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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Stiefkinder des Schöpfung I: Die vier Jahreszeiten - Marc Rösel<br />

nächtlichen Überfalls aber war Yalno Feheli. Und wer immer es war, er hat sich geholt, was er<br />

wollte.“<br />

„Yalno? Der Schwachsinnige?“ fragte Radegast ohne jedes Taktgefühl.<br />

„Seht es euch selbst an.“<br />

Die Wohnungstür der Familie Feheli hing zerborsten und von Brandspuren gezeichnet in verbogenen<br />

Angeln, als wäre sie von einer unglaublichen Kraft nach innen gedrückt und zerschmettert worden.<br />

Der Raum dahinter war verwüstet, die Fenster zersplittert, im Dach klaffte ein breiter Riß, durch den<br />

man den blauen Morgenhimmel erkennen konnte. Die Möbel waren an die Wand gerückt, viele<br />

verbrannnt oder zerbrochen, überall lagen Holzsplitter, Bretter und Glasscherben verstreut auf den<br />

nackten Fußbodendielen, freigelegt durch die zurückgerollten Teppiche. Mehrere ineinander<br />

verschlungene Kreise und fünf- oder sechszackige Sterne sowie seltsame Muster, Symbole und<br />

Schriftzeichen, mit verschiedenfarbiger Kreide, Ruß und Blut gezeichnet, bedeckten den Boden, zu<br />

schwarzen Wachslachen zerflossene Kerzen markierten besondere Eckpunkte und Schnittstellen. Im<br />

Zentrum aller aufgemalten Symbolik lag ausgestreckt und mit verdrehtem Hals der Körper von Yalno,<br />

sein Rücken war eine einzige blutende Wunde. Absidian war an die gegenüberliegende Wand<br />

geheftet, aufgespießt von einem langen Eisennagel, der ihm durch die Stirn und den ganzen Kopf<br />

gedrungen und erst in der Wandvertäfelung steckengeblieben war. Sein Gesicht war blutverschmiert,<br />

und seine gebrochenen Augen starrten anklagend ins Leere. Er war ebenso tot wie sein Sohn. Von<br />

Xelesia Feheli fehlte jede Spur.<br />

„Hesvite sei uns gnädig!“ Mistress Yatzikenia war einer Ohnmacht nahe.<br />

Die Dämonin lachte nur verächtlich. „Hesvite könnte hier auch nicht viel ausrichten. Hier geht es um<br />

größere Kräfte als diesen kleinen Vorstadtgott.“<br />

Mir fiel auf, daß Radegast zwar kaum ein Wort sagte, schweigsam wie stets, aber als einzigem schien<br />

ihm die Szene kein Unbehagen zu bereiten, sondern vielmehr seine Fantasie anzuregen. Ich hatte den<br />

unangenehmen Eindruck, als würde er sogar genießen, was er hier sah. Auch wenn ich mir Mutters<br />

Worte in Erinnerung rief, konnten sie mein Mi0trauen gegen Kirlian Radegast doch nicht ganz zum<br />

Erlöschen bringen. Was, wenn Mutter sich getäuscht hatte?<br />

„Absidian und Xelesia... haben sie eine Dämonenbeschwörung durchgeführt?“ vermutete Dimitri.<br />

„Und dabei ihren eigenen Sohn geopfert?“ Yssa tätschelte ihm die Wange wie einem kleinen Jungen,<br />

der gerade etwas sehr dummes gesagt hatte. „Wenn Absidian Feheli von einem Dämonen getötet<br />

worden wäre, den er herbeigerufen hat und nicht zu bändigen wußte, dann lägen seine Eingeweide<br />

und abgerissenen Gliedmaßen jetzt verstreut in dem ganzen Raum. Kinder des Inferno reißen ihre<br />

Opfer in Stücke und laben sich an ihrem Blut, sie nageln sie nicht einfach an die Wand und gehen<br />

wieder. Außerdem kommen sie auch nicht durch die Tür und laufen vorher die Treppe hoch!“<br />

Auch wenn es mir widerstrebte, dieses Geschöpf persönlich anzusprechen, war mir doch bewußt, daß<br />

sie von uns allen am ehesten eine Antwort auf das geben konnte, was hier geschehen war. „Ich bin<br />

sicher, Ihr habt eine stimmigere Erklärung, Mistress Yssa Caerdonthiel.“<br />

Die Sukkubus wandte sich mir direkt zu und grínste mich dreist an, wobei sie mir so nahe kam, daß<br />

ihr Busen fast den meinen berührte. Natürlich zuckte ich zurück, und das Grinsen in ihrem<br />

diabolischen Gesicht wurde noch breiter.<br />

„Ahhh,“ säuselte sie langgezogen. „Die junge Lady für die Moral wendet sich an die Hure und fragt<br />

sie um Rat. Ob das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein könnte?“<br />

Mir wurde fast schlecht, als sie sich blitzschnell vorbeugte und mir einen ekelerregend feuchten Kuß<br />

auf die Lippen drückte. Ihre Brüste rieben gegen meine. Angewidert stieß ich sie von mir. Lachend<br />

warf Yssa ihr langes brandrotes Haar zurück, dann streckte sie ihren kleinen Fuß aus und streichelte<br />

damit über den meinen. Ihr goldenes Fußkettchen klimperte leise. Ein seltsames Prickeln stieg mein<br />

Bein hoch bis hin zu einer sehr intimen Stelle, von dort ausgehend, wo ihre warme, weiche Sohle und<br />

ihre winzigen Zehen meine nackte Haut berührt hatten. Dieses dämonische Biest spielte mit mir,<br />

vielleicht wollte es mich auch in seinen lästerlichen Bann ziehen! Ich krümmte mich leicht zusammen,<br />

als das Kribbeln meine Körpermitte erreichte.<br />

Yssa Caerdonthiel lachte noch immer. Ich war kurz davor, meine Klinge, die ich weiterhin entblößt in<br />

der Rechten trug, in ihren wie aufgeblähten Leib zu stoßen (wie konnten Männer solche Üppigkeit als<br />

anziehend empfimden?) und stellte mir vor, daß sie wahrscheinlich zerplatzen würde wie ein<br />

augeblasener Ballon. Statt dessen tupfte ich mir nur mit einem Spitzentaschentuch die besudelten<br />

Lippen ab, schob ein widerspenstige Haarsträhne, die mir wieder und wieder ins Gesicht fiel, beiseite<br />

und erprobte meinen Blick an ihr, dem sie bisher noch nie hatte standhalten können. Es gibt für alles

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