Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Erkenntnis - Thomas Peter Goergen<br />
„Prächtig“, meinte Chattar Kan wohlgefällig, und ließ sein Auge kennerhaft über den in Fesseln und<br />
Stricke geschnürten Riesen gleiten, wohl wahr, ein lohnender Anwärter für die Arena. Er seufzte ein<br />
wenig bei dem Gedanken an die verwöhnter Gemüter, deren Belustigung ihm oblag; indes, wem<br />
Selefra solches Wild vergönnt...<br />
Eine Weile musterte er unter halbgesenkten Lidern seinen Gefangenen. „Nun denn“, sprach er dann,<br />
mit jenem leichten Beben in der Stimme, das grausamen Menschen in Augenblicken der Zufriedenheit<br />
bisweilen zueigen ist, „das - Tier? Tier muß in den Käfig, dort wollen wir´s füttern und liebhaben“ -<br />
er war recht erfreut über seine launige Bosheit - „dann...“<br />
Er brach ab, denn der niedergezwungene Hüne gab einen kleinen, traurigen Laut von sich, ein<br />
Wimmern oder Heulen; Chattar nahte sich, und ein Tritt seines rotlackierten Stiefels traf sein Opfer in<br />
den Bauch. „Sollte ich etwa“, sagte der Kasralit mit hochgezogener Braue, „ein Weibsbild gefangen<br />
haben? Nun? Sprich? He?“ Und er trat erneut zu, diesmal, da der Unglückliche nach dem ersten<br />
Anschlag vorneübergesunken war, vor die breite Stirn. „Ich kann es nicht sagen, sind auch die Weiber<br />
Deiner Art so häßlich wie Du?“<br />
Sie hatten Den überrascht, mit Drähten und Fangstricken, und obwohl er in höchster Bedrängnis und<br />
Angst noch zwei von ihnen niedergerungen hatte, bezwangen sie ihn zu fünf, fesselten ihn, noch<br />
bevor er sich weiter wehren konnte, und nun war da dieser furchtbare blaue Mann, der ihn verspottete<br />
und sicher töten wollte... Armer Den. Er konnte nicht ahnen, daß sein Los viel grausamer sein sollte<br />
nach dem Willen des Leiters der Arena, daß er Teil einer kostspieligen Belustigung zu sein hatte, daß<br />
den Häschern, die sich seiner bemächtigt hatten, seine Abschlachtung bare Münze wert war.<br />
Was wollten alle die von ihm? Nie hatte er irgendwelche Händel gesucht oder Dinge getan, die<br />
verboten waren. Unschlüssig zerrte er an seinen Fesseln; aber da waren eiserne Schnüre, die ihm ins<br />
Fleisch schnitten, sogar durch den Pelz hindurch. Seine Aufgabe, seine Pflicht - sein Stamm vertraute<br />
ihm. Was, sollte er versagen? Sein Blut vergeudet im Irrtal dieser herzlosen, heißen Stadt... Tief in<br />
seiner mächtigen Brust grollte es.<br />
Chattar Kan schätzte es durchaus, wenn seine „Tiere“ nicht gleich zu Beginn ihre Widerstandskraft<br />
aus Verzweiflung einbüßten; allerdings bedurfte es einiger Umsicht und Kunst, sie nicht an etwaigen<br />
unterhaltsamen Ausbruchsversuchen zerbrechen zu lassen. Nichts war peinlicher als nutzloses<br />
Gnadengewinsel oder das Heulen und Weinen solcher, die vor Furcht den Verstand verloren hatten...<br />
Genug jetzt. Bei dieser Hitze stank das Rattenloch schlimmer als jede Kloake. Er drückte ein<br />
duftendes Tuch vor den Mund: „Schafft ihn weg“, befahl er angewiedert, ewiges Feuer, er würde sich<br />
lange den Bäderkünsten der Mädchen und Jungen im „Frischen Quell“ anvertrauen müssen - ein<br />
angenehmer Gedanke an weiche, feste, junge Haut... Ein Grinsen lag auf seinen Zügen, als er sich<br />
aufmachte, seinem Troß zu folgen.<br />
Ein Stimme weckte ihn aus seinem Halbtraum. Da er die Worte nicht verstanden hatte, den Sprecher<br />
aber hinter sich verortete, wandte er sich unwillig um, denn wer konnte es hier wagen, das Wort an<br />
ihn zu richten...<br />
Der Sammler maß ihn mit einem recht abschätzigen Ausdruck in den schmalen Winkeln des Mundes.<br />
Chattar Kan blintzelte zwei, drei Mal verwundert nach dem feuerroten Mann, der, wenige Sprung die<br />
Straße hinab, verharrte und auf etwas zu warten schien: „Habt Ihr etwas gesagt?“ fragte Kan und seine<br />
Worte, zumal er sich zu seiner volle eindrucksvolle Höhe reckte, klangen bereits bedrohlich - das da<br />
war doch der...<br />
„Ich ersuchte Euch, „ sagte der Atamane, „mir die Frage zu beantworten, warum Ihr und Eure -<br />
Schergen Euch dieses Menschen dort“ - die Spitze seines Stabes deutete einen leichten Wink auf den<br />
Gefesselten an - „bemächtigt habt?“<br />
Die seltsame Ausdrucksweise des Fremden reizte Kan aufs äußerste. „Ich wüßte nicht“, erwiderte er<br />
mit süßlichem Lächeln, „was Euch das...“ Er hielt inne, vollführte eine darbietende Geste.<br />
„Angeht?“ Der Sammler zuckte mit den Schultern. „Nichts, denke ich. Doch auch wenn dem so ist,<br />
ersuche ich Euch doch, von Eurem Tun abzulassen. Ich glaube nicht, daß...“<br />
„Was, was?“ Chattar fuhr dem anderen mit einem bellenden Lachen dazwischen, das überraschte<br />
Heben und Senken der langen Brauen, das der Gegner zeigte, entzückte ihn geradezu: „Ihr - seid ein<br />
Narr!“ Der Sammler bewegte seinen Kopf in einer Weise, die nichts anderes als ein belustigtes<br />
Zweifeln daran bedeuten konnte.<br />
„Ja, Ihr seid ein Narr, Sammler“ und nun war Chattars Rede kalt und hart. „Sich mir zu stellen, sich<br />
mir ausliefern - die Kunde von dem frevelhaften Gerücht des Elenden, der in das Heiligtum<br />
eingebrochen ist, hat ja schon die ganze Unterwelt ergötzt!“