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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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einen Sprengsatz getötet, der vor dem Pfarrhaus explodierte. Seinen Tod versuchten<br />

die Nationalsozialisten lokalen „Marxisten“ in die Schuhe zu schieben, was jedoch laut<br />

Behörde auf wenig Glauben in der Öffentlichkeit stieß. 770 Auch der Gendarm Karl Mussger<br />

des Postens Ingering bei Judenburg musste sterben, als er bei der Verfolgung des<br />

Nationalsozialisten Johann Sch. von diesem überrascht <strong>und</strong> durch mehrere Pistolenschüsse<br />

regelrecht hingerichtet wurde. Johann Sch. <strong>und</strong> der ebenfalls bewaffnete Alois<br />

B. flüchteten daraufhin in die Berge <strong>und</strong> konnten nicht mehr gefasst werden. 771 Über<br />

den Juli 1934 notierte der Leobener Bezirksgendarmeriekommandant rückblickend:<br />

Die Terrorakte der Nationalsozialisten stiegen in den letzten 2 Monaten derart<br />

an, daß man mit einer allgemeinen Erhebung förmlich rechnen konnte. Es verging<br />

kein Tag, wo nicht im Bezirke die gewaltigsten Dynamitanschläge erfolgten.<br />

Bahngeleise wurden gesprengt, ebenso Telegrafen- <strong>und</strong> Telephonmasten an<br />

der Bahnstrecke. Das Reisen wurde schon zu einem Risiko <strong>und</strong> die Bahn erlitt<br />

beträchtlichen Schaden. Die Gendarmerie stand diesem Treiben fast machtlos<br />

gegenüber. Die Gendarmen wurden im Dienste förmlich aufgerieben <strong>und</strong> standen<br />

die Erfolge in keinem Verhältnisse zur geleisteten Arbeit. 772<br />

5.3.7 Exkurs: Wer soll das bezahlen? Die Vorschreibung<br />

zur „Ersatzleistung für Schäden aus Terrorakten“ 773<br />

Die monatlichen Aufzeichnungen der Behörde für die einzelnen Bezirke zeigen,<br />

dass Leoben bei sämtlichen gegen Nationalsozialisten geführten Amtshandlungen<br />

insbesondere bei den nicht eruierten Straftaten mit wenigen Ausnahmen in Führung<br />

liegt, während Judenburg eine Mittelstellung einnimmt <strong>und</strong> Bruck an der Mur<br />

meist das Schlusslicht bildet. Nach der „Flaute“ des Februars schnellte die Zahl der<br />

uneruierten Fälle in allen drei politischen Bezirken in die Höhe, was durchaus dem<br />

gesamtsteirischen Trend entsprach.<br />

Monat/Gebiet Anzeigen % Festnahmen % Uneruierte Fälle %<br />

Januar 1934<br />

Steiermark 599 100 552 100 1030 100<br />

LE/JU/BM 76 13 171 31 303 29<br />

770 StLA ZGS (BKA) K.85/12 (Fol.1666–1673) K.88/15 (Fol 198–203); siehe auch: Maximilian Liebmann,<br />

Kirche, Kultur <strong>und</strong> Arbeiterschaft. In: Robert Hinteregger, Reinhard Müller, Eduard<br />

Staudinger, Auf dem Weg in die Freiheit. (Anstöße zu einer steirischen Zeitgeschichte) (Graz<br />

1984), Kurzzitat: Hinteregger/Müller/Staudinger, Freiheit, S. 302–303.<br />

771 Chronik des BGK Judenburg, Bd.II/1934.<br />

772 Chronik des BGK Leoben, 1934.<br />

773 StLA ZGS (BKA) K.87/14 (Fol.910–966); zum Thema „Ausnahmegesetzgebung“ <strong>und</strong> speziell „Kostenersätze“<br />

aus nationalsozialistischer Perspektive siehe: Anton Riedler, Die Ausnahmegesetzgebung<br />

in Österreich 1933–1936 (Berlin 1936) S. 57–59.<br />

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