15.11.2012 Aufrufe

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Schattenfuchs und Schleiertanz - Christel Scheja<br />

Schattenfuchs und Schleiertanz<br />

Christel Scheja<br />

„Drei saftige Meringor-Früchte aus Donji Kalemat! Gerade erst frisch eingetroffen! Ich sage euch,<br />

vier Eisensonnen sind nicht zuviel dafür verlangt!“ - „Pergemitronischer Balusch! Nur vier<br />

Bronzesonnen!“ - „Wollt ihr euer Mädchen anschmiegsam und sanftmütig machen? Dann kommt<br />

näher...“<br />

Das Geschrei der Händler hallte über den kleinen Markt im Süden von <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>, auf dem sich<br />

Stand um Stand, die meisten nur primitiv überdacht, aneinanderdrängten. In den schmalen Gängen<br />

dazwischen war die stickige Hitze und Schwüle des Mittmond-tages noch schlimmer. Wenn sich auch<br />

manch einer den Schweiß aus dem Gesicht wischte, so zog er sich doch nicht aus dem Gewühl zurück.<br />

Immer wieder standen drei oder vier Menschen bei den Buden zusammen und debattierten heftig über<br />

das bevorstehende Ereignis. In drei Tagen würde die Triumviratswahl stattfinden - und was das für<br />

die Unterstadt, nein, für ganz <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong> bedeuten mochte, wußte keiner richtig zu deuten.<br />

Viele andere beschäftigte das nicht. Kreischend verfolgte ein Halbwüchsiger eine Herde Gänse, die<br />

ihm zu entwischen suchte um einige primitiv zusammengezimmerte Stände, auf denen kleine, verdorrt<br />

wirkende Feldfrüchte lagen, und warf dabei eine Kiste mit länglichen Früchten um. Hastig rannte der<br />

Jüngling davon, als ihn der fette Händler fluchend und keifend verfolgte. Er duckte sich, als ihm zwei<br />

Bewaffnete entgegenkamen, die augenscheinlich ihrer Herrin den Weg bahnten, einer edel<br />

gekleideten Dame, deren Gesicht von einem feinen weißen Schleier bedeckt war, so daß man ihre<br />

Züge nicht erkennen konnte.<br />

„Was will die hier?“ - „Die soll nur aufpassen, daß keiner ihr...“ Einige Frauen am Brunnen steckten<br />

die Köpfe zusammen und tuschelten, deuteten immer wieder mit ihren Händen auf die Frau.<br />

Ein bunt gekleideter Geck, dessen Gewänder einmal bessere Zeiten gesehen hatte, wich schimpfend<br />

dem Guß eines Nachttopfes aus, weil er zu dicht unter einem der windschiefen Häuser hergegangen<br />

war und trat gegen ein Schwein, das quiekend davonstob und einige Pferde zum Scheuen brachten,<br />

deren Reiter laut fluchend an den Zügeln rissen. Einer hieb sogar mit einem gefährlich aussehenden,<br />

an der Spitze gezacktem Speer nach dem verängstigten Tier. Mehrere Straßenkinder lachten über sie<br />

und riefen laute Spottverse, huschten geschwind wie die Ratten davon, als sie die Aufmerksamkeit der<br />

Reiter auf sich gerichtet sahen. Ein Kind mit zinnoberrotem Haar kletterte flink wie ein Äffchen auf<br />

einen Holzstapel und streckte die Zunge heraus.<br />

Dicht neben den Berittenen brachte ein Ziegenbock, der durch die Beine seines Herrn lief, diesen zum<br />

Stolpern und ließ ihn in einem Dunghaufen landen. Das Tier sprang meckernd durch die Menge<br />

davon, auf der Suche nach Fressen oder einem Weibchen, das er bespringen konnte.<br />

Im Tumult des Marktes fielen die zerlumpten Bettler, die unter der Hitze des Mittmondes besonders<br />

zu leiden hatten, weil sie ständig von den schattigen Plätzen vertrieben wurden, nur wenig auf.<br />

Ihr Klagen bildete eines der gewohnten Geräusche im Rattenloch von <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>, und die elenden<br />

Kreaturen wichen schon aus, wenn man nur mit dem Stock nach ihnen schlug. Es war auch angeraten<br />

Argwohn zu besitzen, denn die Börsen waren im Gewühl der engen Gassen zwischen den Ständen<br />

nicht immer besonders sicher...<br />

Schmale Gestalten wie ein drahtiger Jüngling mit schwarzem Haar, oder ein blondes Mädchen<br />

krochen unter den Holzschragen durch, wann immer sie einen Beutel abgeschnitten hatten und<br />

machten sich, ehe der Betroffene es merken konnte, durch die Menge davon.<br />

Ein schlanker, blaß wirkender Bursche mit mädchenhaften Gesichtszügen, der eine spitz nach hinten<br />

zulaufende Kapuze über sein Haar und einen Teil der Stirn gezogen hatte war nicht so vorsichtig.<br />

Flink hatte er eine saftige Frucht stibitzt und biß hinein, während er ruhig von dem Stand<br />

wegschlenderte, als habe er das Obst erworben.<br />

Blaugrüne Augen mit einem Silberschimmer blitzten und schienen nach würdiger Beute zu suchen -<br />

vielleicht der Börse der Dame, die interessiert feine Stoffe aus fernen Landen betrachtete. Der<br />

schmierige Barmian hatte sie unter ein paar grob gewebten Decken hervorgezaubert, nachdem eine<br />

Silbersonne den Besitzer gewechselt hatte. Der Jüngling grinste. Das war also der Grund, der das<br />

feine Dämchen hergeführt hatte: Sie wollte wohl Geld sparen, indem sie die, vor ein paar Vierteln aus<br />

den Lagern des Kaufherrn Dolphinius entwendeten Stoffballen erwarb. Na wenn sie sich dabei nicht<br />

in die zarten Finger schnitt... Er wischte sich die Finger an seinem schmutzigbraunen Überwurf ab<br />

und machte dann ein seltsamen Zeichen, ehe er sich umdrehte.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!