Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
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genommen, ja sogar mit harscher Kritik bedacht wurde, kam es zu keiner Einigung<br />
der Heimwehren, sondern zu einer weiteren Verhärtung der Fronten zwischen dem<br />
radikal nationalen <strong>und</strong> dem christlichsozialen Lager. 102 Nach dem Sturz Schobers im<br />
September 1930 nahmen die Vertreter der Heimwehr, Starhemberg <strong>und</strong> Hueber, das<br />
Angebot einer Regierungsbeteiligung im Kabinett des christlichsozialen Kanzlers,<br />
Carl Vaugoin, in der Hoffnung an, einen autoritären Kurs einzuführen. Um ihre<br />
Position zu stärken, beschloss die Heimwehr als „Heimatblock“ bei den Nationalratswahlen<br />
am 9. November 1930, den letzten in der Ersten Republik, zu kandidieren. Das<br />
bescheidene Gesamtergebnis der viel beschworenen Volksbewegung resultierte im<br />
Großen <strong>und</strong> Ganzen aus einer Umschichtung der Wählerstimmen im bürgerlichen<br />
Lager, nämlich zu Lasten der CSP, sieht man von den Einbrüchen in einigen sozialdemokratischen<br />
Hochburgen in der Obersteiermark ab. In der Steiermark gewann<br />
der Heimatblock mit r<strong>und</strong> 12 Prozent der Stimmen sechs Mandate <strong>und</strong> stellte mit<br />
August Meyszner einen Landesrat; ein achtbares Resultat, das die Popularität des<br />
Steirischen Heimatschutzes im eigenen Land widerspiegelte. 103<br />
Nach dem Rücktritt des B<strong>und</strong>eskanzlers Ender im Mai 1931 scheiterte auch Seipel<br />
daran, führende Sozialdemokraten für eine Koalitionsregierung zu gewinnen.<br />
Schließlich gelang es dem Niederösterreicher Karl Buresch, die bürgerlichen Parteien<br />
auf ein gemeinsames Programm zu einigen. 104 Die katastrophalen Folgen der<br />
Wirtschaftskrise sowie der kolportierte Finanzskandal der Creditanstalt brachten<br />
schließlich das Fass zum Überlaufen. Der nach dem zwischenzeitlichen Rücktritt<br />
Starhembergs erneut zum Führer avancierte Walter Pfrimer fackelte nicht lange.<br />
Die Creditanstalt-Affäre bot ihm <strong>und</strong> seiner Parlamentsfraktion einen großartigen<br />
Propagandaschlager: Eine populistische Unterschriftenaktion der Heimwehr, die<br />
eine Untersuchung gegen die Direktoren der Bank, die Rückerstattung all ihrer Spitzengehälter<br />
<strong>und</strong> die Haftung der Abgeordneten für das Zweite Creditanstaltsgesetz<br />
mit ihrem ganzen Vermögen verlangte, wurde initiiert. Aber das Zeichen des „Volkszornes“<br />
– immerhin wurde die Petition von etwa 620.000 Menschen unterschrieben<br />
– wurde von der Regierung Buresch schlichtweg ignoriert. Als signifikant für das<br />
Herannahen eines Putschversuches kann auch die Furcht sowohl Pfrimers als auch<br />
der Vertreter der Industrie vor einer „rot-schwarzen“ Koalition gesehen werden,<br />
die eventuell eine Entwaffnung <strong>und</strong> Auflösung der Heimwehren zur Folge gehabt<br />
möglichst viele Träger von Mandaten zu haben: Wir haben bisher nur ein Ziel gehabt: dem Marxismus<br />
die Stirne zu bieten, ihm die Arbeiterschaft zu entreißen (…). Das war am Anfang, aber es<br />
genügt uns nicht, daß wir bloß diese Aufgabe zu erfüllen haben. (…) (Aus fanatischer Liebe zur<br />
Erneuerung der Heimat wollen wir) einen neuen, einen besseren Staat (errichten). Ing. Raab zum<br />
Landesführer wiedergewählt. Delegiertenversammlung der niederösterreichischen Heimwehr in<br />
Korneuburg. – B<strong>und</strong>esführer Dr. Steidle über die ferneren Ziele. In: Reichspost (19.05.1930) S. 2.<br />
102 Bruce F. Pauley, Hahnenschwanz <strong>und</strong> Hakenkreuz. Der Steirische Heimatschutz <strong>und</strong> der österreichische<br />
Nationalsozialismus 1918–1934 (Wien 1972), Kurzzitat: Pauley, Hahnenschwanz,<br />
S. 72–77.<br />
103 Gernot D. Hasiba, Die Steiermark <strong>und</strong> der Gesamtstaat ab 1918. In: 800 Jahre Steiermark <strong>und</strong><br />
Österreich 1192–1992. Der Beitrag der Steiermark zu Österreichs Größe (= Forschungen zur geschichtlichen<br />
Landesk<strong>und</strong>e der Steiermark 35, Graz 1992) 487–488.<br />
104 Goldinger/Binder, Österreich, S. 184–185.