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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Der Ruf des Falken - Claudia Wamers * Jürgen Nilkens * Oliver Nothers * Robert Symons<br />

„Naaaaaa, was will denn ein soo schönes Kind mit einem soo schönen Pferd in soo einem häßlichen<br />

Ort?“ Der Wärter betonte dabei daß „o“ in „soo“ und das „ä“ in „häßlich“ so, daß die junge Frau sich<br />

schon versucht fühlte zu fragen: „Und was will so ein süüüßes Bürschchen denn bei diesen harten<br />

Männern?“ Statt dessen antwortete Sie nur: „Freundschaftsbesuch.“<br />

„So so, Freundschaftsbesuch. Na, das macht dann nur drei Goldsonnen, weil ich heute meinen guten<br />

Tag habe und weil Ihr es seid.“ Sie wäre beinahe vom Pferd gefallen ob dieser Unverschämtheit.<br />

„Drei Goldsonnen? Werter Mann, vor sechs Jahren hättet Ihr keine acht Silbersonnen verlangt!“ „Nun<br />

ja, die Preise ändern sich halt, wie zum Beispiel just in diesem Moment: Vier Goldsonnen bitte!“ Das<br />

war zuviel für die junge Kämpferin. Ein Schenkeldruck, ein kurzer Ruf, und der Schimmel stieg auf<br />

die Hinterhufe und schlug mit den Vorderhufen dem Wachmann die Zähne aus. Seine Herrin zog das<br />

Schwert und preschte dann auf die Unterstadt zu. Ein Satz, dabei noch einer Wache das Schwert für<br />

eine schöne Narbe übers Gesicht gezogen, danach nichts wie in die Gassen des Rattenlochs! Da traute<br />

sich keine Wache hin, außer im Verband von 20 Mann aufwärts.<br />

Nach einer kurzen Flucht durch die Gassen hielt das Gespann aus Frau und Roß an und verschnaufte<br />

erst einmal. Verdammt, kaum zurück in diesem Kaff, und schon überkommen einen wieder die alten<br />

Gewohnheiten. Schon als Zwölfjährige hatte sie sich einen recht durchschlagenden Ruf verdient, als<br />

sich kein Junge (und auch kein Mädchen), der nicht mindestens vier Jahre älter und zwei Köpfe<br />

größer war, mehr traute, sich mit ihr auf eine Rauferei einzulassen - nur um sich von ihr binnen<br />

kürzester Zeit auf dem Boden festnageln zu lassen (Wobei sich für sie im Alter von 15/16 Jahren<br />

schon einmal das Problem ergab, daß sich wohl einige Jungen nur zu gern von ihr festnageln lassen<br />

wollten).<br />

Nun denn, jetzt, im Rattenloch angekommen, hieß es sich westwärts halten, dem Haus ihrer Zieheltern<br />

entgegen.<br />

���<br />

Sie wischte sich eine widerspenstige Strähne ihres langen, schwarzen Haares aus dem Gesicht, nur,<br />

damit ihr diese direkt wieder ins Gesicht fiel. Nun würde sie also wieder ihre Heimatstadt<br />

wiedersehen, mit all ihren liebenswerten Kleinigkeiten - ob sie wohl einige der Menschen, die ihr<br />

damals so viel bedeutet hatten, wiedertreffen würde? Sie stieg auf ihr Pferd, und richtete ihren Blick<br />

wieder auf <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>. Stieg dort vorne nicht Rauch auf? Und da waren auch einige Planwagen zu<br />

erkennen... sollten etwa - nein, es konnten nur Nushq´qai sein, die dort am südöstlichen Rand der<br />

Stadt lagerten, genau die Richtung, aus der sie kam. Sie lächelte. Was für eine angenehme<br />

Überraschung; sie mochte die Nushq´qai, hatte sie doch oft in ihren Jahren der Wanderschaft an ihren<br />

Lagerfeuern Platz nehmen dürfen, und dabei eine Menge Spaß gehabt. Sie versuchte, die<br />

widerspenstige Haarsträhne unter ihr leuchtend grünes Stirnband zu schieben, was allerdings<br />

ebenfalls mißlang. Egal, diese Strähne sollte wohl ihr Markenzeichen werden - und irgendwie, hatte<br />

sie das Gefühl, paßte das sogar zu ihr. Und außerdem konnte sie ihre Neugier auf das, was sich in der<br />

Stadt so getan hatte, kaum noch bändigen. Entschlossen, dem Abhilfe zu schaffen, beschleunigte sie<br />

das graue Temperamentsbündel, auf dem sie saß, in Richtung Stadt.<br />

Der Weg war schnell zurückgelegt; ihr Pferd hatte keine Probleme mit dem Gelände, und schon<br />

konnte sie aus der Ferne einige Pferde der Nushq´qai erkennen - kleine, schwarze Zotteltiere mit<br />

kuschelig weichem Fell, daran erinnerte sie sich noch gut. Sie hielt noch einmal an und blickte sich<br />

um. Schön war es hier, eine Wiese am Stadtrand, die von bunten Blumen übersät war. Bestimmt ein<br />

Dutzend Schmetterlinge flatterten hier herum - schöner hätte sie sich ihre Rückkehr kaum wünschen<br />

können. Sie atmete noch einmal tief durch, hier, wo die Luft noch angenehm sauber war - wenn sie<br />

erst mal die Südstadt von <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>, die ihren Beinamen „Rattenloch“ nicht zu Unrecht hatte,<br />

betreten hätte, wäre der Geruch bestimmt um einiges unangenehmer. Sie setzte ihr Pferd wieder in<br />

Bewegung, und ritt weiter auf die Stadt zu.<br />

'Eine interessante Erscheinung' hatte sich Sion gedacht, als die junge Frau die Lichtung betreten hatte.<br />

Ihre langen, offenen schwarzen Haare wehten im Wind, und ihre - wenn auch in harmonischer<br />

Farbabfolge - relativ bunte Kleidung bildete einen ziemlichen Kontrast zu dem grauen Pferd, das sie<br />

ritt. Ihr leuchtend grünes Stirnband, das farblich ihren Augen gleichkam, der feuerrote Umhang, und<br />

auch ihre Gewandung selbst, die Farbtöne von Purpur bis leuchtend Grün vereinte, hoben ihre

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