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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Keriams Schatten - Kai-Florian Richter<br />

Pfeifend öffnete Chatsar die Haustür und betrat den schmalen Flur. Dort stellte er seine Stiefel ab und<br />

ging, immer noch pfeifend, durch den Vorhang hindurch in die Wohndiele, in der seine Eltern aßen<br />

und die meiste Zeit saßen, wenn sie nicht gerade woanders etwas zu tun hatten. So saß auch jetzt<br />

Yrtse hier und bestickte eine Decke. Doch sobald Chatsar durch den Vorhang kam, sprang sie auf und<br />

schaute ihn ungläubig an.<br />

„Hallo, Mutter.“ Chatsar trat auf sie zu und umarmte sie. Dann gab er ihr einen Kuß auf die Stirn und<br />

ließ sie wieder los. „Wie geht es Dir?“<br />

„Sehr gut. Und Du, wie geht es Dir? Ist irgend etwas passiert?<br />

Warum bist Du so fröhlich?“<br />

„Ich freue mich, zu Hause zu sein. Sollte ich denn nicht fröhlich sein?“<br />

„Doch, natürlich. Aber so warst Du schon lange nicht mehr. Irgendwas muß doch passiert sein.“<br />

„Oh, ich bin passiert. Ich habe eine Entscheidung getroffen. Ist Jaga da?“<br />

„Sie ist oben mit der Kleinen.“ Yrtse blickte verwirrt und mit Tränen in den Augen Chatsar hinterher,<br />

der die Treppe zur Wohnung hinauflief.<br />

���<br />

Chatsar öffnete leise die Tür zur Wohnung und schlich weiter. Jaga war mit Freya im Schlafzimmer<br />

und wechselte die Windeln, dabei redete sie mit ihr.<br />

„Dein Vater kommt gleich nach Hause, mein Schatz, dann könnt ihr gemeinsam spielen, während ich<br />

das Essen mache. Ja, da freust Du Dich, nicht war, Liebling...“<br />

„Heh, wer...“ Chatsar war hinter sie getreten und hielt ihr nun mit einer Hand die Augen zu, während<br />

er mit der anderen Freya bedeutete, leise zu sein.<br />

„Chatsar, was ist los mit Dir, was soll das?“<br />

„Guten Abend, mein Schatz.“ Er nahm die Hand von ihren Augen, drehte sie zu sich und gab ihr einen<br />

langen Kuß auf den Mund. Dann nahm er Freya und gab auch ihr einen Kuß auf die Stirn.<br />

„Hallo, meine Kleine, wie geht es Dir?“<br />

„Chatsar, was ist los?“<br />

„Wieso, was sollte los sein?“<br />

„Du bist so fröhlich. Was ist passiert? Hast Du Drogen genommen?“<br />

„Was? Nein, natürlich nicht. Keriam ist los. Er rennt durch die Stadt und behauptet, ich würde ihn<br />

bedrohen.“<br />

„Wie bitte?“<br />

„Keriam war heute in der Kaserne und hat mir erzählt, ich würde ihn bedrohen. Nachts in sein Haus<br />

einbrechen oder so etwas.“<br />

„Das ist doch Blödsinn!“<br />

„Natürlich ist es das. Aber irgendjemand tut sowas, denn wir haben die Wachen im Gebiet um sein<br />

Haus verstärkt. Und heute nacht werde ich herausfinden, wer es tut.“<br />

„Chatsar, bitte laß das! Das ist zu gefährlich.“<br />

„Ach was, das wird schon klappen. Schließlich kenne ich ja die Gegend, außerdem muß ich es einfach<br />

wissen. Ich muß wissen, wer mir da meinen Herzenswunsch erfüllt!“<br />

-8-<br />

Es waren keine Söldner zu sehen. Sollte Keriam sie etwa entlassen haben? Damit war keinesfalls zu<br />

rechnen gewesen, aber der Gestalt sollte es recht sein. So blieb also nur noch die Stadtwache, doch<br />

die betrat Keriams Grundstück nicht, so daß dies lediglich eine geringe Schwierigkeit darstellte.<br />

Gerade hatte eine Patrouille den Baum passiert, ohne sie zu bemerken.<br />

Vorsichtig kletterte die Gestalt den Stamm entlang bis zur Mauer, ließ sich darauf herunter und sprang<br />

dann auf die Straße. In wenigen Augenblicken war sie auf der anderen Seite, mit zwei Handgriffen<br />

auf der Mauer und ebenso schnell wieder herunter. Keriams Grundstück war dunkel, es waren weder<br />

Wächter zu hören noch zu sehen. Dennoch rannte sie ebenso vorsichtig wie in den Nächten zuvor auf<br />

das Haus zu, sich immer umblickend und lauschend. Doch es war absolut still im Garten und keine<br />

Menschenseele unterwegs.<br />

Am Haus angekommen, verschnaufte die Gestalt einen Augenblick, dann holte sie unter dem Umhang<br />

einen Beutel hervor. Mit dem Beutel in der Hand ging sie langsam um das Haus herum, wobei sie es<br />

prüfend betrachtete. Schließlich schien sie die geeignete Stelle gefunden zu haben, sie öffnete den

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