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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Wie der Hieb des multorischen Säbels - <strong>André</strong> <strong>Wiesler</strong><br />

Knie begeben, um der Kraft Kaljos etwas entgegen setzten zu können. Leise, so daß kein anderer es<br />

hören konnte, wisperte Inigo: „Kaljo, ich bin nicht wegen Emelda hier. Nur um sie geht es, das wissen<br />

wir beide!“<br />

Wütend, mit knirschenden Zähnen erwiderte Kaljo: „Wir waren Freunde! Wie konntest Du...“<br />

Gerade wollte er Inigo nach hinten schleudern, als ein knorriger Spazierstock zwischen den beiden<br />

Köpfen auftauchte und mit schmerzhaftem Klopfen hin und her bewegt wurde. Eine leise aber<br />

machtvolle Stimme sprach, ein altertümlicher Klang schwang in der Sprache mit: „Es gilt der Handel!<br />

Komm Inigo, ich will deine Frage beantworten. Danach sollst du nie wieder Fuß in das Lager setzen.“<br />

Es war Mutter Camilla. Ihre kleine Gestalt, wenig mehr als zwei Tritt, bewegte sich, auf ihren Stock<br />

gestützt, auf ihren Wagen zu. Ihr weißes, langes Haar wehte im sanften Wind.<br />

Inigo richtete sich auf, brach den Kontakt der Waffen und war gerade dabei seinen Degen<br />

wegzustecken, als ein „Inigo!“ von Mafella ihn warnte. Instinktiv zog er den Kopf zurück und die<br />

scharfe Klinge Kaljos Messer sauste vor seinen Augen vorbei, schnitt ihn leicht über den<br />

Nasenrücken. Hätte er einen Augenblick später reagiert, hätte ihn der gezielte Schnitt das Augenlicht<br />

gekostet. Blut lief seine Nasenflügel herunter und tropfte ins Gras. Kaljo grinste böse, denn er wußte,<br />

Inigo dürfte sich für diese Verletzung nicht rächen. Trotzdem war es gegen die Ehre, einen<br />

unvorbereiteten Gegner in einem Duell zu attackieren. Seufzend blickte Inigo Kaljo ins Gesicht: „So<br />

zeigt sich, wer mehr Ehre hat. Der liebesblinde Narr oder der Sujaké.“<br />

Dann wandte er Kaljo den Rücken zu, darauf hoffend, daß ihn die Ehre wenigstens davon abhalten<br />

würde, ihn von hinten abzustechen.<br />

Der Wagen Mutter Camillas war eine Mischung aus Handwerksstube und Wohnraum. Es lag ein<br />

angefangener Flickenteppich über einem kleinen Tisch und einige lose Fäden waren fein säuberlich<br />

daneben aufgereiht. Camilla musterte ihn aus ihren goldgelben Augen. Sie kniete hinter einem etwas<br />

größeren Tisch, vor dem ebenfalls ein Kissen lag. Der Tisch war mit einem schwarzen Tuch bedeckt<br />

und darauf lag ein dicker Stapel Karten, deren Rückseite in verwirrend verschlungenen Zeichen<br />

bemalt waren- das Q´romea.<br />

„Setz´ dich, mein Junge, und laß uns sehen, was die Karten über deine Freundin sagen.“<br />

Inigo verzichtete darauf zu fragen, woher Mutter Camilla von Yesihja wußte, denn sie sprach oft mit<br />

den Karten und sie sagten ihr Dinge, die der normale Mensch nicht aus ihnen zu lesen wußte.<br />

„Mische sie Inigo, mische sie und denke an deine Freundin!“<br />

Inigo gehorchte ihrem Befehl. Dann legte er sie unter ihrer Anleitung aus. Zuerst vier Karten im<br />

Kreuz, die ihre momentane Situation darstellten: Der Ritter des Feuers; die Prinzessin des Wassers;<br />

die Prinzessin der Luft; der Prinz der Erde. Erwartungsvoll blickte er Camilla an, aber die winkte ab<br />

und sagte: „Eine in die Mitte!“<br />

Inigo gehorchte: Der Prinz des Feuers.<br />

„Drei darüber, für die Vergangenheit“ Nur Trümpfe: Der Wald; Das Gebirge; Der Fluß<br />

„Zwei links, für das Wesen“: Der Phoenix; Der Ritter des Wassers<br />

„Zwei rechts, für die Absicht“: die Amazone der Luft; Die Energie<br />

„Drei darunter, für die Zukunft“ Wieder nur Trümpfe: Die Liebe; Die Wolken; Die Mystik<br />

Wieder blickte Inigo die uralte Frau an. Jetzt endlich nickte sie und hob an zu sprechen. Obwohl ihre<br />

Stimme leise war, verstand Inigo alles ganz genau: „Deine Freundin ist eine Frau des Reichtums. Die<br />

Hofkarten, jede aus einem Element, sprechen von großer Macht. Doch ist ihr Leben durcheinander,<br />

die hohen Elementkarten bekämpfen sich. Der Prinz des Feuers bist Du. Du bist der Hauptgrund des<br />

Chaos. Sie hat eine lange Reise hinter sich.“ Die Hand der alten Frau schwebte nun über den Karten<br />

der Vergangenheit. „In ihr kämpfen der Ritter des Wassers, Vergangenheit und Ruhe, gegen den<br />

Phoenix, der Neues erschafft aus dem was war. Sie ist sich nicht sicher, ob sie mit dem Gewesenen<br />

brechen soll.“<br />

Die Hand wechselte zu den Karten rechts des Lebenskreuzes: „Ihre Absicht ist kraftvoll und<br />

rebellisch, sie hat große Schritte gewagt und große Schritte vor sich.“<br />

Schließlich deutete Mutter Camilla auf die letzten drei Karten: „Starke Gefühle bestimmen ihre<br />

Zukunft. Doch diese Gefühle sollen nicht glücklich enden. Mehr können die Karten nicht sagen, aber<br />

hüte dich. Deine Freundin ist wichtig! Die Trümpfe lügen nie.“<br />

Inigo nickte. Worte des Dankes formten sich in seinem Geist, aber in dem Blick der goldenen Augen<br />

sah er, daß dies die letzten Worte waren, die Mutter Camilla mit ihm reden würde. Von nun an war er<br />

auch für sie nichts als ein verabscheuungswürdiger Sujaké.

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