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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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der ab 1948 einsetzende wirtschaftliche Aufschwung als Folge des European<br />

Recovery Program.<br />

In der hier vorliegenden Untersuchung wird <strong>Gewalt</strong> als öffentliches Phänomen aufgefasst,<br />

das sich in der untersuchten Region in Form von gewaltsamen Auseinandersetzungen<br />

zwischen verfeindeten politischen Gruppen <strong>und</strong> sozialen Milieus manifestiert<br />

hat. Ob die <strong>Gewalt</strong>taten aus einer geplanten Provokation, wie beispielsweise<br />

aus einer eindeutigen verbalen oder physischen Attacke resultierten, oder scheinbar<br />

spontan, wie etwa bei Wirtshausraufereien, entstanden, ist in diesem Kontext nicht<br />

von Belang. Es geht um den Hass, der in solchen Augenblicken regierte: Hass auf<br />

den politischen Gegner, auf die Sicherheitskräfte, auf höhere Beamte, kurz auf all<br />

jene, von denen man vermutete, dass sie an „Missständen“, an Ungerechtigkeiten,<br />

die Schuld trügen.<br />

1.4 Zum Konzept der politischen Kultur<br />

Der amerikanische Politologe Gabriel Almond hat den Begriff „politische Kultur“<br />

Mitte der 1950er Jahre zum ersten Mal eingeführt, zu einer Zeit, als die Supermacht<br />

USA Überlegungen anstellte, inwieweit das westliche Modell der Demokratie auf<br />

Länder der so genannten Dritten Welt übertragbar sei. Almond stellte fest, dass die<br />

Idee einer politischen Kultur bereits so lange existiert, als Menschen über Politik<br />

reden <strong>und</strong> schreiben. Sein Konzept basierte auf der Überlegung, dass politische Kultur<br />

keine nationale Angelegenheit sei, sondern dass es vielmehr Gruppen von Staaten<br />

gebe, die sich hinsichtlich der Stabilität der Demokratie voneinander unterscheiden.<br />

Demnach stehen stabile Demokratien vom angloamerikanischen Typus Ländern wie<br />

Deutschland <strong>und</strong> Italien gegenüber, deren Demokratie in der Zwischenkriegszeit<br />

zusammengebrochen war. Almond behauptete, jedes politische System sei eingebettet<br />

in ein bestimmtes Muster von Einstellungen <strong>und</strong> Orientierungen im Hinblick auf<br />

politische Aktivitäten. 29<br />

In seinem epochalen Werk „Der lange Schatten des Staates“ 30 bezieht sich der<br />

Salzburger Historiker Ernst Hanisch auf den berühmten „Pudding“, der von Max<br />

Kaase 31 als Metapher für den Begriff der „politischen Kultur“ verwendet wird. Im<br />

Vergleich zur angelsächsischen Zivilkultur konnte sich der politische Individualismus<br />

innerhalb der österreichischen Staatskultur kaum entfalten, so Hanisch, doch<br />

29 Wolfgang C. Müller, 1. Politische Kultur: Konzept-Forschungsmethoden-Effekte. In: Fritz Plasser,<br />

Peter A. Ulram (Hrsg.), Staatsbürger oder Untertanen? Politische Kultur Deutschlands, Österreichs<br />

<strong>und</strong> der Schweiz im Vergleich (Frankfurt am Main 1991), Kurzzitat: Plasser/Ulram,<br />

Staatsbürger, S. 4–5; siehe auch: Gabriel A. Almond, Sidney Verba, The Civic Culture. Political<br />

Attitudes and Democracy in Five Nations (Princeton 1963).<br />

30 Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert (=Österreichische Geschichte, Wien 1994), Kurzzitat: Hanisch, Schatten, S. 23.<br />

31 Max Kaase, Sinn oder Unsinn des Konzeptes Politische Kultur für die vergleichende Politikforschung,<br />

oder auch: Der Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln. Wahlen <strong>und</strong> politisches<br />

System. Analysen aus Anlaß der B<strong>und</strong>estagswahlen 1980 (Opladen 1983) S. 144–172.<br />

25

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