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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Der Ruf des Falken - Claudia Wamers * Jürgen Nilkens * Oliver Nothers * Robert Symons<br />

Dann eines Tages hatte ich meine erste Begegnung mit anderen Menschen. Ich hatte zwar vorher<br />

immer schon einmal Leute in weiter Ferne vorbeiziehen sehen, aber ein Zusammentreffen stets<br />

vermieden. Zuerst hörte ich Kampflärm - Metall auf Metall, Schreie usw..<br />

Ich zog mein Schwert und lief in die Richtung, aus welcher der Lärm kam. Kurz darauf sah ich, wie<br />

drei Leute einen vierten bedrängten, während ein fünfter sich an den Satteltaschen eines Pferdes zu<br />

schaffen machte. Da ich unfaire Kämpfe noch nie ausstehen konnte, warf ich mich dazwischen. Der<br />

einzelne, offenbar ein junger Mann, wenn auch von seltsamen Aussehen, hatte schon einen Gegner<br />

mit dem Schwert erschlagen. Mit Gebrüll warf ich mich auf einen der anderen beiden Angreifer und -<br />

wie ich stolz sagen kann - machte ihn mit einigen kurzen Streichen so fertig, daß er die Flucht ergriff.<br />

Der Dritte Angreifer setzte währenddessen dem Jungen weiter zu, der sich aber noch tapfer hielt. Der<br />

Fremde, welcher sich zunächst um den Inhalt der Satteltaschen gekümmert hatte, wandte sich nun mir<br />

zu. Er war nur ein kleiner Dieb, bei weitem nicht in der Lage, auch nur daran zu denken mit unserem<br />

Kätzchen zu spielen. Der Verlust seines rechten Unterarmes bewegte ihn recht rasch dazu, seinem<br />

Kumpel gleich das Heil in der Flucht zu suchen. Beinahe zu spät, denn der letzte Angreifer hatte den<br />

Jungen gerade zu Boden gestoßen und hob nun an, ihm das Schwert in den Brustkasten zu rammen.<br />

Ich kam ihm mit der gleichen Aktion zuvor, nur das es sein Brustkasten war, den ich durchbohrte.<br />

Nachdem ich ihm das Schwert aus dem Leib gezogen hatte und er daraufhin zusammengebrochen<br />

war, hatte ich Zeit, mich um den Jungen zu kümmern. Er war doch stärker mitgenommen, als ich<br />

zuerst vermutet hatte. Ein Glückstreffer eines der Banditen mußte zwischen die Lamellen seiner<br />

Rüstung geraten sein und hatte eine ziemlich tiefe Wunde gerissen. Dazu zwei größere Kopftreffer<br />

und natürlich jede Menge Prellungen.<br />

Hatte ich während des Kampfes die Lehren Vlads so richtig schätzen gelernt, erinnerte ich mich nun<br />

ein zweites Mal seit meinem Aufbruch von hier deiner Lehren, Mutter, und verarztete den Jungen so<br />

gut ich konnte. Zum Glück fanden sich in meinem Gepäck mittlerweile Bandagen und Alkohol sowie<br />

ein paar Salben und Kräuter, die ich von einem multorischen Heiler erworben hatte, und von dem ich<br />

auch noch einiges über deren Anwendung gelernt hatte. Während ich ihn also versorgte, hatte ich<br />

Gelegenheit, ihn näher zu betrachten: Seine Haut war straff und fest und von dunkelbrauner Farbe,<br />

fast wie Leder, wenn auch weicher und angenehmer zu berühren. Seine Schultern, seine Stirn die<br />

Oberarme wiesen einen starken Knochenbau auf, die fast wie eine natürliche Rüstung wirkten. Sein<br />

volles, pechschwarzes Haar fiel bis auf die Schultern und war zu einem Pferdeschwanz gebunden.<br />

Sein Körper war recht athletisch, wenn auch nicht sehr muskulös. Bis auf die Festigkeit der Haut und<br />

die Verhärtungen an Stirn, Schultern und Armen war er von menschlicher Gestalt. Zumindest dachte<br />

ich das, bis ich sein Gebiß sah: Seine Eck- und die Schneidezähne waren wahrlich wölfisch. Wenn<br />

man allerdings bedenkt, daß die Nahrung der Kai - so nennen sich diese Leute - zu vier Fünfteln aus<br />

Fleisch besteht, daß auch öfters roh verspeist wird, weiß man solche Reißer durchaus zu schätzen.<br />

Der Junge hatte mich während der ganzen Zeit, in der ich ihn untersuchte und verband, mit großen<br />

Augen angeschaut. Als ich fertig war, deutete er auf sich und sagte nur ‘Torg’. Ich zeigte auf mich<br />

und nannte meinen Namen, worauf er lächelte. Trotz der Reißzähne ein durchaus charmantes,<br />

jungenhaftes Lächeln. Ich mußte auch lächeln. Ich fragte ihn auf multorisch, wo er denn zu Hause sei.<br />

Er schien mich verstanden zu haben, denn er sagte irgend etwas in einer recht kehligen Sprache und<br />

deutete nach Nordosten. Ich lud ihn also auf sein Pferd, stopfte seinen Kram wieder in die<br />

Satteltaschen und führte das Pferd am Zügel in die Richtung, die er angedeutet hatte. Kurz darauf<br />

wurde er ohnmächtig. Zu meinem Glück hatte er dem Pferd vorher deutlich machen können, daß es<br />

mich die Zügel nehmen ließ. Ich glaube, ohne dies hätte mich das Tierchen nicht an sich heran<br />

gelassen. Der Räuber, der sich an den Taschen zu schaffen gemacht hatte, konnte von Glück reden,<br />

daß das Pferd schon angehobbelt war, als er mit seinen Kumpanen Torg überfiel. Es hätte ihn mit<br />

Sicherheit die Zähne und unter Umständen die Fähigkeit, aufrecht zu gehen gekostet.<br />

Nachdem wir etwa vier Stunden gegangen waren, konnte ich in einiger Entfernung Rauch ausmachen.<br />

Eine Viertelstunde später waren wir von sechs von Torgs Stammesbrüdern umgeben, die uns in ein<br />

Zeltdorf führten. Wir gelangten ins Zentrum des Dorfes, einen runden Platz von etwa 20 Metern<br />

Durchmesser, dessen Rand von zehn Zelten gebildet wurde. Hier hoben ein junger Mann und eine<br />

junge Frau Torg vom Pferd und brachten ihn in das kleinste Zelt, welches am Kreis stand. Keiner<br />

machte Anstalten, mir meine Waffen oder etwas anderes wegzunehmen, aber es war auch klar, daß<br />

ich mich nicht von der Stelle rühren sollte. Kurz nachdem der Junge ins Zelt gebracht worden war,<br />

lief einer der sechs, die uns ins Dorf geführt hatten und die mich nun, wie soll ich sagen, bewachten,

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