Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
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schwören, (…) unversöhnlich den Kampf bis auf das Messer gegen unseren Todfeind<br />
Faschismus zu führen. 869<br />
Im Frühjahr 1934 wurde aus den Bezirken Bruck an der Mur <strong>und</strong> Leoben gemeldet,<br />
dass radikale Sozialdemokraten <strong>und</strong> Kommunisten eine gemeinsame Kampffront<br />
vorbereiteten; eine geheime sozialdemokratische Organisation „kommunistischen<br />
Charakters“ sei unter dem Namen „Trotzkygruppe“ im Aufbau begriffen.<br />
Die Behörde schätzte den Übertritt der Arbeiterschaft zur NSDAP insgesamt als<br />
gering ein. Wenn ehemalige Funktionäre oder Betriebsarbeiter der Vaterländischen<br />
Front beigetreten waren, dann nur, um der Organisation mit einer „wohldurchdachten<br />
Zersetzungspolitik“ zu schaden, oder für sich „einen persönlichen Vorteil<br />
zu erringen“. Bestärkt durch die Hilfe aus dem Ausland, hieß es, sei ein Großteil<br />
der Arbeiterschaft zuversichtlich, dass die Partei „in irgendeiner Form wieder zur<br />
Geltung kommen wird.“ 870<br />
Im Herbst 1934 hatten sich laut behördlichen Recherchen folgende „Beziehungen“<br />
zwischen Kommunisten, Sozialdemokraten <strong>und</strong> Nationalsozialisten in der<br />
Steiermark herauskristallisiert. Die Kommunisten <strong>und</strong> Sozialdemokraten sollen im<br />
Gegensatz zu jenen von Marschalek 871 geschilderten Verhältnissen eine Einheitsfront<br />
gebildet haben, die nicht nur aus der oben erwähnten „Trotzkygruppe“, sondern aus<br />
sieben weiteren Gruppen bestand, deren politische Ausrichtung von „gemäßigt“<br />
bis „radikal“ reichte. Während die Vertreter der radikalen Richtung einen Putsch<br />
durchführen wollten, traten die „gemäßigten“ für Verhandlungen mit der Regierung<br />
ein. Seitens der Nationalsozialisten, hieß es, seien „Bestrebungen im Gange, eine<br />
Verbindung mit der Einheitsfront herzustellen“, besonders im Hinblick auf einen<br />
eventuellen Putsch. Zu dieser Zeit erfährt der deutsche Konsul in Graz durch eine<br />
Vertrauensperson, dass die österreichische Zollbehörde in einer von mehreren aus<br />
der Tschechoslowakei verschickten Fettlieferungen zahlreiche Waffen <strong>und</strong> Munition<br />
entdeckt hatte, die „anscheinend für Marxisten bestimmt gewesen seien.“ 872 Im Vergleich<br />
zu der Zeit vor dem Februar-Aufstand herrsche in den Industrieregionen ein<br />
viel fre<strong>und</strong>schaftlicheres Verhältnis zwischen Sozialdemokraten <strong>und</strong> Kommunisten.<br />
Radikale, meist jugendliche Anhänger hätten sich den Kommunisten, in einzelnen<br />
Fällen den Nationalsozialisten zugewandt. Neben einigen Zentren in der Weststeiermark,<br />
so der Bericht, hatten Kommunisten <strong>und</strong> Nationalsozialisten vereinzelt<br />
auch in der obersteirischen Industrieregion während des Juli-Putsches gemeinsame<br />
Sache gemacht.<br />
869 StLA ZGS (BKA) K.86/13 (Fol.107).<br />
870 StLA ZGS (BKA) K.86/13 (Fol.72–76; 85–89; 91–97; 79–81; 110–118); K.88/15 (Fol.485–486).<br />
871 Manfred Marschalek (Hsrg.), Untergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Exil. Österreichs Sozialisten zwischen 1934 <strong>und</strong><br />
1945 (=Sozialistische Bibliothek Abt. I: Die Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie 3,<br />
Wien 1990) S. 69–92: Marschalek beschreibt die Problematik der aus diversen Splittergruppen<br />
hervorgegangenen „Revolutionären Sozialisten“, deren Zielsetzungen auf keinen gemeinsamen<br />
Nenner zu bringen waren. Hierbei soll die Mehrheit eine Zusammenarbeit mit möglichen Sympathisanten<br />
wie den Kommunisten abgelehnt haben. Im Gegensatz dazu wurden die gescheiterten<br />
Nationalsozialisten heftig umworben.<br />
872 StLA MF Akten des Dt. Konsulats P7/Bd.36/C1/Pol.II-1934, KNr.70 (13.10.1934).