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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Schattenfuchs und Schleiertanz - Christel Scheja<br />

Kopf verdrehst, weil das nur Unfrieden in der Gruppe bringt. Und um ehrlich zu sein - sie um ihre<br />

Wahl unter den Männern!“<br />

„Vergiß eines nicht, ich stelle einen Jüngling dar, und das will ich bleiben! Eben ein Hochseiltänzer,<br />

Sänger und Akrobat, auch wenn ... Mutter ... „, er spie das Wort mit einem haßerfüllten Unterton aus,<br />

„immer wieder meinte, daß ich meine wahren Gaben vergeuden würde! Vergiß, was du damals am<br />

Fluß gesehen hast, ja?“<br />

„Oh Kindlein ...“, seufzte der Sänger verlegen. „Wie soll ich das, können? Überhaupt - du wirst es in<br />

einer Gemeinschaft nicht lange verbergen können.“<br />

„Ich bin kein Kindlein mehr! Und das zweite laß meine Sorge sein!“ fauchte der Jüngling erbost. „Du<br />

wirst mich nicht noch länger so nennen, sonst ...“<br />

„Es stimmt, du bist seit du das Haus deiner Mutter verlassen hat, erwachsen geworden, und dazu noch<br />

eine schöne Maid. Ich kann es nicht glauben, aber es stimmt, was die alte Meka einst prophezeite:<br />

Begabt, und schön wie Cherindrasta, die Herrin der Schleier, aber spitzzüngig und frech wie ein<br />

Schlänglein Selefras ...“<br />

„... und wie ein Füchslein so geschwind und klug! Vergiß das nicht. Also, nimm mich mit!“ drängelte<br />

der Jüngling.<br />

„Die Götter beschützen und behüten mich!“ Der Barde nickte ergeben, machte aber ein verzweifeltes<br />

Gesicht, weil ihm die Forderung nicht behagte.<br />

Dann schien ihm etwas einzufallen: „Meinetwegen, Füchslein, aber du mußt vorher noch etwas<br />

wissen: Die Seherin Ailanth lebt hier - hier in <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>, und Selefra mag mich in den Spalt<br />

stürzen, wenn ich lüge! Ich habe sie vorgestern gesehen, als sie über den Markt wanderte! Und ich<br />

habe sie sofort erkannt. Schließlich habe ich ein Jahr unter eurem Dach gelebt!“ Er zog die<br />

Augenbraue hoch, als er die Überraschung seines Gegenübers bemerkte. „Oh, so ist das. Ich verstehe<br />

nicht, wie du das nicht bemerken konntest! Oder sie. Ihr haßt euch doch aufs Blut und eigentlich hätte<br />

eine die andere zer...“<br />

„Ich begreife das auch nicht!“ grübelte der Jüngling, der eigentlich ein Mädchen war und starrte den<br />

Barden an mit geweiteten Augen an. „Ich habe mehr als ein Jahr hier zugebracht, und kenne das<br />

Rattenloch so gut wie meine Taschen, aber sie muß mir entgangen sein. Vielleicht weil ich die<br />

Nachtstunden zum Herumstreifen bevorzuge, während sie sich dann auf ihr Dach verkriecht ...“ Sie<br />

legte eine Hand auf seine Schulter und verkrallte sich in dem Hemd. „Wo ist dieses elende Weib, das<br />

geschworen hat, grausame Rache an mir zu nehmen?“ fragte sie mit kalter Stimme, als erwarte sie<br />

eine Antwort.<br />

Der Mann schluckte. „Du weißt, deine Mutter hüllt sich in die Nebel Cherindrastas. Niemand erinnert<br />

sich an sie, wenn sie es nicht will. Wie ich erfahren habe, als ich neugierig herumfragte, lebt Ailanth<br />

als Wahrsagerin und Mechanica in einem Hause nahe des Hesvite-Tempels, so als erhoffe sie sich<br />

durch des Gottes Nähe Visionen und Träume, die.... Nun ja, ich wollte sie besuchen, aber eine Frau<br />

mit einer Maske ließ mich nicht ein ...“<br />

Weiter kam er nicht. Das Mädchen sprang auf und verschwand im Schatten der Häuser, als sie sich<br />

von einem Soldaten erspäht fühlte, einem hochgewachsenenen dunkelhaarigen Mann.<br />

���<br />

„Ich werde euch benachrichtigen, wenn die Sterne mir ihre Rätsel enthüllt haben.“ Die Stimme der<br />

hochgewachsenen Frau klang kalt und tonlos, als sie ihren Besucher verabschiedete, der hastig die<br />

Kapuze seines Umhanges über den Kopf streifte und an der Sonnenuhr vorbei zum Gartentor eilte,<br />

das eine Magd offenhielt. Sie blickte ihm einen Augenblick nach, dann drehte sie sich um und<br />

betrachtete eine der Wandmalereien. Ihre Augen glitzerten, als sie die Figur des Schlangenskorpions<br />

kurz musterte und dann durch eine der hinteren Türen verschwand.<br />

Sie begab sich in einen Raum im zweiten Stock des Hauses und wirkte wie die Statue einer Göttin, als<br />

sie reglos vor dem Fenster verharrte und über die niedrigen, breitkronigen Bäume ihres Gartens<br />

hinaus auf die Straße blickte, auf der eine Menschenmenge ihren Weg durch die enge Gasse suchte.<br />

Verdeckt wurde eine weitere Aussicht durch das dunkle zweistöckige Gebäude mit den purpurn im<br />

Sonnenlicht schimmernden Fenstern.<br />

Blaugrüne Augen suchten bekannte Gesichter unter den Passanten, und sie lächelte, als sie dann und<br />

wann einen ihrer Kunden entdeckte, aber als es ihr zu müßig wurde, kehrte sie an den Tisch zurück,<br />

auf dem eng beschriebene Pergamentblätter mit komplizierten Berechnungen lagen. Einen Moment

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