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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Diener des Lichtmeß I: Brianne - Janina Enders<br />

Tatsächlich schaffte das kleine Kerlchen es, den Schlüssel zum Käfig zu stehlen. Es war sehr, sehr<br />

lange alleine gewesen und nun war da wieder jemand, auf dessen Schulter Wiko sitzen konnte. Er<br />

spürte die heftige Freude der rothaarigen Frau, als der Mann den Käfig öffnete und sie heraus führte.<br />

Kurz darauf wurde er an den weiblichen Körper gepreßt und stürmisch geküßt. Sofort nahm Wiko<br />

seinen Lieblingslatz ein und wickelte seinen Schwanz um den Hals der Frau. Immer wieder hörte er<br />

sie zärtlich seinen Namen rufen: „Wiko, süßer Wiko!“<br />

Ja! Sein Name! Nie mehr würde ihn jemand als Ratte, Katze oder Ungeziefer bezeichnen...er war<br />

Wiko! Er fiepste leise in Briannes Ohr, die geduckt, dicht hinter Kilian an der Turmmauer<br />

hochschlich.<br />

„Wie geht es nun weiter, Kilian?“<br />

„Mein Falke kreist am Himmel... er wird dich an einen fernen Ort bringen.“<br />

„Ha! Kein Ort ist fern genug!“<br />

Kilian zog Brianne in einen Erker, und die beiden verharrten atemlos, als ein Wächter müde vorbei<br />

schlenderte. Als er vorüber war, flüsterte Kilian: „Ich habe immer wieder einen Traum gehabt, in den<br />

letzten Monaten. Er handelte von einer schönen Frau... dir, Brianne! Ich sah dich in einer Stadt, weit<br />

vor hier- hinter dem großen Wasser!“<br />

„Was?“<br />

„Shht, hör mir zu... von meiner Mutter habe ich die Sehergabe geerbt, ich kann mich auf meine<br />

Visionen verlassen... komm jetzt!“<br />

Brianne zog ihn zurück. „Und wie glaubst du, komme ich über das Wasser? Soll ich schwimmen?“<br />

„Nein. Ich sagte doch, du wirst fliegen!“<br />

„Was? Das war dein Ernst?“<br />

Aber Kilian war schon weitergehuscht und Brianne hatte keine andere Wahl als ihm still zu folgen.<br />

Mehrmals mußten sie sich verstecken, aber niemand bemerkte sie. Doch da erwachte plötzlich<br />

Briannes Schwert. „Oh nein!“<br />

„Was ist?“, fragte Kilian.<br />

„Das Schwert erwacht.“<br />

Kurz darauf ertönte ein heller, seltsamer Laut- zu laut um ihn zu überhören.<br />

„Kannst du das nicht abstellen, man wird uns entdecken!“, rief Kilian erschrocken.<br />

„Es ist ein beseeltes Schwert... möchtest du mit ihm streiten?“<br />

Da war es schon zu spät. Einige Wächter hatten Brianne gesehen und rannten auf sie zu. Kilian und<br />

die Kriegerin liefen die Treppe weiter hinauf, bis sie schließlich oben angelangt waren und die Tür<br />

hinter sich verschlossen. Der kühle Nachtwind riß an Kilians Haaren, während er den Himmel nach<br />

seinem Falken absuchte. „Verdammt! Der Sturm muß ihn aufgehalten haben!“<br />

„Und nun?“, schrie Brianne, die sich gegen die Tür stemmte, die den Kräften der priskanischen<br />

Soldaten nicht mehr lange standhalten konnte.<br />

„Rufe ihn, er ist deine einzige Chance!“<br />

Brianne erklomm die Zinnen und stieß einen schrillen Schrei aus- den Schrei eines Falken in der Not.<br />

„Beim Lichtmeß...“, wisperte sie, als sie eine Antwort bekam. Und tatsächlich! In der Ferne sah sie<br />

einen großen, schwarzen Vogel...<br />

„Gut gemacht, Kriegerin!“, lachte Kilian, doch auf seinem Gesicht standen Schweißperlen der Angst.<br />

Er umfaßte hastig Briannes Hände.<br />

„Hör mir zu, Kleine... Der Falke wird dich in eine Stadt bringen, die voller Gegensätze ist... du mußt<br />

tapfer sein! Und du mußt mir etwas versprechen! Du darfst nie mehr, nie mehr während deiner<br />

Abwesenheit... singen! Agathon würde sofort wissen wo du bist! Versprich es!“<br />

„Ich darf nicht mehr... oh... ich, ich verspreche es dir!“<br />

Geräuschvoll landete nun der Riesenfalke auf den Zinnen und stieß einen Schrei aus. „Komm´ mit<br />

mir!“, flüsterte Brianne.<br />

Das Holz der Tür barst unter den Schlägen der wütenden Männer. Erschrocken drehte Kilian sich um.<br />

„Nein, i- ich werde dir später folgen, zum rechten Zeitpunkt.“<br />

Wieder sahen beide zur Tür. „Leb wohl, kleine Brianne... vergiß´ mich nicht!“ Seine starke Hand fuhr<br />

sanft durch ihr dunkelrotes Haar und stockte mitten in der Bewegung. „Es... ist weiß!“

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