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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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kirchlichen Feiertagen – praktisch jedes Wochenende – zogen Kommunisten <strong>und</strong><br />

Kommunistinnen unter der Führung von Fritz Lauscher <strong>und</strong> Karl Durstmüller nach<br />

Leoben, Donawitz <strong>und</strong> in die umliegenden Orte, wo Versammlungen stattfanden<br />

<strong>und</strong> K<strong>und</strong>gebungen abgehalten wurden. Die Behörde berichtet von kommunistischen<br />

Hetzreden <strong>und</strong> Aufwiegelei, gefährlichen Drohungen <strong>und</strong> Schmähungen gegen die<br />

Regierung <strong>und</strong> die staatliche Ordnungsmacht. Nicht selten wurde zu einer regelrechten<br />

Hetzjagd auf arbeitslose Heimatschützer gerufen, denen man, einigen sicher nicht<br />

zu unrecht, Packelei mit den „Betriebsfaschisten“ vorwarf. Erwischten die Verfolger<br />

jene Unglücklichen, setzte es meistens Prügel. Am 17. Mai soll es vor dem Arbeitsamt<br />

besonders heiß hergegangen sein. Gerade hatte die Alpine den letzten Hochofen<br />

außer Betrieb gesetzt <strong>und</strong> 400 Mann auf die Straße geschickt. Lauscher, der bei der<br />

Exekutive als radikal galt, soll wörtlich verkündet haben: Den Spießbürgern werden<br />

wir noch zeigen, wir werden ihnen noch die Halsweite anmessen. Dabei soll er die<br />

Geste des Aufhängens gemacht haben. Auch forderte er, dass die Gendarmerie vom<br />

Arbeitsamt abgezogen werden müsse. Bei einer Versammlung in der Leobener Sängerhalle<br />

eine Woche später riefen die kommunistischen Führer die Schaffung einer<br />

Einheitsfront aus Arbeitslosen <strong>und</strong> Ausgesteuerten aus, um eine weitere Ausspeisung<br />

in Göß <strong>und</strong> Donawitz sowie die Herabsetzung des Mietzinses zu erzwingen. Für den<br />

23. Juni wurde ein Hungermarsch nach Graz angekündigt. Dies sei notwendig, hieß<br />

es, um eine Fortsetzung des Notstandsgeldes zu fordern; wenn dabei Blut fließe, so<br />

mache dies nichts. Die Verprügelung der Heimwehr-Denunzianten beim Arbeitsamt<br />

sei von der Gendarmerie verhindert worden, daher würden auch diese ihre Prügel<br />

noch bekommen. Zu Fronleichnam wurden Durstmüller <strong>und</strong> Dr. Benedikt aus Wien<br />

wegen Aufwiegelung verhaftet <strong>und</strong> anschließend ins Kreisgericht eingeliefert. Lauscher<br />

konnte rechtzeitig fliehen. In der letzten Maiwoche hielten örtliche Kommunistenführer<br />

Arbeitslosenversammlungen in St. Michael, Seegraben <strong>und</strong> Donawitz, wo<br />

dem Feindbild Bürgertum, dessen Bekämpfung „oberste Pflicht der Kommunisten“<br />

sei, erneut die Schuld für die herrschende Arbeitslosigkeit angelastet wurde. Laut<br />

Behördenbericht riefen die Kommunisten die Versammelten auf, bei jeder Donawitzer<br />

Gemeinderatssitzung vor dem Gemeindehaus zu demonstrieren, um dem<br />

Bürgertum Angst einzujagen <strong>und</strong> es gefügig zu machen. 681 Wenige Wochen zuvor<br />

hatte die Saat des Hasses in Donawitz eine Reihe gewaltsamer Ereignisse ausgelöst,<br />

die ein grelles Licht auf die prekäre Situation der Not leidenden Gemeinde wirft. 682<br />

Anlässlich der konstituierenden Sitzung des Donawitzer Gemeinderates am 12.<br />

Mai war es zu einem schweren Zusammenstoß gekommen, als die Gemeinderäte der<br />

Wirtschaftspartei <strong>und</strong> ihre Anhänger von einer aufgebrachten Menschenmenge überfallen<br />

wurden. Schon während der Sitzung hatte es vor dem Gemeindeamt Reibereien<br />

<strong>und</strong> Handgreiflichkeiten zwischen Anhängern der Heimwehr <strong>und</strong> deren Gegnern<br />

gegeben, die eine gefährliche Eskalation befürchten ließen. Da die Gemeindewache<br />

681 StLA ZGS (BKA) K.79/6 (Fol.1030–1035): Die Erhebungen der Gendarmerie im Umfeld der Leobener<br />

KP wegen Aufwiegelung, Verdacht auf Hochverrat, Herstellung von Sprengmitteln etc. führten<br />

bekanntlich zur Verhaftung <strong>und</strong> Abschaffung des mutmaßlichen Kopfes der Agitprop, Paul Polanski.<br />

682 Konkurs über Donawitz. Der Leidensweg einer Industriegemeinde. In: ÖGZ (1.6.1933), S. 2–4.

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