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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Stiefkinder des Schöpfung I: Die vier Jahreszeiten - Marc Rösel<br />

mich an, als ob ich eine Fremde wäre - oder ein Opfer. Wenn ich aber lautlos zur Tür schleiche und<br />

lausche, dann höre ich sie sich angeregt unterhalten, sie plaudern, sie scherzen. Ich höre sie manchmal<br />

hinter meinem Rücken lachen und flüstern, sie sagen, ich wäre verrückt, dabei sind sie die<br />

Verrückten!<br />

13. Talu<br />

Endlich habe ich die Zusammenhänge durchschaut. Alle in diesem verfluchten Haus sind gegen mich,<br />

es ist eine großangelegte Verschwörung, mit dem Ziel und Zweck, mich zu vernichten. Und Mistress<br />

Yatzikenis, sie weiß davon, sie ist an allem beteiligt, von Anfang an. Möglicherweise ist sie sogar die<br />

Drahtzieherin. Die... „Puppenmeisterin“.<br />

Yssa, die Hure... sie ist mehr als das. Almir ibn Sedalesch verkaufte mir die Information für 20<br />

Silbersonnen. Yssa Caerdonthiel, Geliebte von Dimitri dem Studenten, sie ist nicht nur eine Dirne,<br />

sondern auch eine Dämonin, eine Sukkubus aus dem allertiefsten Inferno! Ich bin überzeugt, sie ist im<br />

„Lindenblatt“, um alle Bewohner zu verderben, in ihren teuflischen Bann zu ziehen. Sie und die<br />

Hauswirtin müssen Hand in Hand arbeiten, Mistress Yatzikenia lockt Gäste in ihr Haus, wie eine böse<br />

Hexe aus einer der alten Geschichten, und Yssa fängt und fesselt sie mit ihren dämonischen Reizen.<br />

Shivistri, sie ist die Einzige, die Letzte, der ich noch vertrauen kann...<br />

14. Talu<br />

Heute habe ich erfahren, daß Weiß in der Vorstellung ihres Volkes die Farbe des Todes ist. Shivistri<br />

Srimavo trägt immer Weiß... Sie trägt den Tod im Herzen. Meinen Tod? Ich kann ihr nicht mehr<br />

vertrauen, nicht einmal mehr ihr. Es ist an der Zeit, zu gehen. Morgen verlasse ich dieses Haus und<br />

ziehe zu meinem Vater. Wenigstens er ist mir treu.<br />

16. Talu<br />

Die Geisterfrauen haben zu mir gesprochen. Sie wollen mir helfen, sie sind aus dem Totenreich<br />

emporgestiegen, um mir beizustehen in meiner Not. Sie enthüllen mir viele Geheimnisse, meine<br />

Mutter und meine Herrscherin, ich fühle mich geborgen und sicher in ihrer Obhut. Ich stelle ihnen die<br />

Fragen, die mich quälen, und ich erhalte Antworten von ihnen, Antworten, denen ich glauben kann.<br />

Und doch ist es verwirrend, was sie mir mit ihren flüsternden und raunenden Stimmen offenbaren.<br />

Meine Mutter spricht zu mir:<br />

„Leg Deinen Argwohn ab. Vertraue denen, die in den Mauern dieses Hauses sind, von ihnen droht dir<br />

kein Leid. Sie sind wie du nur Marionetten, auch wenn der eine oder andere glauben mag, er wäre<br />

mehr, vielleicht sogar der Puppenspieler. Wer immer an den Fäden zieht: er naht von außen.“<br />

Ich glaube ihr.<br />

17. Talu<br />

Ich habe alle Kontakte nach Außen abgebrochen, vom Prinz-Schukan-Internat habe ich mich auf<br />

unbestimmte Frist beurlauben lassen. Hier, im „Lindenblatt“, bin ich sicher. Es ist schön, wieder<br />

jemandem vertrauen zu können. Es ist schön, Shivistri wieder vertrauen zu können. Nur einen<br />

Wermutstropfen gibt es in der süßen Verheißung der Geisterdamen: Yssa Caerdonthiel. Es<br />

widerstrebt mir in der innersten Seele, eine Lustdämonin als Verbündete, als Mitgefangene und<br />

Weggefährtin zu betrachten.<br />

19. Talu<br />

In der Nacht vom 18. auf den 19. schreckte ich gegen Mitternacht aus dem Schlaf. Ich hatte zuvor<br />

schon unruhig geträumt und mich in meinem Bett hin und her gewälzt. Als ich nun die Augen<br />

aufschlug, war meine Bettdecke durchnäßt, und mein Kopfkissen war feucht von Tränen, ohne daß<br />

ich die Erinnerung an den Traum zu fassen vermochte, der mich dazu gebracht hatte, im Schlaf zu<br />

weinen. Wirre Bilder tanzten durch meinen Kopf, Bilder unsäglichen Schreckens, die ich versuchte,<br />

einzufangen, mir auch im Wachsein bewußt zu machen, doch sie entzogen sich, fast schien es mir mit<br />

höhnischem Kichern meinem Zugriff und versanken wie Nebel in den Abgründen meines<br />

Unterbewu0tseins. Ich zitterte, und mein Nachthemd klebte auf meiner Haut, spannte über meinen<br />

Brüsten. Für eine Sekunde wähnte ich, es wäre Blut, das mein Kleid und Bett befleckte, und ich schrie<br />

laut auf, aber noch während mein eigener Schrei in meinen Ohren verhallte, erkannte ich, daß es nur

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