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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Stiefkinder des Schöpfung I: Die vier Jahreszeiten - Marc Rösel<br />

Säugling, den ich behutsam in die Arme nehme, mein eigenes Kind... das seinen Mund aufreißt, spitze<br />

Zähne entblößt und mich verschlingt! Ich bin wachsam geworden, inzwischen, und ich weiß die Omen<br />

zu deuten. Ein Kind, das ich an meiner Brust genährt habe, Yesil, die ich erzogen und ausgebildet<br />

habe, die ich liebe wie meine leibliche Tochter. Das kann kein Zufall sein! Die Person in dem Salon<br />

ist nicht Yesil! Sie ist... irgendjemand, die sich für Yesil ausgibt. Ich werde ihr nicht ahnungslos in die<br />

Fänge laufen, mich von ihr verschlingen lassen, wie in meinem Traum. Ich bin gewarnt. Ohne, daß die<br />

falsche Yesil mich benmerkt hätte, ziehe ich mich zurück, verlasse das „Lindenblatt“. Diese Nachte<br />

werde ich im Haus meines Vaters schlafen.<br />

40. Oberring<br />

Ich habe mit Mistress Yatzikenia gesprochen, und auch mit Mistress Ophelia. Beide haben mir<br />

zugesichert, sie werden mich verleugnen, wenn das Monster in der Maske von Yesil nach mir fragt.<br />

Ich hoffe, ich kann ihnen vertrauen. Wem kann ich überhaupt noch vertrauen?<br />

42. Oberring<br />

Ich sehe die schemenhaften Gestalten meiner Mutter und der Griondés jetzt immer öfter, selbst dann,<br />

wenn ich wach bin. Stumm und düster betrachten sie mich. Sind es Trugbilder? Verkleidete<br />

Verderberinnen, die mich zu vernichten trachten? Oder Gespenster?<br />

43. Oberring<br />

Heute morgen entdeckte ich, aus dem Fenster blickend, Nicht-Yesil, die vor dem Haus auf mich<br />

wartete. Aber noch bin ich nicht bereit, mich ihr zu stellen. Ich verließ das Haus durch den<br />

Hinterausgang.<br />

1. Talu<br />

Die geisterhaften Gestalten von Denim Arpáo und Denim Atuasi sind ein vertrauter Anblick für mich<br />

geworden. Sie begleiten mich, wohin immer ich auch gehe, sie warten im Schatten auf mich,<br />

beobachten, betrachten mich mit traurigen Augen aus Nebel und Rauch. Ich bin inzwischen<br />

überzeugt, daß sie mir kein Leid zufügen wollen, sonst hätten sie es bereits getan. Das Yesil-Monster<br />

scheint seine Verfolgung aufgegeben zu haben, aber ich bin sicher, es lauert nur im Verborgenen und<br />

wartet auf seine Chance, mich in Stücke zu reißen. Ich trainiere jeden Tag mit Rapier und Parierdolch,<br />

übe die waffenlosen Techniken ein, die Shivistri mir beigebracht hat, bevor ich mich von ihr<br />

distanziert habe. Bald, Nicht-Yesil, bald. Bald bin ich dir gewachsen.<br />

5. Talu<br />

Aramar und Tibidago, sie kommen nicht mehr. Hat der alte Zaubermeister ihnen die Ausbildung<br />

verweigert, oder empfängt er sie nun an verborgenen Orten? Ich lausche manchmal an seiner<br />

Zimmertür, ob ich Stimmen darin höre. Barfuß schleiche ioch mich an und lege mein Ohr an das Holz.<br />

In Penhaligons Wohnung ist nur Schweigen... aber vielleicht trifft er sich ja an anderen Orten mit<br />

seinen Schülern, vielleicht in dunklen Grüften, auf Friedhöfen, in unterirdischen Katakomben. Ich bin<br />

mir sicher, er hat sie als seine Schüler angenommen, deshalb kommen sie nicht mehr in den Salon.<br />

Oder aber... er hat sie getötet, sie Selefra geopfert! Yalno, der Schwachsinnige, starrt mit geiferndem<br />

Blick auf meine Brüste. So als könnte er ihre wahre und unschickliche Größe erkennen, obschon ich<br />

den Fluch, den mir die Natur mitgab, stets in meinem eng geschnürten Mieder verberge. Seine Eltern,<br />

dieses ältliche, grauhaarige, unscheinbare Ehepaar, sie tun so, als wüßten sie von nichts, dabei<br />

beschützen sie ihren Sohn, verheimlichen all seine Missetaten. Wieviele Vergewaltigungen und<br />

Morde mögen sie wohl schon vertuscht haben? Manchmal höre ich Dimitri und dieses Flittchen in<br />

verderbter Lust aufstöhnen, höre ihr animalisches Ächzen und ihre Schreie, die jedem anständigen<br />

Menschen den wohlverdienten Schlaf rauben. Und der Messerverkäufer schwärmt von der Schönheit<br />

des Todes...<br />

11. Talu<br />

Yatzikenia Kwasazmín, weiß sie eigentlich nicht, was in ihrem Hause vor sich geht? Wie kann sie<br />

solches Treiben dulden? Es gibt nur eine Möglichkeit... sie gehört selbst dazu, auch sie nimmt teil<br />

an... ja, an was eigentlich?<br />

Ich bin mir inzwischen sicher, daß die anderen Bewohner des Hauses ein Geheimnis haben, das ich<br />

als Einzige nicht teile. Wenn ich in den Salon komme, verstummt oft jedes Gespräch, alle starren

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