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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Schattenspiele - Claudia Wamers<br />

Dann verabschiedete er sich von den Einsiedlern und machte sich, ohne einen Blick zurück zu werfen,<br />

auf den Weg nach <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>.<br />

Gegen Mittag machte er an einem Bachlauf Rast. Er war nun schon um einiges zu spät dran, da<br />

machte diese Stunde auch nichts mehr aus.<br />

Er vergewisserte sich daß keine anderen Reisenden in der Nähe waren und nahm das lange Bündel<br />

vom Sattel seines Pferdes hinunter, wo er es in der Decke eingerollt befestigt hatte.<br />

Er setzte sich, nahm das Bündel auf seine Knie und begann, den Stoff darum zu lösen. Er konnte<br />

schnell fühlen, daß sich darunter ein geschnitzter Stab befinden mußte.<br />

Als die letzte Stoffalte entfernt war lag auf seinen Knien ein kunstvoll gearbeiteter Stab aus<br />

Elfenbein, wohl etwas über drei Tritt lang, der über und über mit allerkunstvollsten Tierfiguren<br />

übersät war. Vom Fuß des Stabes sah er Schlangen sich empor winden, die Körper der schuppigen<br />

Schlangen verschwanden zwischen denen von Fischen, Raubkatzen und Wölfen, galoppierenden<br />

Pferden und Stieren. Bären erkannte er auch, und viele Tiere, deren Namen er nicht kannte. Selbst<br />

Drachen waren zu erkennen, so glaubte er, an der Spitze des Stabes - noch über einer Gruppe von<br />

Greifen und Adlern. Jede Einzelheit der Tiere war ausgearbeitet, Fell, Hufe, Krallen, Federn. Ganz<br />

oben an der Spitze des Stabes befand sich ein Kristall, der im hellen Licht der Mittagssonne funkelte,<br />

als sei er ein Stück derselben. Schnell hatte Bercan wieder das Tuch darüber geworfen. Der<br />

Lichtschein mußte weit, sehr weit zu sehen sein, selbst am hellichten Tag.<br />

Was hatte er hier in der Hand? Es war natürlich der Stab, den Shirinn gemeint hatte. Und was war das<br />

für ein Stab? Wohl der Stab eines Magiers, das würde auch das leichte Vibrieren erklären, das Bercan<br />

seit entfernen des Tuches durch seine Finger aufnehmen konnte. Wie sollte nun so ein Stab ein Dorf<br />

retten? Es gehörte doch immer noch der entsprechende Magier zu solch einem Stab! Bring den Stab<br />

Großmutter, daß hatte Shirinn gesagt.<br />

'Shirinn - Du hättest mehr verraten müssen!', dachte Bercan.<br />

Er wickelte den Stab wieder ein und machte sich, nun ohne größere Unterbrechungen, zurück auf den<br />

Weg nach <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>.<br />

���<br />

Gegen Abend lag die Stadt vor ihm, <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>. Wen hatte Shirinn in dieser Stadt aufsuchen<br />

wollen? Er zerbrach sich schon geraume Zeit den Kopf darüber, ob er nicht irgend etwas überhört<br />

haben konnte, als Shirinn am Vortage endlich zu erzählen begonnen hatte - vergebens.<br />

Er durchritt zügig das Nordtor und die gepflasterte Straße bis zum Haus des Fuhrunternehmens<br />

Tibrand. Er ließ den Burschen Jolver sein Pferd versorgen und brachte sein Bündel - und das<br />

besondere Bündel - auf sein Zimmer, ohne daß er von jemandem aufgehalten worden wäre. Dann erst<br />

nahm er die Dokumente, die er transportiert hatte, und begab sich in das Kontor seines Vaters. Von<br />

diesem, Mirtan Tibrand, wurde er schon längst erwartet.<br />

Nachdem er seine Unterlagen abgegeben und seinen Reisebericht vorgetragen hatte, begab er sich zu<br />

einem kurzen Nachtmahl in die Küche und danach sofort wieder auf seine Kammer. Im Nachhinein<br />

wunderte sich Bercan doch sehr darüber, daß er seine verspätete Ankunft nur durch den Regen erklärt<br />

hatte. Den Zwischenfall mit den Wölfen und der jungen Frau hatte er seinem Vater vollständig<br />

verschwiegen!<br />

Bercan lief in seiner Kammer auf und ab wie ein Tier im Käfig. Wieso beschäftigte ihn die Sache<br />

eigentlich noch so?<br />

Er war den jagenden Schatten doch sicher entkommen, die Frau würde wohl nicht mehr aufwachen,<br />

Stab und Stein wären eine hübsche Erinnerung und das Dorf? Ja, das Dorf...<br />

Shirinn war wohl am besten aufgehoben, wo sie jetzt war. Und wie sollte er auch diese Großmutter<br />

finden, in einer Stadt wie <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>. Gesetzt den Fall sie gab es wirklich, so wäre sie<br />

wahrscheinlich im Rattenloch zu finden - wenn sie jemals zu finden war.<br />

Er konnte immerhin einfach zu diesem Dorf reiten, so weit weg war es gar nicht, es war an einem Tag<br />

zu erreichen. Und wenn er dort war? Nun, dann ging er einfach zu diesem Dorgen Achadin hin und<br />

verbat ihm, arglose Dörfler zu Ungeheuern zu verarbeiten. Der Mann würde ihm wahrscheinlich<br />

etwas anderes erzählen - wahrscheinlich würde er sich mit Erzählen nicht aufhalten. Die Verfolger der<br />

letzten Nacht waren zu real gewesen - Achadin, wenn er wirklich der Schöpfer dieser Wesen war, war<br />

ein gefährlicher Irrer und irre gefährlich. Allein wäre das sowieso nicht zu machen.

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