Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Diener des Lichtmeß I: Brianne - Janina Enders<br />
Agathon stand auf den Zinnen seiner Burg und blickte in den blauen Himmel. Er breitete beide Arme<br />
aus und sog tief die Luft ein, ein zufriedenes Lächeln umspielte seinen Mund. Es war ungewohnt ihn<br />
lächeln zu sehen, denn der hünenhafte Herrscher war eher mürrisch und leicht reizbar. Aber die<br />
letzten Tage waren gut gewesen für ihn und auch der heutige Tag fing erfreulich an. Heute erwartete<br />
er die Rückkehr seines Sohnes Kilian, der lange fortgewesen war, um bei den Kyrinen zu leben. Die<br />
Kyrinen waren menschenähnliche Wesen, die in der Nähe der Klippen am östlichen Endmeer lebten.<br />
Dort hatte Kilian seine leichte Sehergabe weiterentwickeln wollen und außerdem konnte er dort den<br />
Krieg für einige Zeit vergessen.<br />
Fünf Jahre war Kilian nicht mehr in den Hallen seiner Kindheit gewesen und nun fühlte er, wie etwas<br />
ihn zurück in seine Heimat lockte. Eine Bedienstete näherte sich Agathon, der immer noch auf den<br />
Zinnen stand und Ausschau hielt. Der Blick des jungen Mädchen glitt über den Körper ihres Herrn,<br />
der gefährlich nahe am Abgrund stand...<br />
Agathon wandte sich so abrupt um, daß das Mädchen erschrocken einen Schritt zurücksprang.<br />
„Was möchtest du?!“, fragte Agathon laut.<br />
„I- Ich wollte euch nur sagen, daß alles für euren Sohn vorbereitet ist, Herr.“ Ihre Stimme war dünn<br />
und unsicher und sie errötete heftig, als Agathon sie gierig mit Blicken maß.<br />
Doch plötzlich streckte sie ihren schlanken Arm aus und deutete in den Himmel. „Seht nur, Herr...<br />
Euer Sohn kommt zurück.“<br />
Tatsächlich- ein riesiger Falke flog direkt auf die Burg zu und schrie laut. Agathon und das Mädchen<br />
machten dem Vogel Platz, der behutsam landete und seinen Reiter unbeschadet absteigen ließ. Dann<br />
erhob er sich wieder in die Lüfte und verschwand in der Ferne.<br />
Kilian drehte sich lachend zu seinem Vater um. Er war groß geworden, nicht so groß wie Agathon,<br />
aber größer als viele seiner Krieger. Auch seine Muskeln hatten sich zu seinen Gunsten entwickelt.<br />
Sein Gesicht jedoch war unverändert. Die schwarzbraunen Augen glitzerten lebensfroh und unzählige<br />
Lachfalten umringten sie. Die Nase rümpfte sich leicht, als sein Lächeln sich verbreiterte und<br />
makellose, weiße Zähne preisgab. Nur sein Haar hatte sich verändert. War es doch früher tiefbraun<br />
gewesen, so hatte es nun die Farbe von frischem Schnee.<br />
„Oh... mein Sohn!“, brachte Agathon hervor und riß ihn in seine Arme. Der junge Mann löste sich aus<br />
der Umarmung. „Es ist gut dich zu sehen, Vater!“<br />
Agathon legte einen Arm um seinen Sohn und beide verließen den Turm.<br />
Kilian wurde von allen Hofmitgliedern stürmisch begrüßt und mit respektvollen Blicken beschenkt.<br />
Jeder sah die Veränderung: Er war nun ein Mann... aber immer noch Agathons Sohn!<br />
���<br />
Es war spät in der Nacht, als Kilian die Festtafel verließ und jene, welche satt und zufrieden am Tisch<br />
eingeschlafen waren, verließ. Das laute Schnarchen verfolgte ihn noch, als er längst die steinernen<br />
Treppen hinaufstieg, um zu seinen Gemächern zu gelangen.<br />
Irgend etwas, irgendeine Macht, hatte ihn hierher befohlen, in die Burg seines Vaters. Er dachte, es<br />
wäre die Sehnsucht gewesen, die mit der Zeit immer stärker an ihm nagte. Aber in dem Moment, als<br />
Kilian Agathon in die Arme geschlossen hatte, wußte er, er hatte sich geirrt. Es mußte noch einen<br />
anderen Grund geben... aber was?<br />
Kilian seufzte laut und lehnte sich mit verschränkten Armen an die kühle Steinmauer.<br />
„Ich verstehe das einfach nicht!“<br />
Wieder seufzte er und sein Kopf sank auf seine Brust. Da hörte er plötzlich ein seltsames Geräusch,<br />
das ihn aufhorchen ließ. Die Burg war alt und es wimmelte in manchen Räumen von Ratten und<br />
anderem Ungeziefer. So war es nur natürlich, daß leise scharrende Laute nachts die Oberhand<br />
gewannen, abgesehen von leisem Frauengelächter, das ab und zu durch verschlossene Türen drang.<br />
Aber auf dieses Scharren folgte... ein Schluchzen... dann ein Wimmern. Kilian wandte den Kopf . Die<br />
Laute kamen... aus der „Halle der Töne“. Die hohe Tür ließ sich leicht öffnen und der Mann schob<br />
sich ins Innere.<br />
Schwärze umfing ihn, als die Tür ins Schloß fiel. Langsam rieb er sich über die Augen und blinzelte.<br />
An den Wänden hingen in regelmäßigen Abständen Fackeln, die schwach brannten. Allerdings lag der<br />
hintere Teil der Halle trotzdem in absoluter Finsternis. Kilian nahm eine der Fackeln an sich und<br />
tapste unsicher einige Schritte voran. Die „Halle der Töne“ war, früher zumindest, Aufbewahrungsort