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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Diener des Lichtmeß I: Brianne - Janina Enders<br />

für Agathons Musikinstrumente. Kilians Vater hatte nämlich eine seltsame Vorliebe für Musik. Wenn<br />

er spielte oder Sänger zu sich holte, veränderte er sich. Sein Gesicht wurde weich und seine Pupillen<br />

weiteten sich, sein Atem ging schneller und seine Finger zitterten leicht. Seine magischen Fähigkeiten<br />

stiegen in solchen Momenten, und ein wahres Glücksgefühl durchströmte den kräftigen Körper.<br />

Kilian blickte sich um, konnte aber die Instrumente, die früher hier lagerten nicht erkennen. Er zuckte<br />

kurz mit den Schultern, wollte sich wieder abwenden, als er erneut ein ersticktes Wimmern vernahm.<br />

Das ist kein Tier, dachte er.<br />

„Wer ist da?“, fragte Kilian laut und hielt die Fackel vor sich. Plötzlich tauchte im Schein des Feuers<br />

ein großes Gebilde auf, das sich als Käfig entpuppte, als der junge Mann näher kam.<br />

„Tatsächlich! Ein Käfig aus Gold... seltsam!“ Er umfaßte die Stangen mit der linken und schüttelte<br />

den Kopf.<br />

„Vater wird merkwürdig... wenn er es nicht schon immer war.“<br />

Kilian konnte nicht erkennen, was in dem Käfig aufbewahrt wurde, denn die Dunkelheit verschluckte<br />

alles, auch den Feuerschein.<br />

„Ist da jemand?“, fragte er, sanfter und leiser als zuvor. Da drang ein tiefes, raubtierartiges Knurren an<br />

sein Ohr und seine Nackenhaare richteten sich auf. Hielt Agathon hier doch ein Tier gefangen? Aber<br />

wieso in absoluter Finsternis und in der „Halle der Töne“? Kilian hielt die Fackel noch näher an das<br />

Gold... näher...<br />

„Was machst du hier, Kilian?“<br />

Kilian fuhr erschrocken um und starrte in das Gesicht seines Vaters.<br />

„Ich ähm... hörte Geräusche und... mmh. Was für ein Tier haltet ihr hier gefangen, Vater?“<br />

„Ein Tier? Oh... hat es dich angeknurrt, nun ja, es ist noch ein wenig widerspenstig... aber das wird<br />

noch.“<br />

Der Fürst nahm Kilian die Fackel aus den Händen und lenkte ihn zurück zur Tür.<br />

„Laß´ es nun schlafen, Kilian! Bald wirst du es bei Tageslicht sehen... und hören.“<br />

Die beiden Männer verließen die „Halle der Töne“, der eine gütig lächelnd, der andere stirnrunzelnd<br />

und über die Schulter zurückblickend. Die Stimme Agathons entfernte sich langsam, bis sie<br />

schließlich erlosch.<br />

Wieder breitete sich die Dunkelheit in der Halle aus und es war still. Doch dann ertönte wieder das<br />

kehlige Knurren, näher als zuvor, näher an den goldenen Stangen, welche Kilian berührt hatte. Zwei<br />

schmale Hände tasten zitternd... suchen... bebende Finger, die sich abwechselnd spreizen und wieder<br />

zur Faust ballen...<br />

Die feingliedrigen Finger umgreifen schließlich die Eisenstangen, so fest, daß die Knöchel weiß<br />

hervortreten...<br />

Zwei große schwarzblaue Augen glimmen auf, die sich allmählich verengen... bis sie, fern aller<br />

Hoffnung, zufallen.<br />

���<br />

In dieser Nacht hatte Kilian einen seltsamen Traum: Er war wieder in den Klippen bei den Kyrinen.<br />

Er und drei dieser liebenswerten, blaupelzigen Geschöpfe saßen um ein Feuer und starrten in die<br />

Flammen. Einer der Kyrinen berührte Kilian mit seinen langen, dünnen Fingern an der Stirn und<br />

gurrte leise: „Kopfweh, nicht? Ganze Weile an Kopf gefaßt und tief geatmet!“<br />

Tatsächlich spürte der weißhaarige Mann einen leichten Druck hinter seiner Stirn. „Ich weiß auch<br />

nicht, was mit mir los ist... Irgend etwas ruft mich. Vielleicht mein Vater.“<br />

Die drei Kyrinen lachten glucksend: „Oh, nee, nee, wenn Aga-priska Kräfte benutzt, alle spüren.“<br />

Kilian nickte. Die Flammen tanzten auf und ab... „Ja, ihr habt re-“<br />

Plötzlich entfuhr ihm ein lauter Schrei. Ruckartig preßte er die Hände an die Augen und fiel auf die<br />

Seite.<br />

„Was, Kilian, was, was?“, schrien die Klippenbewohner aufgeregt.<br />

„Bilder!“, brachte der Mann mühsam heraus. Keuchend wälzte er sich auf die andere Seite.<br />

„Nicht wehren, kommen lassen, kommen lassen, wie Wellen!“, riefen die Kyrinen. Und Kilian<br />

gehorchte. Er ließ die Schmerzen in sich und somit die Bilder. Wie Schwerter drangen sie in ihn,<br />

zerfetzten sein Fleisch, zerstachen seine Augen... Häuser, Straßen... eine Brücke...aber kein Fluß<br />

darunter... Menschen, reiche Menschen, aber da sind auch Arme...

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