Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Keriams Schatten - Kai-Florian Richter<br />
Stellen lief sie gebückt, so eng an der Hecke wie möglich und noch schneller als ohnehin schon und<br />
hoffte, daß gerade niemand sich in diesem Bereich aufhielt oder sie vom Haus aus im Auge hatte.<br />
Doch schließlich erreichte sie das Haus, diesmal wollte sie aber nicht ins Haus eindringen. Die Figur<br />
schlich zur Vordertür, betrat das Beet neben der Tür und verschnaufte, während sie sich umschaute.<br />
Es war niemand zu sehen, die eigentliche Arbeit konnte beginnen. Eine Hand wanderte unter den<br />
Umhang, brachte einen verschlossenen Topf zum Vorschein, öffnete ihn und stellte ihn auf den<br />
Boden, dann griff die Figur noch einmal unter den Umhang und holte einen breiten Pinsel hervor, den<br />
sie in den Topf tauchte.<br />
Dann begann sie zu schreiben, in großen, im Lichte der Monde blutrot leuchtenden Buchstaben<br />
schrieb sie „Vat“, tauchte den Pinsel wieder ein, schrieb „erm“, tauchte ein, schrieb „örd“, noch<br />
einmal eintauchen und die letzten Buchstaben „er“. Zufrieden wischte die Figur den Pinsel im Schnee<br />
aus, trat einen Schritt zurück, betrachtete ihr Werk, blickte sich dann noch einmal sichernd um und<br />
goß den Rest des Topfes auf das Beet und vor die Tür. Dann verschloß sie den Topf, steckte ihn<br />
wieder weg und floh Richtung Mauer, erreichte sie mühelos, ohne in die Gefahr zu geraten, entdeckt<br />
zu werden, erkletterte sie mehr springend und verharrte auf dem Sims. Direkt unter ihr schritt gerade<br />
eine Gruppe der Stadtwache durch die Straße. Die Figur drückte sich so flach wie möglich auf den<br />
Mauersims und schickte ein schnelles Gebet zu den Göttern, das zu helfen schien, denn die Wache<br />
ging vorbei, ohne die Figur zu entdecken. Sobald die Soldaten um die Ecke verschwunden waren,<br />
sprang die Figur von der Mauer und verschwand mit einem zufrieden Grinsen in die andere Richtung.<br />
Noch verlief alles planmäßig.<br />
-6-<br />
Die Tür zu Larkurs Stube flog auf und Keriam stürmte ins Zimmer, dicht gefolgt vom Unteroffizier,<br />
der vor Larkurs Stube am Tisch Dienst hatte. Larkur, der gerade dabei gewesen war, einige<br />
Pergamente zu studieren, sprang auf und knallte das Pergament, das er in der Hand gehalten hatte, auf<br />
den Tisch.<br />
„Könnt Ihr nicht klopfen, wie jeder normale Mensch auch?“ fuhr er Keriam an.<br />
„Nein, kann ich nicht!“ entgegnete dieser.<br />
„Verzeiht, Hauptmann, er ist einfach an mir vorbeigestürmt.“ meldete sich der Unteroffizier. „Ja, ja,<br />
schon gut, Deran. Ihr könnt wieder gehen. Und bitte schließt die Tür.“<br />
Larkur wendete den Blick nicht von Keriam, der mit vor Zorn hochrotem Kopf vor seinem<br />
Schreibtisch stand. Deran verließ den Raum und zog die Tür hinter sich zu.<br />
„Er war schon wieder da! Er war schon wieder auf meinem Grundstück und keiner hat es bemerkt!“<br />
„So beruhigt Euch doch erst einmal. Bitte, nehmt Platz, erfüllt wenigstens dieses Gebot der<br />
Höflichkeit, wenn Ihr es schon nicht mehr für nötig erachtet, zu klopfen. So nun berichtet mir, was<br />
geschehen ist und was ich dafür kann.“<br />
Larkur setzte sich wieder auf seinen Stuhl und lehnte sich zurück, er versuchte, die Ruhe zu bewahren<br />
und höflich zu bleiben, etwas was ihm ziemlich schwer fiel. Keriam blieb vor dem Tisch stehen,<br />
stützte seine Arme sogar auf ihm ab und beugte sich ein Stück über ihn.<br />
„Der Mann, der mich neulich fast getötet hatte war wieder da!<br />
Er hat meine Hauswand beschmiert, mit Blut! Er hat meine Wand mit Blut beschmiert. Und keiner der<br />
verdammten Söldner oder auch nur einer Ihrer dämlichen Soldaten hat nur irgend etwas bemerkt!“<br />
„Wie hat er ihre Wand beschmiert? Wie sah es aus?“<br />
„Ist das nicht völlig egal? Entscheidend ist doch nur, daß keiner in der Lage ist, ihn aufzuhalten! Die<br />
Söldner habe ich rausgeschmissen, nun seid Ihr dran, ich verlange, daß die Wache mich beschützt!“<br />
„Entschuldigt, aber mehr als wir jetzt tun, können wir für Euch nicht machen. Wir haben die Wachen<br />
bereits verdreifacht, mehr Soldaten haben wir nicht. Habt Ihr denn keine Ahnung, wer es sein könnte?<br />
Wenn Ihr uns einen Hinweis geben könntet, wäre es für uns einfacher. Also, was stand an der Wand?“<br />
„Vatermörder.“<br />
„Vatermörder?“ Larkur blickte Keriam zweifelnd an.<br />
„Ja, verdammt! Vatermörder!“<br />
„Wer käme denn auf die Idee, Euch Vatermörder zu nennen?“<br />
„Chatsar! Es ist bestimmt Chatsar!“<br />
„Chatsar? Chatsar Hlac? Der Soldat Chatsar Hlac? Das ist absolut lächerlich! Warum sollte er dies<br />
tun? Ich...“