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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Stiefkinder des Schöpfung I: Die vier Jahreszeiten - Marc Rösel<br />

Verschwörung, an der auch Broschakal und der Mann beteiligt sind, der die Maske meines Vaters<br />

trägt.<br />

Masken, wohin ich blicke. Gibt es niemanden mehr in der ganzen Stadt, der sein wahres Gesicht<br />

zeigt? Und Mariannette läßt die Puppen tanzen, die maskierten Puppen der Marionettenstadt. <strong>Elek</strong>-<br />

<strong>Mantow</strong>, Stadt der Marionetten, Mariannettes Stadt.<br />

Mein Vater hätte mich niemals ins Irrenhaus eingelieftert!<br />

Aber der, der sagt, er wäre mein Vater, ist ja auch nicht mein Vater.<br />

Ich tat so, als wäre ich gefügig, habe scheinbar alles akzeptiert... doch dann, als sie dachten, sie hätten<br />

meinen Willen gebrochen, zog ich zwei Nadeln aus meiner Frisur, wobei mir diese lästige, kaum zu<br />

bändigende Strähne ins Gesicht fiel und mir fast die Sicht raubte, aber das hinderte mich nicht, den<br />

beiden Schergen, die mich davonführen wollten, die silbernen Haarnadeln durchs Auge zu stoßen, und<br />

tiefer, bis ins Gehirn. Danach nahm ich meinen Rapier, die Waffe, die mir von meinem wahren Vater<br />

geschenkt worden war, und flüchtete. Im Nachhinein wünschte ich, ich hätte auch die Maske getötet,<br />

die den Namen Gedemondas de Kuansa gestohlen hat, denn ich bin mir gewiß, es ist mehr als nur ein<br />

Dieb. Die Maske muß den echten Gedemondas ermordet haben, um in seine Rolle schlüpfen zu<br />

können. Aber, bei allen Märtyreren, ich erwische dich noch, Mörder meines Vaters, das schwöre ich<br />

dir beim Blut von Atuasi!<br />

Hernach bin ich in die Lyzeum eingedrungen und habe Penhaligon befreit, den sie wie einen Sack an<br />

eine Zimmerwand gehängt hatten, diese Schweine. Ich habe in der Anstalt mehrere Männer getötet,<br />

ich weiß nicht wen, aber es interessiert mich auch nicht. Vielleicht habe ich sogar das aufgedunsene<br />

Schwein Matulek erwischt, wenn nicht, wird die Stunde kommen, es nachzuholen.<br />

Ich schreibe diese Seiten in einer namenlosen Herberge in der Unterstadt, vielleicht hat sie auch einen<br />

Namen, aber ich habe nicht danach gefragt, es spielt ohnehin keine Rolle.<br />

Ludomill liegt im einzigen, wanzenverseuchten Bett, und seine glasigen Augen starren leer an die<br />

Decke. Ich werde wahrscheuinlich auf dem Fußboden schlafen, auf meinem Mantel. Wenn ich<br />

überhaupt schlafen kann. Die Alpträume sind zwar weg, seit ich diese unglückselige Pension der<br />

Verdammten verlassen habe, doch vielleicht kommen sie, um mich im Schlaf zu holen. Nein, ich<br />

bleibe besser wach, dann kann ich ihnen mit blankem Stahl gegenüber treten. Ich habe bereits einige<br />

von ihnen meine Klinge schmecken lassen. Sollen sie nur kommen!<br />

Meistens stammelt Ludomill nur wirres Zeug, denn die Marionettenspielerin hat seinen Verstand zu<br />

Krümeln zerbröselt, aber manchmal hat er wache Momente, und in diesen hat er mir etliches über die<br />

Verschwörung offenbaren können, deren Opfer wir beide sind. Ob es noch andere Opfer gibt? Aber<br />

wenn ja, wie soll ich sie erkennen?<br />

Das Haus, in dem das Unheil seinen Anfang nahm, steht auf einer magischen Kraftlinie, wie Ludomill<br />

es nannte, eine Linie, in der die Erdmagie konzentriert ist. Die Ballung der Erdkraft hat<br />

unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene Menschen, das hängt von der individuellen<br />

Persönlichkeit ab, auf manche wirkt sie stärkend und wohltuend, auf andere zerstörerisch, beschert<br />

ihnen Alpträume und verwirrt ihren Geist. Mir ermöglichte die Erdmagie, Verbindung aufzunehmen<br />

zu Geistern, erst nur in Träumen, dann konnte ich sie auch im Wachen sehen und schließlich sogar<br />

hören, mit ihnen kommunizieren. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte die Verschwörung bereits ihren<br />

Anfang genommen und lastete wie ein Fluch auf dem Haus in der Kranichgasse, wandelte alles Gute<br />

hin zum Schlechten. Hätte ich zu anderen Zeiten wahrhaftig Kontakt herstellen können zu meiner<br />

toten Mutter und zu Denim Atuasi de Jurosa, so waren es jetzt, unter dem Bann der Roten Zauberin,<br />

die selbst eine Erdmeisterin ist und die Magie der Kraftlinie manipuliert, nurmehr falsche Geister,<br />

Trugbilder, gelenkt von der Fädenzieherin der Konspiration, die mir verräterische Gedanken und<br />

falsche Wahrheiten ins gar zu leichtfertige und gutgläubige Ohr flüsterten.<br />

Auch jetzt, wo ich dies hier schreibe, sehe ich sie in den dunklen Schatten stehen, jenseits des<br />

Lichtkreises meiner Kerze, der Wesen der Finsternis, wie sie es sind, abhält, und ich höre aus der<br />

Ecke, wo ihre schemenhaften Gestalten wogen, das Wispern und Raunen ihrer Stimmen. Doch ich<br />

höre nicht mehr auf sie, nie mehr, sie haben ausgespielt. Mögen sie der Nacht ihre Lügen erzählen, ich<br />

verschließe meine Ohren vor ihrem Murmeln.<br />

Mariannette hat die Kontrolle übernommen über das Haus in der Kranichgasse, Pension der<br />

Verlorenen Seelen, und sie hat die Konspiration ins Leben gerufen, der Ludomill und ich<br />

anheimgefallen sind. Der Geist des alten Mannes ist verwirrt, und er erkennt vieles nicht, so wie ich<br />

es erkenne, doch vor meinem inneren Auge liegt die Wahrheit offen zutage. Alle, alle sind dem<br />

unheilvollen Einfluß verfallen, oder aber sie wurden ausgetauscht. Ich bin die Letzte. Ich und die

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