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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Wie der Hieb des multorischen Säbels - <strong>André</strong> <strong>Wiesler</strong><br />

über ihren Kopf, schienen einzuladen sich am kühlen Naß zu laben. Doch erst einmal würde Inigo den<br />

bitteren Geschmack aus dem Mund bekommen müssen. Erfreut bemerkte er eine Tonflasche neben<br />

sich am Boden, wo er sie wohl am vergangenen Abend abgestellt haben mußte, und in der es bei<br />

seinem Schütteln leise gluckste. Mmh... von wem mochte wohl dieser Schal sein?<br />

Er setzte die Flasche an, nahm einen tiefen Schluck und prustete den bitteren Saft wieder aus, nur<br />

knapp konnte ein Diener ein Bündel weißer Hemden vor der roten Weinwolke in Sicherheit bringen.<br />

Sein wütendes Schimpfen, daß er aber erst anstimmte, als er in sicherer Entfernung war, hallte<br />

schmerzhaft laut in Inigos Kopf wieder. Geschah ihm recht. Wie betrunken mußte er gewesen sein,<br />

um sich mit solchem Fusel abzugeben. Ob Logush schon weg war? Wenn er ähnlich abgestürzt war<br />

wie Inigo selber sicherlich nicht...<br />

Mit einiger Mühe drehte er nun an dem Rad, daß in dem Brunnen unter dem weit ausladenden Dach<br />

den einen Eimer nach unten und den gefüllten nach oben beförderte. Er tauchte das Tuch in das<br />

glitzernde Wasser und preßte es gegen Stirn und Nacken. Daß dabei Wasser an seinem Körper<br />

herunterrann und dunkle Flecken im roten Stoff seines Hemdes und auf seinen ledernen Beinkleidern<br />

hinterließ, war ihm gleich. Die Erfrischung war es wert. Dann wrang er den Schal kräftig aus und<br />

band ihn sich um den Kopf, doch die widerspenstige Strähne schaffte es trotzdem leicht gewellt<br />

freizukommen und sich wieder auf seiner Stirn auszubreiten. Inigo beugte sich ein weiteres mal über<br />

den Eimer, schöpfte mit beiden Händen Wasser. Dabei sah er im Licht der Sonne, die schon<br />

erschreckend hoch stand, sein Spiegelbild. Er sah erbärmlich aus. Sein Dreitagebart hatte mittlerweile<br />

unvorteilhafte Länge angenommen. Es würde ein Barbierbesuch nötig werden. Dann warf er sich das<br />

Wasser ins Gesicht und genoß erneut das kühle Naß.<br />

In seinen Taschen, so förderte eine gründliche Untersuchung zu Tage, befanden sich noch genau vier<br />

Eisensonnen. Das reichte in der Unterstadt gerade noch für eine Rasur, zumindest wenn der Hals<br />

dabei nicht von billigem Messer aufgekratzt oder im -schlimmsten Fall- mit Vorbedacht<br />

durchschnitten werden sollte...<br />

Er machte sich auf den Weg nach Norden und war gerade auf der Höhe der düsteren Lyzeum, als eine<br />

junge Frau ihn fast umrannte. In seinem Schrecken griff er nach ihr und hielt sie fest, mehr um einen<br />

Sturz zu verhindern. Doch die junge Dame fauchte ihn an, es war ein Fluch auf multorisch, und<br />

versuchte sich loszureißen. An jedem anderen Tag wäre es Inigo niemals in den Sinn gekommen eine<br />

Dame gegen ihren Willen in seine Arme zu schließen, aber der Wein und der mangelnde Schlaf taten<br />

das ihre seine Gedanken zu bremsen. Die Frau war jung, gerade erst dem Mädchenalter entwachsen,<br />

vielleicht 18 Sommer an der Zahl. Sie trug rauhe und einfache, aber saubere Kleidung, ein braunes<br />

Mieder, darunter ein weißes Hemd.<br />

Die Verfolger der Frau, zwei kräftige Männer in rauher Lederkleidung, mit großen, breiten<br />

Schwertern an der Seite, trafen jetzt ein und riefen der Frau zu: „Kommt mit uns!“. Die Männer waren<br />

etwas größer als Inigo, vielleicht drei Sprung und anderthalb Pfeillängen, und wirkten etwas mager.<br />

Ihre Haut war tiefschwarz. Multorier vielleicht, und sie sahen nicht aus wie Ehrenmänner. Was immer<br />

sie vorhatten, es war vermutlich nicht dieser jungen Magd angemessen.<br />

Inigo wandte sich der jungen Frau zu. Auch ihre Haut war von einer sehr dunklen Färbung, die fast<br />

schwarz zu nennen wäre. Um so erstaunlicher war ihr langes, hellbraunes Haar, das glatt nach unten<br />

hing, von einem einfachen Hornreif. Sie war etwa drei Sprung, eine Hand groß, also ein Stück kleiner<br />

als Inigo selber, und ihre Augen waren von einem strahlenden Blau. Sie war zierlich gebaut,<br />

vermochte das Mieder kaum nennenswert auszufüllen. Inigo fragte: „Wollen die Herren euch Böses,<br />

mein Kind?“<br />

Fast vermutete er, sie sei der Sprache des Ostlandes nicht mächtig. Um so überraschter fuhr er drum<br />

zusammen, als die junge Dame ihn anfauchte: „Kümmert euch um euren Kram. Hättet ihr euch nicht<br />

eingemischt, wäre ich schon weg.“<br />

Ein Wildkätzchen also. Nun ja, nicht das Schlechteste. Inigo wandte sich wieder zu den Männern um,<br />

die nun etwa einen Sprung entfernt stehengeblieben waren. Er ließ die Schultern ein wenig hängen<br />

und legte die Hand gegen die Stirn: „Werte Herren, diese Dame steht nun unter meinem Schutz!<br />

Wenn ihr nun bitte wieder eurer Wege gehen wollt?!“<br />

Die Männer schauten ihn verwundert an, hatten aber scheinbar seine Worte verstanden. Mit schwerem<br />

Dialekt, der keinen Zweifel an ihrer Herkunft ließ -Multor- antwortete der Größere: „Die Frau ist<br />

uns!“ Beide legten die Hand auf ihre Waffe.<br />

Inigo seufzte, lehnte sich, die eine Hand noch immer an der Stirn, provozierend mit der anderen gegen<br />

die Wand und sprach vorsichtshalber multorisch: „Hört mir zu! Ich hatte eine schwere Nacht, mein

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