Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Über die Stadt<br />
konservativ geschnittene schwarze Kleider, folgen stengen Lebensregeln und bleiben am liebsten<br />
unter sich selbst. Nur wenige Außenstehende wurde das Privileg zuteil, ihre Sprache lernen zu dürfen.<br />
Sie heiraten fast nur endogam (in der Gruppe). Melancholie und Ernst scheinen Volkstradition zu<br />
haben; untereinander singen sie traurige Lieder und erzählen sich schwermütige Geschichten. Oft<br />
treten sie Fremden gegenüber offen, fast herzlich auf, aber ohne eigene wahre Seele oder innere<br />
Gefühle preiszugeben, die sie nur ihresgleichen offenbaren. Ihr Mund und ihre Mimik lachen und<br />
scherzen, während ihre ernsten Augen unberührt bleiben.<br />
Die Verbannten trauern um Denim Atauasi de Jurosa und um ihre verlorene Heimat. Diese Trauer<br />
prägt alle ihr Sein und ihr ganzes Leben. Eines Tages wollen sie heimkehren, in einer goldenen<br />
Zukunft, wenn Atauasi von den Toten aufersteht und ein Ewiges Reich gründet. Dann werden sie ihre<br />
schwarzen Gewänder ablegen und ihre Herzen werden wieder lachen. So geht die Legende.<br />
Die Atamanai/atamanische Sammler<br />
Ihre Herkunft ist unbekannt, sie beherrschen eine Vielzahl von Sprachen. Es gibt wohl nicht allzuviele<br />
von ihnen, aber sie stellen ein eigenes, homogenes Volk dar. Aus Berichten aus ganz Nontariell läßt<br />
sich folgendes Profil erstellen: es sind hochgewachsene, bleichhäutige Fremde, mit faltenlosen,<br />
glatten Gesichtern selbst in hohem Alter (und sie werden dem Vernehmen nach sehr, sehr alt).<br />
Ihre Augenbrauen wachsen an einem von der Nasenwurzel aufsteigenden Delta bis zu den Schläfen in<br />
seidigen, buschigen Strähnen. Diese sind zumeist blond - da sie haarlos sind, allesamt mit fabelhaft<br />
kahlen Schädeln, darf man sie also als „blonde Rasse“ bezeichnen. Eigenartig sind auch ihre Augen:<br />
mit einer dreifachen, scharf ineinander abgegrenzten Iris, welche die schmalen Lider fast gänzlich<br />
ausfüllt - der äußere Ring schwarz, der zweite weiß, der dritte wieder schwarz, das Augeninnere selbst<br />
ist weiß (bei den poetisch veranlagten Kasraliten sagt man, die Augen der Atamanai seien gefährlicher<br />
als die der Nattern, die beinahe Nofra selbst verschlangen).<br />
Ihre Bewegungen sind, auch in Hinblick auf ihre langen Gliedmaßen, fließend und geschmeidig; sie<br />
sind zäh und flink, kräftig, wenn auch nie sehr muskulös und hünenhaft. Zu ihren besonderen<br />
Talenten gehören daher eine Vielzahl von waffenlosen Kampftechniken - sie sind beachtliche Gegner.<br />
Noch niemals wurde etwas wie eine Atamanai-Frau gesehen - allerdings wird für möglich gehalten,<br />
daß sie ihren Männern äußerlich gleichen, daß sie eine Fremder nicht auseinanderhalten kann. Da alle<br />
Atamanen nur eine Profession haben - die des Sammlers - wären Frauen auch nicht an der<br />
Verrichtung bestimmter Arbeiten zu erkennen. Überdies sind Attamanen Einzelgänger, sie treten<br />
äußerst selten auch nur zu zweit auf.<br />
Möglicherweise existiert eine Attamanai-Kolonie mit einer Art Regierung, einer Art Priesterrat (von<br />
der sie ihre Botschafter in die verschiedenen Teile des Kontinents senden würden); hier lebten dann<br />
auch andere Atamanai, die nicht als Sammler durch die Welt reisen - wenn eine solche Enklave<br />
exisitiert, wird ihr Geheimnis von den Sammler jedenfalls umsichtig gehütet. Vorzugsweise wird<br />
diese „Siedlung“ im äußersten Süden Nontarielles angenommen - schon allein deswegen, weil die<br />
ethnischen Lehrer mit dem Gedanken liebäugeln, die Atamanai seien Abstammlinge eines südlich<br />
gelegenen Kontinents, fern von Koatlitek.<br />
Religion<br />
Die Atamanai sind, der Begriff ist gut gewählt, religiöse Fanatiker. Sie glauben, daß nach der<br />
Erschaffung der Welt durch die Götter diese vor Entsetzen darüber, wie sie die ihnen vorgegebene<br />
Harmonie des Universums durch die jäh entfaltete Disharmonie der Sterblichen zerstört hätten, in<br />
abgrundtiefe, tränenreiche Verzweiflung gerieten, dabei in absoluter Erschöpfung all ihrer Kraft<br />
verlustig gingen. Sie vegetieren im Nichts dahin, paralysiert durch das sterbliche Chaos, unfähig dem<br />
Ganzen Einhalt zu gebieten - und, Unheil zugleich für die Sterblichen, die Essenz der Vergehenden<br />
verliert sich, da den Göttern zustrebend, nach dem Tode ebenfalls im Nichts.<br />
Um dies zu ändern, sammeln die Atamanai die Domomai, die auf die Erde vergossenen Tränen der<br />
Götter, sie den Verzweifelten zurückzugeben. Dann würden die Göttern ihre Kräfte wieder erlangen,<br />
könnten die Weltschöpfung rückgängig machen und einen ewigen Zustand der Harmonie<br />
wiedererrichten.<br />
Die Göttern selbst sind den Atamanai insofern gleichgültig. Sie haben noch jeden Gott, jeden Kult,<br />
dem sie begegnet sind, mit nahezu atheistischer Gleichgültigkeit toleriert. Die Differenzen zwischen<br />
Göttern, ihre unterschiedlichen „Zuständigkeiten“ (Feuer, Wasser, Wind etc.) wären in einem Zustand<br />
völliger Harmonie sowieso aufgehoben. Auf der Suche nach den Domomai haben die Sammler schon<br />
die ganze bekannte Welt - und vielleicht noch darüber hinaus - bereist.