Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Schattenspiele - Claudia Wamers<br />
Jetzt hielt er Ausschau nach einer Deckung, nach etwas von wo aus er die Kreaturen angreifen konnte,<br />
von wo aus er sich verteidigen konnte. Wahrlich, der Wald war nicht seine Heimat, wie sehr wünschte<br />
er sich im Augenblick in die Straßen von <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong> - und wenn es nur die schmutzigen Gassen der<br />
Unterstadt wären...<br />
Er wußte von einigen Einsiedlern die hier in der Nähe leben sollten. Fromme und vor allem<br />
friedliebende Menschen sollten es sein, die allerdings ihr Leben hinter festen Mauern fristeten.<br />
Hoffentlich hatte er den Weg noch richtig im Gedächtnis, hoffentlich öffneten sie ihnen, hoffentlich<br />
waren sie schnell genug dort, hoffentlich...<br />
Plötzlich sirrte etwas an ihm vorbei, genau sehen konnte er nicht was es war. Noch einmal sirrte es,<br />
metallisch funkelte es kurz auf, als der letzte Sonnenstrahl die Spitze des Armbrustbolzens traf, der<br />
mit einem satten Krachen knapp neben ihm in einem Baumstamm einschlug.<br />
Kaum glaubte er, daß sein Pferd noch schneller werden konnte - doch es ging. Er war so sehr darauf<br />
konzentriert den Weg im Dunkel nicht zu verlieren, daß er gar nicht mehr merkte, wie seine Verfolger<br />
verschwanden.<br />
Als er endlich einmal darauf achtete, war es sehr ruhig um ihn herum. Natürlich, man hörte die<br />
Geräusche der Nacht, aber man hörte keinerlei Geräusche, wie sie die Verfolger, so leise sie auch<br />
gewesen waren, verursacht hatten.<br />
„Shirinn, sind sie weg?“, rief er nach hinten. Er erhielt keine richtige Antwort, nur ein unwilliges<br />
Knurren. Sie hatte den Schrecken wohl noch nicht ganz verwunden oder suchte noch die Umgebung<br />
ab, jedenfalls war dieses Knurren die einzige Reaktion. Also ging es zuerst in zügigem Tempo weiter,<br />
bis er sicher sein konnte die Verfolger verloren zu haben. Oder hatten sie einfach von ihnen<br />
abgelassen, wer wollte das sagen?<br />
Jetzt ließ er sein Pferd langsamer gehen. Es atmete schwer und Schweiß Flocke herab. Hoffentlich<br />
würde sich das treue Tier wieder aufrappeln.<br />
Jetzt spürte er, wie sich seine Begleiterin zu regen begann. Er hörte nur ein leises Stöhnen, dann,<br />
bevor er fragen oder nachsehen konnte, was denn geschehen sei, glitt Shirinn vom Pferderücken herab<br />
und stürzte auf den nächtlichen Weg.<br />
„Shirinn!“<br />
Sofort stand das Pferd und Bercan Tibrand sprang aus dem Sattel. Es war dunkel, viel Licht spendeten<br />
die Monde hier nicht, und so entdeckte er erst auf den zweiten Blick, daß nicht die Übermüdung die<br />
Frau aus dem Sattel hatte stürzen lassen.<br />
In ihrer linken Schulter stak ein Armbrustbolzen. Schwarz und tückisch schimmerte er in der<br />
Dunkelheit, kaum war Blut aus dieser Wunde ausgetreten, aber auch dieses sah schwarz aus, und, so<br />
schien es Tibrand, nicht nur weil es dunkel war. Er hob die Frau in eine sitzende Position. Schweiß<br />
stand in kleinen Perlen auf ihrer bleichen Stirn, die Lider flatterten und ihre Haut war kalt - eiskalt,<br />
wie der Tod.<br />
„Bei allen Göttern und Dämonen!“ Fassungslos starrte Bercan auf die Frau hinunter. Kein Wunder<br />
daß er nicht mehr verfolgt wurde, anscheinend hatten die jagenden Schatten ihre Aufgabe erfüllt, so<br />
wie es aussah würde Shirinn hier sterben.<br />
'Aber nicht, wenn ich noch etwas daran ändern kann. So weit ist es noch nicht, noch nicht!'<br />
Er hob die Frau sanft in den Sattel, zog sich dann auch hinauf und brachte sie in eine sicherere<br />
Position, dann ritt er vorsichtig los. Während des Rittes begann Shirinn zu fiebern, sie warf sich<br />
unruhig in seinem Arm hin und her, daß er Mühe hatte weiter zu reiten. Auch murmelte sie die ganze<br />
Zeit vor sich hin, manchmal schienen es Namen zu sein, dann schien sie jemanden zu beschimpfen,<br />
dann wieder jemanden anzuflehen. Bercan wurde schon Angst und Bange daß er es vielleicht nicht<br />
rechtzeitig schaffen würde, als er ein Licht durch die Bäume schimmern sah.<br />
Bald schon erhob sich vor ihm eine steinerne Mauer, die Umfriedung der Einsiedelei, mit einer<br />
kleinen Laterne über einer Pforte.<br />
Hier würde er die Frau in sichere Obhut geben können. Wenn man ihr hier nicht helfen konnte, bis<br />
<strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>, vielleicht zu Sarjana oder einem anderen ausgebildeten Heiler, würde sie es nicht mehr<br />
schaffen.<br />
Er hielt sein Pferd an und rief schon aus dem Sattel heraus nach jemandem, der die Türe öffnen sollte.<br />
Dann, mit Shirinn in den Armen, trat er auch mit dem Stiefel mehrfach kräftig gegen die Pforte.<br />
Endlich, scheinbar nach unendlich langer Zeit, wurde eine kleine Klappe in der Tür geöffnet, und man<br />
sah ein von einer Laterne schwach erleuchtetes Gesicht hindurchblicken.<br />
„Was gibt es so spät, Fremder?“ hörte Bercan die Stimme eines wohl schon älteren Mannes.