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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Spiel - Thomas Peter Goergen<br />

Übrigens näherte sich schon der nächste Kunde (wird noch richtig aufregend, die Nacht, dachte er<br />

mürrisch), ein leicht abgehetzt wirkender junger Mann, schweratmend, den Schein schon von weitem<br />

gut sichtbar vor sich hin gereckt; der Matjek knurrte nur noch etwas, was der Junge zutreffend als<br />

Aufforderung den Wegeschein herzuzeigen, verstand. Er vertiefte sich in den Anblick des<br />

Schriftstücks, um so sorgsamer, als er die Eile des anderen spürte: immer langsam, junger Mann. Nur<br />

nicht hudeln...<br />

Die schmale Hand schwebte einen Augenblick lang über dem Stein, die Finger in leichter, nachdenklicher<br />

Bewegung. Dann ergriff sie eine Figur und schob sie über die Fläche, auf die einzelne<br />

Gestalt fast in der Mitte des Feldes zu.<br />

„Aufhalten, Matjek, aufhalten!“<br />

Der Posten sah überrascht von dem Papiere auf. Zwei Männer von der Garde bogen soeben um die<br />

Ecke an der Straßenkreuzung, ebenfalls abgehetzt und mit gezogenen Schwertern.<br />

Sein Blick traf den des jungen Mannes, dessen geweitete Augen, dann fühlte er schon einen Stoß und<br />

in einem verwischten Eindruck - er taumelte und fing sich noch - sah er den Jungen an sich<br />

vorbeirennen, durch den Torbogen und auf die Brücke zu...<br />

„Matjek...!!“ brüllte einer der Soldaten, als sie den Posten überholten, und das anschließende<br />

Schimpfwort ging in Wind und Schneeregen unter; immerhin hatte der Mann noch genug Geistesgegenwart,<br />

zum Wachhorn zu stürzen, mit ganzer Kraft hinein zu stoßen, daß die andere Seite der<br />

Brücke vorbereitet sei. Tatsächlich antwortete, dumpf und fern, das Horn der Gegenseite.<br />

Der Junge wetzte derweil schon über die Brücke.<br />

„Stehenbleiben, sofort stehenbleiben“, brüllten die Verfolger, verlangsamten aber zugleich, um<br />

wieder zu Atem zu kommen, schließlich war davon auszugehen, daß auch die Südseite der Brücke<br />

jetzt einige Männer herüberschicken würde - der Kerl saß in der Falle!<br />

Der Junge sah sich gehetzt um. Der Wind sauste hier, auf halbem Wege der Brücke, noch frei, nicht<br />

gefangen in Mauern oder Häuserwänden, und heulte den Schnee in sein Gesicht. Er kämpfte mit sich,<br />

wog das Für und Wider ab, wurde langsamer, rannte wieder einige Sprung, unschlüssig und mit<br />

klammen Herzen: dann sah er den gebeugten Mann, vielleicht eine Viertel Pfeilweite vor sich, der im<br />

Windschutz der Brüstung eilig vorwärtsstrebte, und er faßte einen kühnen Entschluß, zog seinen<br />

Dolch und stürzte auf die dunkel gekleidete Gestalt zu.<br />

„Hölle, eine Geisel, der Powlik will eine Geisel...“ Der eine Soldat sprintete mit einem Fluche wieder<br />

los, sein Freund überschaute das ganze etwas später, um dann dem ersten stolpernd und ausgleitend zu<br />

folgen.<br />

Der Junge erreichte den Vordermann, mit einem Satz warf er sich auf ihn - aber der andere wich aus,<br />

mit einer Leichtigkeit wie ein kasralitischer Ochsenkämpfer, und auch noch ohne einen einzigen Blick<br />

nach hinten geworfen zu haben. Der Angreifer suchte sich zu fangen, geriet aber ungeschickt in eine<br />

Bahn halbgefrorenen Schnees - der Boden wurde seinen Füßen lang und glatt, bis zur Brüstung der<br />

Brücke, ein harter Aufprall und entsetzt spürte er das morsche Gestein aus den Fugen geraten. Die<br />

ersten Brocken prasselten in die Tiefe - verzweifelt ruderte er mit den Armen...<br />

Mit einem Schrei verschwand er in der Finsternis.<br />

Die Figur des Läufers löste sich auf.<br />

Eine unheimliche Verwünschung kam von unsichtbaren Lippen.<br />

Die Soldaten langten inzwischen hustend, keuchend bei der Unglücksstelle an. Vorsichtig lugten<br />

beide über den Rand der Brüstung: „Verflucht, das wär´s dann“, meinte der eine, während der andere<br />

mißtrauisch mit der Hand über die splittrigen Kanten des Durchbruchs fuhr. Eigentlich wirkte die<br />

Mauer gar nicht baufällig oder einsturzgefährdet; nur an dieser Stelle war es, als hätten Würmer<br />

gezielt sich durch den Kalk, den Putz, die Ziegel gefressen und nur hohles Löcherwerk<br />

zurückgelassen...<br />

„He, wartet, Augenblick, Herr...“ Der Fremde hatte sich schon einige Sprung weit entfernt, erst der<br />

Ruf des Soldaten ließ ihn innehalten. Nun wandte er sich ruhig um und erwartete die beiden<br />

Bewaffneten, die sich mit großen Schritten auf ihn zu bewegten.<br />

„Nun?“ fragte der Totengräber

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