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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Erkenntnis - Thomas Peter Goergen<br />

Nicht jeder von ihnen schien <strong>Mantow</strong>in zu sprechen, doch gab sich der Fiedler als Wortführer zu<br />

erkennen.<br />

Er deutete mit dürren, beringten Fingern zu Boden. „Das dort!“ schnarrte er. „Das dort hat unsere<br />

Freundin verletzt...“ Und strich der Zitternden sanft über den Arm, sprach fremdländische, ruhige<br />

Worte zu ihr. Tatsächlich entspannte sich das Mädchen ein wenig, nickte ein paar mal, schluchzte.<br />

Yanec betrachtete das Amulett. Ein verbogener, recht verkratzter Streifen Gold, vielleicht zwei<br />

Daumen lang. An einem Ende war er durchbohrt, ein kleines, kreisrundes Loch; ein Teil der<br />

gerissenen Kette hing noch darin. Yanec war sich nicht sicher, ob einige der Kratzer nicht doch sehr<br />

fein ziselierte Bilder oder Zeichen waren - er beugte das Knie, berührte die kühle Oberfläche des<br />

Metalls. Nachdenklich schloß er die Augen. Dann begann er, seine Gedanken zu spannen. Als er sie<br />

auf das Metallstück richtete, überkam ihn ein sehr seltsames Gefühl: es war nicht Angst oder<br />

Schmerz, obwohl eine Beklommenheit mitschwang; aber die Ehrfurcht vor Größe und Glanz<br />

verspürte er, wie ein Kind, daß die Fassade eines prachtvollen Schlosses emporstaunt...<br />

Er riß sich zusammen. Vorsichtig, und die Menge erblich, hob er den blinkenden Streifen auf.<br />

Da! War da nicht etwas? Ein kalter Schauer lief über den Rücken, als ob ihn jemand plötzlich aus<br />

dunklen Schatten heraus beobachtete - tatsächlich blickte er sich um, sah aber nur die gespannten<br />

Gesichter der Umherstehenden. Yanec runtzelte die Stirn. „Eigenartig“, dachte er. „Kein Eindruck<br />

einer mir bekannten Kraft. Weder scheint der Himmel oder die Hölle hier am Werke gewesen zu<br />

sein...“ Er hörte das Wimmern der Frau.<br />

Die Spielleute standen unschlüssig, ob sie noch ein Urteil dieses großen Mannes mit dem<br />

Purpurfalken auf der gepanzerten Brust abwarten oder besser gleich ihre Freundin fortführen sollten -<br />

aber Yanec trat auf die kleine Gruppe zu: „Ich kann helfen“, sagte er mit freundlichem Lächeln.<br />

Einen Augenblick lang erntete er mißtrauische Blicke, dann nickte der Alte.<br />

Die Brandwunde schimmerte in bösem Rot, durchzogen von braunen Furchen - ein genauer Abdruck<br />

des Amuletts. Der Priester fühlte, daß die Arme schlimme Schmerze litt; also richtete er seinen Geist<br />

auf die Versehrung, hoffte auf die Linderung, die bald ihr und wie stets, auf merkwürdige Weise,<br />

dann auch ihm wiederfahren würde... Nichts. Yanec stutzte. Die Wunde hatte sich weder verändert,<br />

noch erkannte er bei er Frau irgendwelche Anzeichen der Genesung - ein weiterer Versuch, seine<br />

Heilkräfte wirken zu lassen, zeitigte ebenfalls keinerlei Wirkung...<br />

Als die anderen erschrocken aufstöhnten, erwachte er wie aus einem drückenden Traum. Vor ihm,<br />

während alle zurückwichen, in flammendem Rot, bleich und unbewegt, stand der atamanische<br />

Sammler.<br />

„Ihr - hier?“ brachte Yanec erstaunt hervor.<br />

Der Atamane nickte. „Gewiß!“ erwiderte er. Und streckte die Hand aus.<br />

„Was...“ Der Priester starrte ihn, die Hand verwirrt an.<br />

„Gebt es mir“, sagte der Sammler ruhig, „Ihr könnt nichts daraus erfahren. Und jeder Versuch, Ihr zu<br />

helfen“, er deutete mit dem Kopf nach der fassungslosen Tänzerin, die sich in die Arme ihrer nicht<br />

minder verschüchterten Brüder drückte, „ist aussichtslos!“<br />

Auf den fragenden Gesichtsausdruck des Ordenskriegers hin lächelte er leicht. „Ich kann es Euch<br />

nicht erklären“, sprach er dann, „und Ihr könntet es auch nicht verstehen. Gebt es mir!“ Fraglos war<br />

sein Ton schärfer geworden, aber die Haltung des Sammlers war immer noch friedlich und gelassen.<br />

Yanec zögerte kurz - die Augen, achte auf die Augen - dann reichte er dem Atamanen den Anhänger.<br />

„Seid Ihr wahnsinnig?“ rief einer aus der Menge. „Womöglich ist der Fetak die Ursache für den<br />

ganzen üblen Zauber...“ Ein beifälliges Gemurmel erhob sich, Fäuste wurden geschüttelt - da und dort<br />

drohten sie mit ihren Dolchen und Schwertern...<br />

„Narren!“ sagte da der Sammler, ohne indes in die Runde zu schauen. Und, nachdem es wieder still<br />

geworden war: „Wo ist der Echsenmann?“<br />

„Was?“ „Er meint den Echs...“ „Der hier gesessen hat...?“ „Wen...?“<br />

Der Echs sei also gegangen, stellte der Atamane fest. Kurz stand er sinnend, während er den<br />

Anhänger bedächtig in seinen Beutel gleiten ließ. Dann, mit einer leichten Verbeugung gegen Yanec<br />

und die Spielleute, einem funkelnden Seitenblick, der einige wieder sich hastig segnen machte,<br />

wandte er sich zur Tür.<br />

„Wartet!“ Yanec trat rasch von hinten an ihn heran.<br />

„Bitte, Cer dÍbrisco?“. Ohne sich umzudrehen.<br />

Er könne nicht einfach gehen, erklärte der Priester mit fester Stimme. „Ihr habt Erklärungen, wie es<br />

scheint - diese Leute haben ein Anrecht darauf sie zu erhalten!“

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