Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Ein Eimer Bier und andere Verrücktheiten - Dietmar Cremers<br />
einen massiven Drang nach Freiheit haben. Selbst wenn wir ihn in einen Käfig sperren und ihm<br />
täglich eine Portion Hesvitegras verabreichen: Du bräuchtest zwei Ochsen um den Käfig zu ziehen,<br />
weiterhin zwei Personen zu seiner Bewachung. Soll ich etwa meinen beiden besten Handlangern ein<br />
halbes Jahr bezahlten Urlaub geben für eine Reise ins Nordreich und zurück? Nein, Bröbbel, schlag’<br />
dir das aus dem Kopf. Dazu ist der Kerl einfach zu billig. Und außerdem ... laß´ uns doch einmal<br />
abwarten. Wenn er wirklich ein Nuu-Giik ist, dann wird er bald Leben in unsere Stadt bringen. Er<br />
wird schon durch sein Aussehen die eitlen Patrizier provozieren. Aber das beste von allem: Er wird<br />
bald töten müssen, denn dieses Volk braucht Blut zum Überleben. Bei Selefra, in dieser Hinsicht<br />
fühle ich mich ihm nahezu verwandt.“ Artin Rebur lächelte in sich hinein, während Bröbbel einen<br />
enttäuschten Schmollmund zog. „Dennoch, Meister, wenn ich einen Vorschlag machen darf: Ihr<br />
solltet ein Auge auf ihn haben. Ich habe gehört, wie er sich bei Elmar Einarm nach Corwin Dery<br />
erkundigt hat. Ich verwette eine meiner drei Zehen, daß er nach irgend etwas sucht, was<br />
möglicherweise wertvoller sein könnte als er selbst.“ Rebur warf einen kurzen Blick auf Bröbbel’s<br />
verstümmelten Fuß, an dem zwei frische Stümpfe bewiesen, daß der Kopfgeldjäger solche<br />
dahingesagten Sätze sehr, sehr ernst nahm. „Dery also, hm? Nun, wenn ein Pelzkopf von den<br />
Steinhöhen herabsteigt, so wird das seinen Grund haben. Du wirst ihn beschatten.“ Bröbbel, dem der<br />
Blick seines Herren auf seinen Fuß nicht entgangen war, wandte sich eingeschüchtert zur schwarzen<br />
Tür. - „Bröbbel? Sei dir nicht zu sicher. Nuu-Giik haben eventuell Fähigkeiten, die wir nicht kennen.<br />
Halte Abstand von ihm, verstanden?“<br />
Bröbbel verzerrte die wulstigen Lippen zu einer spöttischen Grimasse und machte eine wegwerfende<br />
Handbewegung. Die Tür fiel ins Schloß.<br />
Geräusche.<br />
Dunkelheit.<br />
Den entschied sich dafür, daß er unmöglich wach sein konnte. Er beschloß diesen unangemeldeten<br />
Traum wenigstens mit Spannung zu verfolgen, wenn er schon einmal da war. Was geschah jetzt? Oh,<br />
irgend etwas polterte da. Den Schmerzen zufolge mußte das sein Kopf sein, der über irgendeine<br />
Treppe aufwärts geschleift wurde. Konnte man im Traum Schmerz empfinden? Und da zerrte doch<br />
etwas an seinen Beinen? Bei allen Göttern: Das Denken fiel ihm so schwer, daß er wirklich träumen<br />
mußte! Hm, ‘mal sehen, also wenn da meine Beine sind und hier mein Kopf ... Dann muß hier<br />
irgendwo mein Arm sein... Er versuchte, seine Finger zu finden. Da, eine Berührung! Etwas Nasses<br />
zog an seiner Hand vorbei. Oder zog seine Hand vielmehr selbst hindurch? Nun, er könnte ja<br />
spaßeshalber ausprobieren, ob sie sich bewegen ließ ... Nein. Keine Hoffnung. Seine Muskeln<br />
schienen zwar zu gehorchen, aber sein Unterarm schien an seinen Körper geklemmt zu sein. Leichte<br />
Panik färbte Den’s vernebelten Geist zartrosa. Fesseln? Bin ich etwa gefesselt? Ist es das, was ich<br />
denken sollte? Aber ich bewege mich doch, wie kann ich dann...<br />
Andere Geräusche, sie klangen nach Stimmen. „Bringt ihn hier ‘rüber.“ - „Bei Petek, ist der schwer.“<br />
- „Und schau’ dir diese Zotteln an.“ - „Wenn ich das vorher gewußt hätte, hätt’ ich ‘ne Sonne mehr<br />
verlangt.“ - „Und ich hätt’ dem Schnösel gesagt, er soll ihn doch selbst wegschaffen.“ - „Hä, hä,<br />
konnt’ ja nich’ in seinem Rollstuhl.“ Den’s letze Gedanken waren: „Die Trapper! Sie haben mein<br />
Volk so lange gejagt. Jetzt haben sie mich gekriegt. Mich! Oh, Ihr Geister...“<br />
Den schreckte aus einem Alptraum hoch. Er war wie üblich nach dem Mittagessen eingenickt. Das lag<br />
an dem Rauschmittel, das seine Wärter in die dünne Wassersuppe mischten. Er hatte es schon<br />
gerochen, als ihm der Teller das erste Mal durch eine Luke in der stabilen Tür zugeschoben wurde.<br />
Drei Tage lang hatte er deshalb die Nahrung verweigert, hatte in dem kleinen Raum herumgetobt, sich<br />
die Fingernägel an den Mauern blutig gekratzt und wieder und wieder an den Gitterstäben des<br />
schmalen Fensters gerüttelt. Schließlich war er so ausgezehrt, daß er aufgab. Jetzt aß er seine<br />
täglichen Mahlzeiten mit der Resignation eines Todgeweihten, was jedoch eine ständige Ermattung<br />
zur Folge hatte. Seine Aufpasser hatten inzwischen jeglichen Respekt vor ihm verloren: Sie kamen<br />
hin und wieder zu ihm, begrapschten seinen Bart, machten Witze über tote Bären oder nannten ihn ein<br />
„braves Tier“. Sogar die Zellentür ließen sie offenstehen. Dies bedeutete für Den nur eine weitere<br />
Demütigung, denn er war zu schwach um mehr als fünf Schritte zu tun und zu willenlos um sich für<br />
einen Ausweg zu interessieren. Den Aloumenn-Vioù war gebrochen. Hier würde er sterben. Und<br />
alles, was er hoffte war, daß es schnell gehen würde und er bis dahin seine Ruhe hätte. Ja, die Trapper<br />
hatten ihn wirklich gekriegt! Doch hier, in diesem fremden Land, waren sie anders als zuhause. Sie