Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Erkenntnis - Thomas Peter Goergen<br />
Da! Grelligkeit, ein Feuersblitz - landversengend, heiß... Licht - das Sein..: gebrannte Schatten, weiße<br />
Wände - schmelzender Türme und schwindender Stein - Ahkaldach! Der Tag von... Große Halle, roter<br />
Saal: die Hundertundelf - die Anklage ohne Maß... „Erkennt Ihr die Schuld...“ Blitz! Weiß!<br />
Er fühlte den stumpfen Schmerz fast lächerlich verspätet und verzerrt, und was er fühlte, konnte er<br />
nicht verstehen, denn als ihm jäh die Sinne schwanden, war er just nicht mehr ein Mensch!<br />
Der Tresen von Meister Mollk befand sich in bester Lage und Nähe zu den Stufen des <strong>Mantow</strong>in-<br />
Heiligtumes; ein dunkelschimmernder Tisch aus warmem Holze unter einem mit buntscheckigen,<br />
lustigen Bildern bestickten Baldachin. Umherstanden bauchige Eisentöpfe mit kupfernen Henkeln in<br />
Form von Gänsefedern, aus denen, wenn der Meister oder seine Gesellen die Deckel lupften,<br />
verführerischer Süßduft stieg und allein dieser Gerüche wegen eine Beliebtheit genossen, um welche<br />
sie alle umstehenden Händler beneideten. In diesen Töpfen kochten Marzipan, Rahmschokolade und<br />
glänzendes Naschwerk: Mollk war ein großer Verfertiger aller möglichen, Zucker gewordenen<br />
Genüsse.<br />
Die besten Kunden mochten seine Lehrlinge zu sein, so prall und rotgesichtigt sie waren; der Meister<br />
selber war ein zartgliedriger, zum Hüsteln neigender Mann mit einem strengen Gesicht, das jenen<br />
Vorwurf zu atmen schien, den alle beim Verzehr seiner Kunst so gerne außer Acht ließen. Dabei<br />
wahrte der edle Mann zugleich immer jenen zuvorkommenden Augenschlag, welcher selbst die<br />
vollschlankesten Kunden davon überzeugte, noch weit davon entfernt zu sein, mit einem weiteren<br />
Tellerchen Pollenhonig an sich oder ihrem Leibesumfang zu sündigen...<br />
Auch Torador liebte es, sofern er einmal über den Basar bummelte, Halt zu machen bei Herrn Mollk,<br />
um eine Tüte ferkalitz´sches Konfekt zu erstehen; auch wenn er das meiste davon an umherlaufende<br />
Kinder verschenkte, reichte es immer noch für einen kleinen Vorrat in seinem Arbeitszimmer im<br />
Lyzeum.<br />
Meister Mollk bediente ihn übrigens äußerst zuvorkommend, schließlich hatte Torador seine Frau<br />
ohne großen Aufwand, nur mit einigen Kräutertees und beruhigenden Worten, von ihren<br />
Schlafstörungen und Albträumen befreit.<br />
„Lieber Broschakal“, begrüßte der Zuckerbäcker <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>s den Heiler mit einer höflichen<br />
Verbeugung, und „Lieber Meister Mollk“ gab der Heiler die Artigkeit zurück. „Was kann ich für<br />
Euch tun“, erkundigte sich der Süßwarenhändler mit einem wissenden Schmunzeln, während Torador<br />
schon begeistert die Auslagen begutachtete: „O - nichts weiter - ich, nun... etwas hiervon, denke ich,<br />
und hiervon, und, wenn Ihr schon dabei seid, die Mandelblätter...“<br />
„Die Mandelblätter“, rief der Händler freudig aus, und die Umstehenden lachten, ebenso Torador, der<br />
es liebte, jedesmal von Mollk auf diese Weise schelmisch enttarnt, zum „Mittäter“ der anderen Gäste<br />
gemacht zu werden: „Die Mandelblätter - Donado“, klatschte Mollk in die Hände und sein Geselle<br />
schnaufte strahlend heran: „Meister Mollk?“<br />
„Eine Tüte Mandelblätter für den ehrenwerten Broschakal (o er kann noch viele Mandelblätter<br />
unbeschadet vertragen) und er lege ihm noch von den Marzipanwecken ein paar obenauf - keine<br />
Wiederrede, lieber Broschakal: hier! bin ich der Arzt...“<br />
Die Kunden zollten ihm entzückten Beifall - eine Dame in seidigem Grün drohte Torador sogar<br />
scherzhaft mit dem Finger, daß er auch brav befolge, was sein Heiler ihm verschreibe. Was sollte<br />
Torador tun? Gerne ließ er sich von Mollk bevormunden, wenn auch die Marzipanwecken an schiere<br />
Bosheit grenzten - bei <strong>Mantow</strong>in, er würde sie unverzüglich verschlingen...<br />
Er hatte gerade bezahlt und wollte sich durch die Menge davonmachen, als er aus den Augenwinkeln<br />
eine dunkel gekleidete Gestalt wahrnehmen konnte, die sich an den Tresen schob, und dann hörte er<br />
auch schon Mollk voller Überraschung rufen: „Herr Lugubrues - wie lange habe ich Euch nicht mehr<br />
gesehen - zwei oder drei Tage... Wie ernst Ihr wieder dreinschaut - Donado, bring´ er mir die Schüssel<br />
mit den Nußtrüffeln, hurtig, hurtig...“<br />
„Herr Lugubrues“, wandte sich Torador erstaunt herum; tatsächlich sah er den Totengräber, wie er<br />
sich von Mollk einige beachtliche Trüffelschnitten in feines Pergament einschlagen ließ und noch<br />
einen Schokoladenapfel auf die Hand... Der Totengräber war so bleich wie eh und je, fast schien es<br />
Torador, als wären die Ringe unter den hellen Augen nur noch tiefel und dunkler geworden. Er<br />
erkannte den Heiler aber sogleich und grüßte mit einem leichten Nicken.<br />
„Wie ich sehe“, mit diesen Worten schloß sich Torador dem sogleich Weitereilenden an, „seit Ihr<br />
auch ein Jünger unseres lieben Meisters Mollk?“