Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Stiefkinder des Schöpfung I: Die vier Jahreszeiten - Marc Rösel<br />
doch im Schwindel meines Todes (oder Erwachens) sah ich noch, wie sich ihr Gesicht veränderte und<br />
zu dem von Yssa wurde. Dann zerschmolz auch das Gesicht von Yssa, und eine mir bekannte Stimme<br />
sagte voller Grausamkeit: „Sieh nun, wer ich wirklich bin!“ Fast glaubte ich, das wahre Gesicht<br />
meiner Feindin erkannt zu haben, da schreckte ich hoch aus meinem Nachtmahr, und so sehr ich auch<br />
versuchte, mich an das Gesicht und die Stimme festzuklammern, verblaßte die Erinnerung aus<br />
meinem Bewußtsein, entzog sich mir und trieb davon. Ich verkrallte meine Finger in die Bettdecke.<br />
Ich vergrub mein Gesicht in den Kissen und weinte.<br />
Wer?<br />
Warum erscheinen mir die Geister meiner Mutter und der Griondés nicht mehr?<br />
Arpáo? Atuasi?<br />
Wo seid ihr?<br />
Ich beginne an allem zu zweifeln. O Mutter, ich verzweifle!<br />
Was ist, wenn ich mir alles nur eingebildet habe? Vielleicht habe ich Arpáo und Atuasi gar nicht<br />
gesehen, vielleicht hat mir mein verwirrter Verstand das nur vorgegaukelt. Werde ich langsam aber<br />
sicher verrückt?<br />
Oder, schlimmer noch: ich sah zwei Geister, aber es waren nicht meine Mutter und meine<br />
Herrscherin, sondern andere Geister, mir feindlich gesonnen, die sich nur verkleidet hatten, um mich<br />
einzulullen, mein Mißtrauen zu umgehen und sich mit der Illusion von Vertrautheit bei mir<br />
einzuschmeicheln, um mich hernach um so besser lenken und manipulieren zu können. Ja. Was, wenn<br />
der Geist in der Maske meiner Mutter mich angelogen hat? Was, wenn es falsch war, was sie mir<br />
gesagt hat?<br />
Bei allen Märtyreren, natürlich! Ich hatte das Haus verlassen wollen, der Verschwörung entfliehen...<br />
und dann tauchte ein Gespenst auf und sagte mir, es gäbe gar keine Verschwörung, nicht in dem Haus,<br />
sondern außen. Atakuela, wie konntest du so dumm sein, so leichtgläubig! Du wolltest fliehen, da<br />
wurdest du durch verräterischen Ratschlag um so fester an den Ort deines Unheils gebunden, hältst<br />
dein Verderben gar für deine Zuflucht, vertraust gerade denen, die dich vernichen wollen...<br />
Genug! Ich habe euch durchschaut, euch alle!<br />
Sobald der Morgen graut, verlasse ich dieses Haus und kehre nimmermehr zurück!<br />
Du hast verspielt, falsche Mutter.<br />
22. Talu<br />
Ich wohne inzwischen wieder bei meinem Vater oder dem der sich für meinen Vater ausgibt ich<br />
vertraue niemandem mehr ich bin nicht so töricht den selben Fehler noch einmal zu begehen ich weiß<br />
daß jeder mein Feind sein kann alle tragen sie Masken alle haben sie etwas zu verbergen ich wünschte<br />
ich könnte hinter ihre Masken schauen aber ich kann es nicht deshalb bin ich um so vorsichtiger ich<br />
schlafe mit dem Rapier neben dem Bett und einem Dolch unter dem Kopfkissen ich bin gewappnet<br />
komm nur Yesil Noch einmal verberge ich mich nicht vor dir wenn ich dich das nächste Mals sehe<br />
werde ich dich töten es ist endlich an der Zeit das Blatt zu wenden nun gut vielleicht mag ganz <strong>Elek</strong>-<br />
<strong>Mantow</strong> an der Konspiration beteiligt sein aber ich bin auf der Hut ich bin wachsam ihr bekommt<br />
mich nicht niemals und wenn ich euch alle töten muß<br />
24. Talu<br />
Einen gibt es, dem ich vertrauen kann.<br />
Ludomill Penhaligon.<br />
Er ist ein Opfer der Verschwörung, ebenso wie ich. Da sein Geisteszustand nach seinem Erwachen,<br />
gelinde gesagt, verwirrt war, hat man ihn in die Lyzeum eingeliefert, das gleiche Schicksal, das auch<br />
mir zugedacht worden war. Mein Vater, der alte Narr, erhoffte sich von den innovativen Methoden<br />
des jungen und engagierten Geistheilers Torador Broschakal eine Besserung meines, wie er es<br />
ausdrückte, „angegriffenen Gemütszustandes“ und versicherte mir, daß ich nicht in die Hände dieses ,<br />
erneut seine Wortwahl, „Seelenmetzgers Matulek“ fallen würde. Als gäbe es da einen Unterschied!<br />
Sie alle wollen nur ihr eigenes Wohl, sei es der Geldbeutel wie bei Matulek, oder der Forscherdrang,<br />
den er an wehrlosen Patienten befriedigen will, wie Broschakal, niemals das Wohl der Kranken.<br />
Außerdem bin ich nicht krank! Vater behauptet zwar, ich litte unter Verfolgungswahn, dieser<br />
schmierige Heiler, der meine Seele ausnehmen will wie ein Angler einen Fisch, nannte es Paranoia,<br />
aber ich weiß genau, daß ich mir nicht nur einbilde, verfolgt zu werden. Ich stehe im Zentrum einer