. Mai 1930 im „Korneuburger Eid“ festgehalten<br />

wurden, bekannt. 85<br />

83 Der Republikanische Schutzb<strong>und</strong>, der „unter dem Eindruck des Faschismus“ am 12. April 1923<br />

gegründet wurde, konnte auf die seit 1921 formierten <strong>und</strong> gut organisierten <strong>und</strong> ausgestatteten<br />

Arbeiterwehren der Partei zurückgreifen. In der Steiermark wurde der Rep. Schutzb<strong>und</strong> am 5. Juni<br />

1923 von Landesrat Ludwig Oberzaucher <strong>und</strong> Kurt Sonnhammer behördlich angezeigt, siehe: Robert<br />

Hinteregger, Karin Schmidlechner, Eduard Staudinger, Für Freiheit, Arbeit <strong>und</strong> Recht.<br />

Die Steirische Arbeiterbewegung zwischen Revolution <strong>und</strong> Faschismus (1918–1938). Katalog zur<br />

Wanderausstellung vom 13. Jänner bis 30. November 1984 in allen steirischen Bezirken (Graz<br />

1984), Kurzzitat: Hinteregger, Arbeiterbewegung, S. 42.<br />

84 Siehe dazu: Ludger Rape, Die österreichischen Heimwehren <strong>und</strong> die bayerische Rechte 1920–1923<br />

(Wien 1977).<br />

85 Walter Wiltscheggs gesamtösterreichische Darstellung enthält interessante Einblicke <strong>und</strong> wertvolle<br />

Details zu den handelnden Personen: Walter Wiltschegg, Die Heimwehr. Eine unwiderstehliche<br />

Volksbewegung? (=Studien <strong>und</strong> Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte 7, Wien 1985),<br />

Kurzzitat: Wiltschegg, Volksbewegung, S. 14–15; 34–36.<br />

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