Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Totentanz - <strong>André</strong> <strong>Wiesler</strong><br />
Totentanz<br />
<strong>André</strong> <strong>Wiesler</strong><br />
Prolog<br />
„Ding dang dingding didang dingding...“<br />
Drei Paare -Königspaare- drehten sich auf einer großen Scheibe herum, jedes für sich auf einer<br />
kleineren noch einmal um sich selbst. Wie das Bild eines Ballsaals, nur soviel kleiner und soviel<br />
prunkvoller. Goldgeschmückt, Edelsteine als Augen, Perlen statt Schuhe und Perlmutt als Haar. Drei<br />
Paare, immer herum, immer im Takt. „Ding dang dingding didang dingding...“<br />
Zufrieden betrachtete der Feinschmied sein Werk. Wenig größer als zwei seiner Finger zusammen<br />
war jede der Figuren, die dort ihre Kreise auf der kleinen Spieluhr drehten. Die Uniformen, die<br />
Kleider der Damen, die Melodie, alles war so wie es sein sollte. Jeder erkannte sofort, mußte sofort<br />
die letzten Könige Multors nebst ihren Gemahlinnen in den Figuren erkennen.<br />
Ein letztes Mal drehte der schon recht alte Multorier den Kasten herum, hängte ihn in ein Gestell,<br />
damit der edle Überzug der Figuren nicht abgeschabt wurde und öffnete die Unterseite. Unzählige<br />
kleine Räder aus bestem multorischen Metall drehten sich, schoben andere Räder weiter, spannten<br />
jene Feder, schob diesen Hebel weiter. Alles lief wie er es geplant hatte. Einmal aufgezogen, ließ die<br />
Spieluhr das Hohelied der Könige dreimal ganz hören. Über 100 Mal drehte sich das große Rad dabei,<br />
die Paare selbst wirbelten an die 300 Mal herum. Sorgsam verschloß er die Uhr und zog die<br />
Schrauben fest. Fast hatte es ihm leid getan Schrauben in dieses edle Holz zu rammen, aber anders<br />
war es nicht zu machen gewesen. Er drehte das Kunstwerk herum und stellte es auf den Tisch. Ein -<br />
zwei -drei Umdrehungen des kleinen Hebels an der Rückseite des Kästchens und schon erklang das<br />
lustige und doch stolze Lied wieder: „Ding dang dingding didang dingding...“<br />
Sogar Platz für eine kleine Schublade hatte er gefunden. Man konnte sie an einem Perlenknopf<br />
herausziehen und sie bot Platz für ein paar Ringe oder sogar eine dünne Kette.<br />
Er trat einen Schritt zurück, betrachtete das Reigen der Könige und nickte zufrieden. Ja, es war<br />
vollbracht. Ein Jahr seines Lebens hatte er in diesen Kasten gesteckt, jede Stunde ein Opfer für seine<br />
Familie. Doch mit dem Geld, das ihm der Kriegsherr zahlen würde, könnte er seinem Sohn ein<br />
schönes Haus in der Stadt kaufen, in dem er mit seiner jugen Frau leben könnte. Das wäre etwas<br />
anderes, als diese schäbige Holzhütte, in der sie jetzt lebten.<br />
Ja, es war vollbracht, und anscheinend keinen Augenblick zu früh. Der Handwerker hörte von<br />
draußen das Klappern von Pferdehufen auf dem einfachen Lehmweg, der von der Hauptstraße zu<br />
seiner Hütte führte. Hier kamen nicht oft Leute vorbei, es sei denn sie suchten ihn.<br />
Ein schneller Blick aus dem Fenster bestätigte seinen Verdacht. Es war ein Befehlshaber der stolzen<br />
multorischen Armee, in seiner Begleitung zwei Berittene. Die Gruppe hielt und der stolze<br />
Kommandant stapfte auf die Hütte zu, aus deren kleinen Kamin ein lustiger Rauchfaden stieg.<br />
Bevor er klopfen konnte, öffnete der alte Mann die Tür von Innen: „Ah, Herr Hauptmann. Kommt<br />
doch herein, immer erfreut einen so stattlichen Soldaten zu sehen. Ich nehme an ihr wurdet von<br />
Kriegsherr Blu´Kelar geschickt?“<br />
Der Soldat öffnete den Verschluß seines langen Reitermantels und legte ihn neben sich auf den Tisch.<br />
Auch seine Handschuhe zog er aus, und warf sie daneben. Die Rüstung, die darunter zum Vorschein<br />
kam, war scheint´s sehr neu oder außerordentlich gut gepflegt. Der Kettenpanzer blitzte in den<br />
Strahlen der Sonne, die durch die offene Tür fielen.<br />
„Dem ist so! Ihr werdet meine Ungeduld verstehen, aber die Uhr soll ein Geschenk des Kriegsherrn<br />
für den König sein. Wenn ich jetzt also...“<br />
Der Krieger wurde von der aufgeregten Stimme des Schmieds unterbrochen, der seine schwitzigen<br />
Hände an seiner Lederschürze abwischte: „Ja sicher, kommt hier herüber, hierher! Da steht sie, das<br />
Werk eines Jahres. Wartet ich laße sie ihr Lied spielen.“<br />
Ein -zwei -drei Umdrehungen, sie soll ja nicht zu lang laufen, und schon: „Ding dang dingding didang<br />
dingding...“.<br />
„Sehr schön wirklich, der Kriegsherr wird zufrieden sein.“ Das Gesicht des Mannes war unverändert<br />
ernst und doch von einer gewissen Vorfreude erfüllt. Seine Augen funkelten verschwörerisch und ab<br />
und an blitzte ein kurzes Zucken in den Mundwinkeln des unrasierten Gesichts auf. Vermutlich freute<br />
er sich auf das Lob seines Herrn, wenn er dieses erlesene Stück zu ihm brachte. Draußen, durch die<br />
offene Tür deutlich zu sehen, saßen die beiden Begleiter ab und der eine machte sich an seiner<br />
Satteltasche zu schaffen.