Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Der Anfang - Peter Thomas Goergen<br />
gestatteten eine zeitliche Verzögerung dergestalt, daß sie ungefähr beherrschen können, wann ein<br />
beliebiges Gift wirksam wird - in einem Zeitraum von ein paar Stunden.<br />
Unter diesen Umständen zog Lanungo es vor, heute Nacht wieder in der Botschaft zu schlafen - die<br />
bald ausbrechende Trunkenheit entbehrte der Würde und vor allem der Sicherheit, die ein Atamane<br />
niemals in der Öffentlichkeit ablegen durfte. Zudem dürfte sein Befinden spätestens morgen der<br />
umsichtigen Pflege des Ortolans bedürfen... der Cer Hagelbär war ein überaus achtenswerter Mann -<br />
auf seinem hochgeistigen Gebiet!<br />
Beim Verlassen stieß er, noch im Türrahmen, auf einen kleinen, narbig-entstellten, häßlichen Mann,<br />
dessen linkes Auge schon bemerkenswert war, nämlich ein großer, dunkler Rubin.<br />
Sie maßen sich, der Assassine und der Atamane, und letzterem verengten sich dabei die Augen, sehr<br />
eigenartig, und nach einem langen Blick über den Körper des anderen, einem langen, nachdenklichen<br />
Blick auf dessen Unterleib, kehrte sich der Sammler ab, mit einem gemurmelten Wort in der alten<br />
Sprache des I'Yat.<br />
Hinter ihm verschwand der kleine Mann in der Schenke und die Pforte rasselte ins Schloß.<br />
Am frühen Morgen des vierten darauf folgenden Tags, des dritten im Talu, trafen sich Corwin Dery<br />
und der Sammler im südlichen Viertel des Rattenlochs, an einer Kreuzung hochaufgeschossener<br />
Gebäude, teils verfallen, und in einem stockigen Nebel verschwommen wie eine dunkle Höhle, aus<br />
der ein unheimliches Ungetier seine feuchten Dämpfe schnob.<br />
Es war doch kühl und Corwin scharrte unwohl mit den Füßen in einer kiesknirschenden Wasserlache,<br />
während der Sammler, regungslos, als rote Fahne in der Dämmerung stand, aufmerksam den Hehler<br />
beobachtete, der die Hände mürrisch unter den Achseln rieb.<br />
„Worauf warten wir?“<br />
„Wir warten auf nichts“, entgegnete Corwin, und klang trotz des flauen Gefühls im Magen<br />
vergleichsweise unwirsch, verdammt, dachte er, worauf habe ich mich da eingelassen.<br />
„Dann warte ich auf Eure Antwort - was habt Ihr in Erfahrung gebracht?“<br />
Corwin warf ihm einen schiefen Blick zu. Er würde es ihm schon verraten, sagte er sich, aber - nicht<br />
alles, nur soviel, daß der Atamane die Spur aufnehmen konnte, und ihn nicht wieder in dieser Sache<br />
belästigen würde!<br />
„Nun?“ Der andere trat einen Schritt heran, und der Nordländer wich leicht zurück: „Meister<br />
Buzecchia, ich...“ Warte, unterbrach er sich, das wäre noch besser, ich sage ihm gar nichts, sondern<br />
bringe ihn nur zu...<br />
Seine Geduld sei erschöpft, stellte in diesem Augenblick der Atamane ruhig fest, und da er überzeugt<br />
sei, daß Dery tatsächlich etwas herausgefunden habe, etwas ihm dienliches, würde er nun Maßnahmen<br />
ergreifen...<br />
„So wartet doch“, zischte Corwin, ergriff den Arm des Roten und zog ihn in eine Gasse zurück; dort<br />
drängte er den anderen in einen Seitenwinkel, ein unmutiger Laut des Atamanen machte ihn zaudern -<br />
doch dann beugte er sich vor: „Hört mir zu“, flüsterte er seinem Geldgeber ins Ohr (dieser seufzte<br />
schwach, was soll der ganze Hugeldubel), „ich habe jemanden ausfindig machen könne, der Euch<br />
anstelle meiner jetzt weiterhelfen kann!“ Er hielt kurz inne, als lauschte er. „Es ist abgesprochen, daß<br />
Ihr ihn heute abend am Haus des Schusters Regi treffen könnt, zwischen der ersten und zweiten<br />
Stunde nach Mitnacht...“<br />
„Verratet mir“, raunte Lanungo und unterdrückte es, das schmierige Gewisper seines Kameraden (wie<br />
aus der Verschwörerballade eines drittklassigen Barden) nachzuäffen, „wo sich diese treffliche<br />
Schusterei befindet, und wer sich mir heute nacht dort wie als wer zu erkennen geben wird?“<br />
„Das „ - kann ich Euch nicht sagen, hatte der Nordländer ziemlich hastig angesetzt, aber sogleich<br />
abgebrochen, es wäre doch zu fadenscheinig gewesen - „ahm, ist - nicht schwer zu finden, ja - nicht<br />
wahr - also, vom, von der Brücke geradeaus, rechter Hand sodann, sodann, dann vorneweg bis zu<br />
dem...“ und so weiter und so fort, stammelte sich Corwin, immer schneller werdend wie ein<br />
Gebirgsbächlein auf immer steiler werdendem Weg ins Tal, bis zum Hause des Schusters durch,<br />
erkennen - ja wie - ja genau, erkennen läßt sich der Mann - ja, ein Mann - er ist zwergwüchsig und<br />
verwachsen, eine Kutte oder einen Kapuzendings, ahäm, Kapuzenmantel, und er ist, er ist... „jemand,<br />
der sich Euch selbst vorstellen wird, sofern er das wünscht“, schloß Corwin gehetzt und duckte sich.<br />
Der Rote beäugte ihn, als wäre der Hehler ein seltsames Tier.<br />
Corwin bebte und schwitzte, konnte sich nicht dazu durchringen, nach dem Messer in seinem Stiefel<br />
zu greifen...