15.11.2012 Aufrufe

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Eine Art von Nacht - Jeanette Kaz<br />

„In Ordnung Soldat. Und sendet dem Hauptmann unseren Dank für seine Besorgnis. Und auch Euch<br />

unseren Dank. Wir haben Tee, wollt Ihr…?“<br />

„Nein, Danke, Dame. Wir müssen weiter. Gebt acht und haltet die Läden geschlossen.“<br />

„Das werden wir tun. Viel Glück.“ Sorgfältig verriegelte Viril die Tür. „Sind alle Fensterläden<br />

geschlossen? Auch die bei Dir auf dem Dachboden?“ Rain nickte.<br />

���<br />

„Airan!“ Viril stieß die Tür zum Arbeitsraum der Chirurgin auf. Ungeduldig schlug die Gerte an ihren<br />

Rock. Die kleine Schwester sah von dem Mörser auf, in dem sie irgendetwas zerstieß. Innerlich<br />

erschrak Viril über die tiefen Ringe unter den Augen des Mädchens. Die Haut sah selbst in goldenen<br />

Kerzenlicht staubgrau aus. „Was tust Du da?“ „Arnika zerstossen. Sehr viel Arnika. Es wird nicht<br />

besser, das Fieber geht nicht 'runter. Ich muß, ich muß …“<br />

Sie schluckte. „Du willst ihn nochmal operieren? In Deinem Zustand? Süßes Hale, Du mußt von allen<br />

guten Geistern verlassen sein! Wie lange hast Du nicht mehr geschlafen?“<br />

Airan fuhr herum und schrie: „Das weiß ich nicht - wie auch, wo es doch einfach nicht mehr Tag<br />

werden will! Verstehst Du nicht? Ich, ich habe ihn aufgeschnitten in diesem Dreckloch! Und weil ich<br />

nicht Verstand genug hatte, das Risiko einzugehen und ihn hierher zu bringen wird er jetzt vielleicht<br />

sterben!“<br />

„Still!“ Virils Stimme peitschte durch den Raum und die Chirurgin zuckte zusammen, als habe sie ein<br />

körperlicher Hieb getroffen. „Die Frage ist: Wird er es noch ein paar Stunden durchstehen, oder mußt<br />

Du das Risiko eingehen in aufzuschneiden, wenn Du kaum gerade stehen, geschweige denn die Hände<br />

lange genug ruhig halten kannst, um einen geraden Schnitt anzusetzen?“ Airan wandte sich ab. „Ich<br />

weiß nicht. Ich weiß es einfach nicht. Sicherlich wird er in den nächsten paar Stunden nicht sterben,<br />

aber vielleicht wird er zu schwach für eine neue Operation sein. Vielleicht auch nicht.“<br />

„So. Du weißt es nicht. Dann werde ich Dir zumindest diese Entscheidung abnehmen. Ich werde jetzt<br />

neben Dir stehen bleiben und nicht weichen, bevor Du Dir nicht selbst ein angemessenes Schlafmittel<br />

zubereitet hast. Dann werde ich überwachen, wie Du Dich in Deinem eigenen Bett zur Ruhe legst und<br />

Dich einschließen. Und dann wirst Du so lange schlafen, bis wir Dich wecken. Und das kannst Du als<br />

Befehl betrachten.“<br />

„Mutter Oberin…“<br />

„Keine Widerrede. Ich selbst werde bei Deinem Patienten Wache halten. Du kannst unbesorgt sein,<br />

sollte sich an seinem Zustand etwas verändern, werde ich Dich wecken. Also, los.“<br />

Airan wälzte sich unruhig auf ihrem Bett hin und her. Schließlich setzte sie sich auf. Jeder Muskel tat<br />

ihr weh, und sie hatte ein Gefühl, als seien Ihre Augen mit Watte ausgestopft. Zögernd griff sie nach<br />

der Wachstafel, die Rain wohl auf ihren Nachtisch gelegt hatte. Dort stand nur ein Name. Aber Airan<br />

wußte, wer das war. „Vier Hände sind besser als zwei. Zwei Köpfe haben mehr Ideen als einer.“ Sie<br />

hörte Rains ruhige Stimme nochmal. Die Frau, deren Name hier stand, und auch, wie sie zu finden<br />

war, war das Weib des Hauptmanns. Er hatte den kleinen Schwestern nur Gutes getan. Konnte seine<br />

Frau eine Quacksalberin sein, die mit dem Leben ihrer Patienten spielte? Airan umklammerte das<br />

Täfelchen so fest, daß ihre Finger sich in das gehärtete Wachs gruben. „Vier Hände … zwei Köpfe<br />

…“ unaufhörlich hallten Rains Worte durch Airans leergefegtes Hirn. „Vier Hände … zwei Köpfe<br />

…“ „Was kann es schaden?“ flüsterte ein verräterisches Stimmchen in ihrem Hinterkopf, „was kann<br />

noch verdorben werden?“ Ja, was?<br />

���<br />

Viril stieß die Läden auf. Es war noch immer dunkel. Rain rieb sich müde die Augen. Sie hatte die<br />

Wundhaken gehalten, während Airan arbeitete, als hinge ihr Leben davon ab.<br />

Ihr Magen schmerzte vor Hunger, aber sie brachte keinen Bissen über die Lippen. Zu deutlich sah sie<br />

noch das Bild vor sich, wie Airan den Leib des Mannes geöffnet hatte, den gelb-grünen Eiter, der<br />

ihnen entgegensuppte. So viel davon, daß Airan einen Teil mit einem kleinen Löffel ausschöpfte.<br />

Aber das war bei weitem nicht das schlimmste gewesen. Die Wunde lag nahe bei den Eingeweiden<br />

und roch entsprechend. Und, so hatte Airan ihr gepreßt erklärt, es reichte nicht, die<br />

entzündungshemmende Lösung aus Arnika und Alkohol überall zu verstreichen. Zuvor mußte der<br />

Eiter beseitigt werden, oder die Entzündung würde in wenigen Stunden wieder durchbrechen. Rain

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!