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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Neue Besen - <strong>André</strong> <strong>Wiesler</strong><br />

Neue Besen<br />

<strong>André</strong> <strong>Wiesler</strong><br />

Die Stadt kehrte langsam wieder zu ihrem gewohnten Lebenswandel zurück, drehte sich aus dem<br />

Taumel des Mittjahrsfestes und der Triumviratswahl heraus. Trübsal in der Unterstadt, Genußsucht in<br />

der Oberstadt...<br />

Geral Broschakal nahm einen erneuten tiefen Atemzug der erfreulich kühlen Abendluft und wandte<br />

sich dann zu ihren Beobachtern um. Da saßen sie, zwanzig an der Zahl, und blickten sie erwartend an.<br />

„Meine Herren“, eröffnete sie ihre Rede. „Ihr werdet euch wundern, warum ich euch<br />

zusammengerufen habe! Der Grund ist ebenso peinlich wie ärgerlich.“<br />

Unruhiges Gemurmel machte sich unter den Richtern breit. Nicht nur, daß sie von einer<br />

Triumviratsangehörigen zusammengerufen wurden, einer erst vor drei Tagen gewählten, noch dazu.<br />

Nein, jetzt wollte diese ihnen auch noch etwas Unangenehmes eröffnen.<br />

´Das macht man nicht´, hatte man ihr gesagt. ´Die Richter unterstehen den gewählten Oberrichtern,<br />

nur sie können Richter ernennen und entlassen.´<br />

Aber Geral scherte sich nicht darum. Sie war Teil der Regierung und die Oberrichter waren ihr<br />

unterstellt und somit auch die Richter als solche.<br />

Nach dieser bedeutsamen Pause sprach sie weiter: „Einer von euch wurde aus verläßlichen Quellen<br />

der Bestechlichkeit, der Aufforderung zum Mord und der Unzucht beschuldigt und durch<br />

verschiedene Zeugenaussagen überführt.“<br />

Wieder machte sie eine Pause und blickte jeden einzelnen der Richter an und sah jeden einzelnen<br />

erbleichen. Jeder von ihnen ließ sich durch größere Summen davon überzeugen die Gesetze und das<br />

Rechtsempfinden ein wenig zu Gunsten der Reicheren zu beugen. Auch hatten die meisten von ihnen<br />

schon einmal den einen oder anderen unliebsamen Zeitgenossen aus dem Weg räumen lassen und<br />

einige brachten junge Dinger mit der Drohung einer Anklage dazu, sich zu ihnen zu legen. Dabei<br />

konnten sie bis jetzt darauf vertrauen, daß ihre Position als Richter sie schützte. Doch nun nicht mehr!<br />

„Ich werde ein solches Verhalten nicht dulden.“<br />

Natürlich gab es auch rechtmäßige Richter und mancher war nur ein oder zweimal der Versuchung<br />

erlegen, aber viele -zu viele- nutzten ihre Position schändlich aus. Geral würde ein Exempel<br />

statuieren.<br />

„Richter Namulet Farbelle, ihr seid mit sofortiger Wirkung unehrenhaft aus dem Amt des Richters<br />

entlassen, alle noch ausstehenden Verhandlungen werden von einem anderen Richter übernommen<br />

werden und ihr werdet euch der Gerichtsbarkeit <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>s verantworten müssen. Wachen, führt<br />

ihn ab.“<br />

Ungläubigkeit strahlte aus den meisten Augen, doch in ein oder zwei Augenpaaren glaubte Geral auch<br />

Zustimmung lesen zu können. Zwei Stadtwachen packten den erbost aufgestandenen Richter an<br />

beiden Seiten und führten ihn zur Tür. Sie trugen immer noch das alte Wappen. Auch das würde sich<br />

bald ändern. Unnachgiebig führten sie den dicklichen Mann ab. Geral hatte keinen Zweifel daran<br />

gelasen daß mit unabdingbarer Härte gegen Farbelle vorgegangen werden müßte. Der Richter starrte<br />

Geral wütend an. Auch in einigen der anderen Gesichtern regte sich Unmut und Widerstand. Nun gut,<br />

dann würde der nächste Schritt doch nötig werden. Demütigung.<br />

„Moment noch.“<br />

Die Wachen hielten inne.<br />

„Bürger Farbelle, es steht euch nicht zu, die Schärpe eines Richters zu tragen. Legt sie sofort ab, sonst<br />

wird den Anklagepunkten noch Vortäuschung höheren Ranges hinzugefügt.“<br />

Sie steckte die Hand aus. Erst zögerte der ehemalige Richter noch, als er aber den harten Ausdruck in<br />

ihren Augen sah, gab er nach. Wütend riß er die Schärpe entzwei und warf sie zu Boden. Geral blickte<br />

herunter, nickte dann grimmig und drehte die offene Hand herum, schloß sie und zeigte mit dem<br />

Finger auf die Tür.<br />

„Führt ihn ab!“<br />

Als die Tür laut ins Schloß gefallen war, wandte sich die Triumviress wieder den Richtern zu: „Der<br />

vakante Posten wird von den Oberrichtern nach bekannter Vorgehensweise wieder besetzt. Ich hoffe,<br />

daß ihr übrigen eure Aufgabe weiterhin so zufriedenstellend erledigt. Ihr dürft gehen.“<br />

Geral stellte sicher, daß der Ton ihrer letzten Sätze eine nur wenig verholene und unmißverständliche<br />

Drohung enthielt. Sie würde nicht davor zurückschrecken kräftig aufzuräumen, wenn sich die Art und<br />

Weise der Richter nicht ändern würde.

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