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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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erichtete von den Plänen der ÖAMG, bis Ende Oktober 300 freigewerkschaftliche<br />

Arbeiter aus den alten Verträgen zu entlassen <strong>und</strong> zu schlechteren Bedingungen<br />

wieder aufzunehmen: Das Bestreben der Alpine geht also dahin, bis zur Vertragserneuerung<br />

dem Heimatschutz möglichst viele Mitglieder zuzuführen, die dann automatisch<br />

in die „unpolitische“ Gewerkschaft eingeschrieben werden. 617 Um die „marxistische“<br />

Front bei den Betriebsratswahlen in den Kapfenberger Böhlerwerken am 26. Oktober<br />

1928 zu stärken, traten Sozialdemokraten <strong>und</strong> Kommunisten sogar in einer gemeinsamen<br />

Liste auf. Wie aufgeheizt die Stimmung zwischen den weltanschaulichen<br />

Kontrahenten war, zeigte sich am Wahlabend, als es vor dem Werkshotel zu blutigen<br />

Zusammenstößen kam, an denen sich etwa 1000 Anhänger der rivalisierenden<br />

Gewerkschaften, angeblich auch viele Arbeitslose aus Bruck an der Mur, beteiligten.<br />

Trotz der verstärkten Bemühungen ging der freien Gewerkschaft ein Mandat gegenüber<br />

dem Ergebnis des Vorjahres verloren. 618<br />

In den Folgejahren 1930 <strong>und</strong> 1931 setzte die ÖAMG ihre Strategie der Pression<br />

gegen die freigewerkschaftliche organisierte Arbeiterschaft fort. Laut dem „Arbeiterwillen“<br />

befanden sich Dutzende Vertrauensmänner <strong>und</strong> viele H<strong>und</strong>erte sozialdemokratisch<br />

Gesinnte unter den im Werk Eisenerz abgebauten 800 Arbeitern des<br />

Jahres 1930. Dies hatte eine Halbierung der freigewerkschaftlichen Stimmen bei<br />

den Betriebsratswahlen im Jahr 1931 zur Folge. Im Hüttenwerk Donawitz wurde<br />

überhaupt nur die Liste der UG zu den Wahlen zugelassen, nachdem jene Arbeiter,<br />

die den sozialdemokratischen Wahlvorschlag unterzeichnet hatten, unter einem<br />

Vorwand entlassen worden waren. 619 So wurde die sozialdemokratische Bewegung<br />

bereits vor 1934 durch die Wirtschaftskrise deutlich geschwächt. In emotionalen<br />

Reden, wie beispielsweise anlässlich eines im August 1928 extra nach Leoben verlegten<br />

sozialdemokratischen Jugendtreffens, wurde die Arbeiterschaft beschworen,<br />

auf den faulen Zauber der Gratis-Bier-<strong>und</strong>-Würste-Politik der Heimwehr nicht hereinzufallen.<br />

Eindringlich warnte Koloman Wallisch die versammelten Jugendlichen<br />

vor den von der Sozialdemokratie zu „Feindbildern“ erklärten Institutionen wie der<br />

römisch-katholischen Kirche, vor dem „Betriebsfaschismus“ der ÖAMG-Bosse, die er<br />

wegen der häufigen Betriebsunfälle als Arbeitermörder bezeichnete, sowie vor Walter<br />

Pfrimer, der anlässlich der Gründung der Leobener Heimwehr die Vernichtung<br />

der Sozialisten angekündigt haben soll. 620 Wie folgende Beispiele zeigen, sollten auf<br />

verbale Drohungen bald entsprechende Taten folgen. Aufgestachelt durch solcherlei<br />

mit der geräuschvollen Assistenz einiger Parteiorgane aufgeblähte Kampfansagen<br />

bedurfte es oftmals bloß der Wahrnehmung eines politischen Grußes oder eines<br />

anderen eindeutigen Symbols, um eine blutige Auseinandersetzung zwischen politischen<br />

Gegnern zu provozieren.<br />

617 Die Alpine spielt mit dem Feuer. In: Arbeiterwille (14.10.1928) S. 1.<br />

618 StLA L.Reg. K.344: Gr.384 (B61 1928).<br />

619 Karl Stocker, Akkumulationszwang <strong>und</strong> Arbeiterinteresse. In: Hinteregger/Müller/Staudinger,<br />

Freiheit, S. 254–255.<br />

620 StLA ZGS (BKA) K.74/1 (Fol.82–84).<br />

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