15.11.2012 Aufrufe

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Diener des Lichtmeß I: Brianne - Janina Enders<br />

Agathon stand auf den Zinnen seiner Burg und blickte in den blauen Himmel. Er breitete beide Arme<br />

aus und sog tief die Luft ein, ein zufriedenes Lächeln umspielte seinen Mund. Es war ungewohnt ihn<br />

lächeln zu sehen, denn der hünenhafte Herrscher war eher mürrisch und leicht reizbar. Aber die<br />

letzten Tage waren gut gewesen für ihn und auch der heutige Tag fing erfreulich an. Heute erwartete<br />

er die Rückkehr seines Sohnes Kilian, der lange fortgewesen war, um bei den Kyrinen zu leben. Die<br />

Kyrinen waren menschenähnliche Wesen, die in der Nähe der Klippen am östlichen Endmeer lebten.<br />

Dort hatte Kilian seine leichte Sehergabe weiterentwickeln wollen und außerdem konnte er dort den<br />

Krieg für einige Zeit vergessen.<br />

Fünf Jahre war Kilian nicht mehr in den Hallen seiner Kindheit gewesen und nun fühlte er, wie etwas<br />

ihn zurück in seine Heimat lockte. Eine Bedienstete näherte sich Agathon, der immer noch auf den<br />

Zinnen stand und Ausschau hielt. Der Blick des jungen Mädchen glitt über den Körper ihres Herrn,<br />

der gefährlich nahe am Abgrund stand...<br />

Agathon wandte sich so abrupt um, daß das Mädchen erschrocken einen Schritt zurücksprang.<br />

„Was möchtest du?!“, fragte Agathon laut.<br />

„I- Ich wollte euch nur sagen, daß alles für euren Sohn vorbereitet ist, Herr.“ Ihre Stimme war dünn<br />

und unsicher und sie errötete heftig, als Agathon sie gierig mit Blicken maß.<br />

Doch plötzlich streckte sie ihren schlanken Arm aus und deutete in den Himmel. „Seht nur, Herr...<br />

Euer Sohn kommt zurück.“<br />

Tatsächlich- ein riesiger Falke flog direkt auf die Burg zu und schrie laut. Agathon und das Mädchen<br />

machten dem Vogel Platz, der behutsam landete und seinen Reiter unbeschadet absteigen ließ. Dann<br />

erhob er sich wieder in die Lüfte und verschwand in der Ferne.<br />

Kilian drehte sich lachend zu seinem Vater um. Er war groß geworden, nicht so groß wie Agathon,<br />

aber größer als viele seiner Krieger. Auch seine Muskeln hatten sich zu seinen Gunsten entwickelt.<br />

Sein Gesicht jedoch war unverändert. Die schwarzbraunen Augen glitzerten lebensfroh und unzählige<br />

Lachfalten umringten sie. Die Nase rümpfte sich leicht, als sein Lächeln sich verbreiterte und<br />

makellose, weiße Zähne preisgab. Nur sein Haar hatte sich verändert. War es doch früher tiefbraun<br />

gewesen, so hatte es nun die Farbe von frischem Schnee.<br />

„Oh... mein Sohn!“, brachte Agathon hervor und riß ihn in seine Arme. Der junge Mann löste sich aus<br />

der Umarmung. „Es ist gut dich zu sehen, Vater!“<br />

Agathon legte einen Arm um seinen Sohn und beide verließen den Turm.<br />

Kilian wurde von allen Hofmitgliedern stürmisch begrüßt und mit respektvollen Blicken beschenkt.<br />

Jeder sah die Veränderung: Er war nun ein Mann... aber immer noch Agathons Sohn!<br />

���<br />

Es war spät in der Nacht, als Kilian die Festtafel verließ und jene, welche satt und zufrieden am Tisch<br />

eingeschlafen waren, verließ. Das laute Schnarchen verfolgte ihn noch, als er längst die steinernen<br />

Treppen hinaufstieg, um zu seinen Gemächern zu gelangen.<br />

Irgend etwas, irgendeine Macht, hatte ihn hierher befohlen, in die Burg seines Vaters. Er dachte, es<br />

wäre die Sehnsucht gewesen, die mit der Zeit immer stärker an ihm nagte. Aber in dem Moment, als<br />

Kilian Agathon in die Arme geschlossen hatte, wußte er, er hatte sich geirrt. Es mußte noch einen<br />

anderen Grund geben... aber was?<br />

Kilian seufzte laut und lehnte sich mit verschränkten Armen an die kühle Steinmauer.<br />

„Ich verstehe das einfach nicht!“<br />

Wieder seufzte er und sein Kopf sank auf seine Brust. Da hörte er plötzlich ein seltsames Geräusch,<br />

das ihn aufhorchen ließ. Die Burg war alt und es wimmelte in manchen Räumen von Ratten und<br />

anderem Ungeziefer. So war es nur natürlich, daß leise scharrende Laute nachts die Oberhand<br />

gewannen, abgesehen von leisem Frauengelächter, das ab und zu durch verschlossene Türen drang.<br />

Aber auf dieses Scharren folgte... ein Schluchzen... dann ein Wimmern. Kilian wandte den Kopf . Die<br />

Laute kamen... aus der „Halle der Töne“. Die hohe Tür ließ sich leicht öffnen und der Mann schob<br />

sich ins Innere.<br />

Schwärze umfing ihn, als die Tür ins Schloß fiel. Langsam rieb er sich über die Augen und blinzelte.<br />

An den Wänden hingen in regelmäßigen Abständen Fackeln, die schwach brannten. Allerdings lag der<br />

hintere Teil der Halle trotzdem in absoluter Finsternis. Kilian nahm eine der Fackeln an sich und<br />

tapste unsicher einige Schritte voran. Die „Halle der Töne“ war, früher zumindest, Aufbewahrungsort

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!