Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Spiel - Thomas Peter Goergen<br />
Jugend oder Klatsch aus längst vergangenen Tagen, daß wenigstens seine Stimme sie erreichte - aber<br />
reglos und weiter erkaltend lag sie da, wie aus Marmor gehauen und antwortete nicht.<br />
Er schrak zusammen - „Meister Torador“, flüsterte jemand, hochblickend erkannte er Suszlo, den<br />
Kammerdiener. Er brachte nur ein müdes Stöhnen hervor.<br />
„Meister Torador, Ihr müßt Euch etwas Ruhe gönnen“, flüsterte der alte Mann, senkte aber sogleich<br />
traurig den Blick, als Torador wie lahm den Kopf schüttelte. Dann winkte er einen Diener mit einer<br />
dampfenden Schüssel heran: „Ich habe Euch eine Brühe machen lassen“, wisperte er, „Ihr müßt doch<br />
etwas essen!“ Er wies den Diener an, die Brühe auf das Betttischchen zu stellen, dann verließ er<br />
besorgt das Gemach.<br />
Als er sich umwandte, um die Türe zu schließen, sah er Torador aufs neue über die Richterin gebeugt<br />
und dessen Lippen im Schein der Kandelaber sich bewegen. Leise fiel die Türe ins Schloß.<br />
Der Fremde schreckte hoch.<br />
Er lauschte in die Nacht. Da! Die Stille war aufgescheucht. Ungewöhnliche Geräusche störten ihn.<br />
War ihm nicht versichert worden, die Gegend sei, selbst für dieses - Rattenloch, nahezu verlassen,<br />
nahezu totenstill? Über den schwarzen Wölbungen der Augen verzogen sich mißmutig die mäuseschwänzigen<br />
Brauen, als er sich wieder der Tafel widmete. In wenigen Zügen - die Schlinge, das<br />
Netz: zugezogen.<br />
Mit flinker Hand verschob er einige wie Eiskristalle funkelnde Figuren.<br />
Seine Arbeit wäre dann getan...<br />
Da! Da war es wieder, das Geräusch, als schreie ein Mensch in rasendem Zorn - und es war sicher<br />
kein Dutzend Sprung von der Hütte entfernt...<br />
Er saß, zitternd vor Unschlüssigkeit. Dann verstummte der Lärm (es mochte eine Stunde vor Mitnacht<br />
sein), so plötzlich wie er aufgeflackert war und die blaupulsende Ruhe kehrte wieder ein: „Suspicio“,<br />
fauchte der Kahle, dessen Haut so grauglatt und ledrig war, daß er in diesem Licht einer ausgestopften<br />
Puppe glich, biß sich vor Erregung in den Daumen, denn seine höchste Aufmerksamkeit war unerhört<br />
beeinträchtigt worden - vorwärts, vorwärts, der kalte Sieg, stirb nun, Königin, erstick´ an Deinem<br />
Blute - was denn...<br />
Die Pforte flog in den Raum.<br />
Der Fremde fuhr in in seinem Stuhl herum.<br />
Die Gestalt im Türrahmen zuckte und wankte, wie von einem Anfall gepackt, die Nägel rissen am<br />
Holz, die Füße scharrten und wütende Laute kollerten in der Kehle - der andere dagegen saß erstarrt.<br />
Dann verging die Erscheinung, floß an dunklen Gliedern hinunter, wie ein Mantel, der zu Boden<br />
gleitet, und eine ruhige, beherrschte Stimme sagte nun: „Guten Abend!“<br />
Der Totengräber trat ein und schloß hinter sich die Tür.<br />
Ein Rascheln weckte Torador und etwas Weiches berührte sein vornüber aufs Bett gesunkenes<br />
Gesicht: „Torador“, flüsterte eine Stimme, spröde wie lange außer Übung gewesen, „Torador, wie<br />
spät ist es...?“<br />
Der Heiler hob ruckartig den Kopf.<br />
Im schwachen Schein der Kandelaber sah er deutlich seine Mutter, in ihrem Bette aufgesetzt und mit<br />
verwunderten, geschwollenen Augen umherschauen, die kalte Brühe auf dem Nachttisch, die schwer<br />
verglühten Kräuter („O <strong>Mantow</strong>in, laßt die Fenster öffnen!“), ihren müden und verweinten Sohn am<br />
Fuße ihres Lagers...<br />
„Mutter!“ „Schrei nicht so, was...!“<br />
Aber schon hatte ihr Sohn sie mit einer Freude umfangen, daß sie die Frage nach dem eigentlichen<br />
Verbleib ihrer Gäste vergaß; dann polterte die Türe auf und eine ganze Schar verdutzter Gesichter<br />
drängte sich herein, Kerzen wurden entzündet, ein Bote zum Tempel gesandt, alle zwängten sich vor<br />
ihre Lagerstatt, und erstaunte Rufe mischten sich mit Gebeten aller Art - schwierig war´s, das Volk<br />
aus ihrem Schlafgemach zu werfen; erst dann beruhigte sich ihr Sohn und hieß sie glücklich sich erst<br />
auszuruhen, am nächsten Morgen sollte sie alles erfahren, was sich zugetragen hat in dieser Nacht.<br />
In jener Nacht bliesen die Schornsteine des kleinen Hauses mit den weißblauen Blütenranken<br />
schwarzen Rauch und Asche in die Luft.<br />
Am nächsten Morgen wartete eine in einen schwarzen Mantel gehüllte Gestalt am Eingang einer<br />
schäbigen, schiefen Baracke im Süden <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>s. Unter dem Arm hielt sie ein in dickes