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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Schatten - Robert Symons<br />

Schatten<br />

Robert Symons<br />

1.<br />

Schmerzen... Gitter... Peitschen... Kämpfen, jeden Tag , immer und immer wieder... Blut, Schweiß<br />

und die Schreie der Sterbenden...<br />

Gruhl öffnete die Augen. Seine Umgebung war ihm fremd. Gehetzt setzte er sich auf. Der<br />

Schwindelanfall und die tanzenden Punkte vor seinen Augen machten ihm schnell klar, daß dies keine<br />

gute Idee gewesen war. Er ließ sich zurückfallen und stellte verwundert fest, daß er nicht auf kaltem<br />

Stein sondern auf einem Lager aus sauberem Leinen lag. Dann setzte der Schmerz wieder ein. Gruhl<br />

schloß seine Augen wieder und biß die Zähne zusammen. Er konzentrierte sich auf sein Gehör, das<br />

mit wölfischer Schärfe durch das leise Prasseln eines Herdfeuers und das Knarren alten Gebälks die<br />

tiefen, ruhigen Atemzüge rechts von ihm aufnahm. Langsam tauchten die Erinnerungen aus einem See<br />

von Schmerzen auf.<br />

Die Arena. Als die Wachen seinen Halsring von der Kette lösten hatte er, die Hiebe mit den<br />

Stachelpeitschen ignorierend, einen der Wächter mit seinen Krallen getötet, den anderen mit dessen<br />

eigenem Dolch. Dann war er durch die Katakomben der Selefra-Arena geflohen. Fast bis zur Brücke<br />

über die Kluft war er gekommen, als ihn die Wächter wieder einholten. Beim Versuch die schmale<br />

Plankenbrücke zu überqueren hatte ihn ein Wächter gestellt. Er konnte Gruhl einige tiefe Wunden<br />

zufügen, bevor er sein Ende am Boden der Schlucht fand. Dann die Flucht durch die Tunnel bis zu<br />

dem Aufgang, der zu einem kleinen Haus am Rande der Unterstadt, die sie das Rattenloch nannten,<br />

führte. Weiter durch die stinkenden Straßen des Rattenlochs, im dichten Nebel, die Verfolger<br />

dichtauf. Der Blutverlust. Gruhls Kräfte verließen ihn mit Strömen seines Blutes. Eine Gestalt im<br />

Nebel, ein letzter Kraftaufwand, ein letztes gekeuchtes Word, „Hilfe!“. Dann Schwärze. Gruhl tastete<br />

mit seinem unverletzten linken Arm an seinen Hals. Ja. Da war noch immer der verhaßte eiserne Ring,<br />

den man benutzt hatte, um ihn in seiner Zelle an die Wand zu Ketten. Gruhl konnte ein leises Knurren<br />

ob der Erinnerung nicht unterdrücken.<br />

Das ungewohnte Geräusch weckte Taliësin. Das Öffnen der Augen war ein Reflex, sie hätte sie<br />

genausogut geschlossen lassen können, denn Taliësin war blind. Der Fremde mußte aufgewacht sein.<br />

Sie saß in ihrem Lehnstuhl neben dem Bett, sie hatte den Schlaf des Fremden überwacht, nach dem<br />

die schwarze Jakla, die Taliësin hatte rufen lassen, wieder nach Hause gegangen war. Die alte Frau<br />

hatte die Wunden versorgt, nachdem sie zuerst etwas erstaunt vor sich hin gemurmelt hatte.<br />

„Paß auf, mein Kind,“, hatte sie gesagt.<br />

„Was Du da von der Straße aufgelesen hast ist ein Charach, ein Wolfmann. Bleib besser wach, denn<br />

niemand weiß was er tun wird, wenn er aufwacht. Auch wenn der hier zu schwach ist, um Dir<br />

ernsthaft Schaden zu können. Ich werde in den nächsten Tagen wieder vorbeischauen um die<br />

Verbände zu wechseln. Er hat Glück daß er tatsächlich die Widerstandskraft eines Wolfes hat, in ein<br />

paar Wochen wird er wieder vollständig bei Kräften sein.“<br />

Dann war sie gegangen und Taliësin war, ziemlich besorgt, zurückgeblieben. Sie hatte sich in den<br />

Lehnstuhl gesetzt und versucht, wachzubleiben. Irgendwann mußte sie trotz der Warnung der alten<br />

Frau eingenickt sein.<br />

Taliësin lauschte auf die gepreßten, von Schmerz kündenden Atemzüge des Fremden. Dann hörte sie<br />

zum ersten Mal die Stimme des Fremden, eine tiefe, kehlige Stimme, die mit einem merkwürdigen<br />

Akzent sprach.<br />

„Wo bin ich?“, fragte Gruhl und öffnete seine bernsteinfarbenen Augen wieder. Er blickte sich zum<br />

ersten Mal um und gewahrte ein kleines, gemütlich eingerichtetes Zimmer, an dessen einer Wand in<br />

einem kleinen Kamin ein Feuer prasselte. Eine uralte, wurmzerfressene Standuhr tickte in einer Ecke<br />

ruhig vor sich hin, unbeeindruckt von den beiden überraschten Personen, die sich im Zimmer vor ihr<br />

befanden. Das Bett, in dem Gruhl lag, befand sich gegenüber einem alten Eichenschrank, der leise vor<br />

sich hin knarrte. Neben dem Bett stand ein großer Lehnstuhl, in dem eine junge Frau saß, die Gruhl<br />

erschrocken zu mustern schien.<br />

„Ihr, Ihr seid in meinem Haus.“, sagte sie.

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