Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Wie der Hieb des multorischen Säbels - <strong>André</strong> <strong>Wiesler</strong><br />
Kopf brummt wie ein Braunbär. Ich weiß nicht wie es Euch geht, aber ich hasse es Männer vor dem<br />
Frühstück zu töten. Aber wenn es sein muß, werde ich es tun.“<br />
Dann blickte er auf, ließ die Eckzähne blitzen, senkte den Kopf wieder ein Stück und blickte die<br />
Männer aus zusammengekniffenen Augen an: „Also wenn ihr den Abend noch erleben wollt, packt<br />
euch!“ Dann drehte er sich um, scheinbar fertig mit den beiden. Er hörte das Scharren von Stiefeln auf<br />
dem Pflaster, als die Männer zögernd näherkamen. Da wirbelte Inigo herum, der Degen sirrte aus der<br />
weichen Lederscheide und peitschengleich durch die Luft, um dann leicht wippend vor der Kehle des<br />
Kleineren zum Stehen zu kommen: „Ich meine, was ich sage, Männer!“<br />
Entgeistert blickte der Multorier auf die blitzende, dreieckige Klinge an seinem Kehlkopf und noch<br />
erschrockener sah er, daß sein eigener Schwertgurt sauber durchtrennt war. Er wurde nur noch von<br />
den Schnallen gehalten. Inigo kostete den Augenblick noch einen Moment aus, dann erhob er die<br />
dünne Degenklinge gegen die Stirn und ließ sie mit einer geschmeidigen Bewegung in die Scheide<br />
gleiten, ließ aber die Hand weiterhin auf dem Korb ruhen, der den Handschutz bildete.<br />
Die beiden Männer sahen sich an, blickten dann über Inigos Schulter zu der jungen Frau. Dann<br />
endlich gingen sie langsam rückwärts. Als sie um eine Ecke verschwunden waren, drehte er sich um<br />
und sagte: „So, das wäre erledigt!“<br />
Die Frau blickte ihn halb erleichtert, halb trotzig an: „Die kommen wieder!“ Der Dialekt Multors<br />
breitete sich auch in ihrem zarten Stimmchen unverkennbar aus. Sie war hübsch, hohe<br />
Wangenknochen, schön geschwungene Augenbrauen, Augen, die den Blick anzogen. Ihr Körper<br />
versprach eine gewisse Geschmeidigkeit und ihr Gebaren ein nicht zu unterschätzendes Temperament.<br />
Alles in allem eine gesunde Mischung, auch wenn ihre Nase eine wenig groß und ihre Arme ein<br />
wenig dünn waren. Kurz: Inigo war entbrannt vor Leidenschaft. Nun war dies bei ihm nichts<br />
besonderes. Es verging kaum ein Tag, an dem er nicht eine neue Dame seines Herzens entdeckt.<br />
Logush hatte ihn immer damit aufgezogen. „Du bist hinter jedem Rock her!“, hatte er gesagt, gelacht<br />
und den Weinkrug neu gefüllt. Aber was sollte Inigo machen? Er fand eben an fast jeder Frau einen<br />
kleinen Splitter jener göttlichen Aura, die sie den Männern so unwiderstehlich machte, und wenn<br />
auch nur für kurze Zeit.<br />
Diese Dame hatte mehr als einen kleinen Splitter abbekommen und Inigo war fest dazu entschlossen<br />
sie zu der Seinen zu machen. Natürlich war sie keine Frau, die man in der ersten Stunde auf sein<br />
Lager bettete. Aber danach gelüstete es Inigo auch nicht, zumindest nicht sofort. Es war das<br />
Glücksgefühl, wenn nach langer Werbung, nach Stunden der Aufmerksamkeit ein zartes Wort, ein<br />
scheues Lächeln auch über ihre Lippen käme. Und wer wußte es schon genau? Vielleicht würde er mit<br />
ihr ein Glück von Dauer finden. So bis zum Ende des Talu, dann würde er sich in der Stadt nach einer<br />
Bleibe für den Winter umsehen. Diese junge Dame war augenscheinlich nicht aus dieser Stadt.<br />
Die Frau starrte ihn an und schien nicht gewillt zu sein, von sich aus das Gespräch weiterzutreiben.<br />
Also sprach Inigo erneut: „Oh, aber wie unhöflich von mir: Mein Name ist Inigo Bellodores.“ Er<br />
führte eine formvollendete Verbeugung durch, die Hand in weiter Geste schwingend. „Normalerweise<br />
stelle ich mir vor, bevor ich junge Damen aus der Not rette, aber die Umstände ließen es dieses mal<br />
nicht zu...“ Er legte sein entschuldigendes Lächeln auf.<br />
Die junge Multor antwortete: „Ich war in keiner Gefahr! Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen!“<br />
Aha, ein Trotzköpfchen. Naja, da würde man anders vorgehen müssen: „Das, liebe Frau, bestreitet ja<br />
auch niemand, ich als Allerletzter, aber ihr wollt doch einem armen, vom Gewissen geplagten Strolch<br />
nicht die Möglichkeit nehmen, sein Gewissen ein wenig zu erleichtern?“<br />
„Und dabei unschuldige Frauen auch ihres Geldbeutels?!“, kam es wie von der Sehne geschnellt<br />
zurück.<br />
Inigo zog eine Augenbraue hoch, ließ seinen Blick dann über das Kleid der Multor wandern, nicht<br />
ohne ihre schlanke Gestalt eingehend zu bewundern, und blickte ihr wieder in die meerfarbenen<br />
Augen: „Das, wenn ich von dem ausgefransten Lederbeutel an eurer Hüfte nicht fehlgeleitet werde,<br />
hat vor mir schon ein geübterer Dieb vollbracht! Aber ich will euch nicht weiter belästigen!“<br />
Sprach´s, und wandte sich um, mit federndem Schritt der Brücke zuzueilen.<br />
Er lauschte jedoch aufmerksam und hörte, was er gehofft hatte: Ein erschrecktes Aufkeuchen, ein<br />
unterdrückter Fluch, auf Petek, wie es schien, und dann Stille. Doch nicht lange: Schritte von weichen<br />
Damenstiefeln, das Rascheln der Röcke und Unterröcke (bei dieser Wärme...). Schließlich eine<br />
zaghafte Berührung an der Schulter: „Mein Geld ist weg!“