Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Keriams Schatten - Kai-Florian Richter<br />
„Aufgrund besonderer Vorkommnisse werden die Nachtpatrouillen in der Oberstadt verstärkt. Ab<br />
heute werden jeweils fünf Gruppen gleichzeitig dort unterwegs sein, die Stärke und Bewaffnung der<br />
Gruppen bleibt gleich. Zu diesem Zweck werden die Gruppen von Feldwebel Jaglo und Feldwebel<br />
Iztar, die diese Woche eigentlich keinen Nachtdienst haben, zum Nachtdienst zugeteilt, mit<br />
Sondersold selbstverständlich. Die Gruppen sollen besonders auf Herumlungernde und sich allgemein<br />
verdächtig und heimlich bewegende Subjekte achtgeben. Verdächtige sind sofort festzunehmen.<br />
Verstärkte Aufmerksamkeit ist vor allem bei den Händlern Keriam, Basfer und Olpys geboten.<br />
Rühren und wegtreten!“<br />
Die Einheit war gerade dabei Gruppenweise den Hof zu verlassen, Chatsar und der Rest seiner<br />
Gruppe war auf dem Weg in die Quartiere, als Gehrfol rief:<br />
„Feldwebel Hlac! Ich möchte Euch in meiner Stube sehen!“<br />
���<br />
Chatsar ging durch die Gänge der Kaserne, er war auf dem Weg zu Gehrfols Stube. Bereits jetzt<br />
wußte Chatsar, um was es bei dem Besuch gehen würde. Er ließe es am Einsatz mangeln, die früher<br />
vorhandene Begeisterung sei nicht mehr zu sehen, und so weiter und so fort. Chatsar wußte, woran es<br />
lag, doch genauso deutlich wußte er, daß er Gehrfol den Grund nicht nennen konnte.<br />
„Feldwebel Hlac. Hauptmann Gehrfol wünscht mich zu sprechen.“<br />
Chatsar trat an den Tisch heran, der vor der Stube Gehrfols stand und meldete sich ordnungsgemäß<br />
beim Unteroffizier an, der hier zur Zeit Dienst hatte. Die Frau blickte auf, nickte und trug Chatsar in<br />
das Besuchsbuch ein. Chatsar selbst trat an die Tür und klopfte laut an die Tür. „Ja, ja, herein!“<br />
Chatsar öffnete die Tür, trat ein und schloß sie wieder, Gehrfol blickte ihn bereits erwartungsvoll an.<br />
„Ah, Chatsar, da seid Ihr ja. Bitte nehmt Platz.“<br />
Chatsar grüßte und setzte sich dann auf einen der Holzsessel vor Gehrfols penibel aufgeräumten<br />
Schreibtisch.<br />
„Chatsar, wahrscheinlich wißt Ihr bereits, warum ich Euch hergebeten habe. Ihr macht mir Sorgen.<br />
Wo ist bloß Euer Einsatz und Eure Begeisterung geblieben, die Ihr jahrelang gezeigt habt? Wo die<br />
Bereitschaft, sich zum Wohle der Stadt aufzuopfern? Könnt Ihr es mir erklären?“<br />
Chatsar schüttelte leicht mit dem Kopf, das Gespräch verlief wie vermutet.<br />
„Ich jedenfalls kann keine Erklärung finden, genausowenig wie Euer Vater. Den Dienst, den Ihr zur<br />
Zeit ableistet, reicht gerade noch so aus, um keine Maßnahmen ergreifen zu müssen, aber Ihr wollt<br />
doch nicht ewig Feldwebel bleiben? Nicht bei so einem Vater! Ich verlange, daß Ihr jetzt rausgeht und<br />
endlich wieder so Euren Dienst leistet, wie Ihr es jahrelang getan habt. Für die Stadt, für mich, für<br />
Euren Vater und vor allem für Euch. Falls Ihr es nicht tut, fürchte ich, wird unser nächstes Gespräch<br />
nicht mehr so freundschaftlich ausfallen. Habe ich mich klar ausgedrückt?“<br />
Diesmal nickte Chatsar, erhob sich, grüßte wortlos und verließ die Stube.<br />
-5-<br />
Keriam hatte reagiert, heute liefen je zwei Söldner gleichzeitig um das Grundstück und auf dem<br />
Grundstück selbst waren wahrscheinlich auch mehr Wachen unterwegs. Außerdem brannten an<br />
einigen Stellen große Fackeln, um den Garten auszuleuchten. Auch die Stadtwache war heute viel<br />
öfter unterwegs, ständig tauchten Patrouillen auf, die auch tatsächlich den Eindruck machten, als<br />
hielten sie Ausschau nach Verdächtigen, und nicht, wie sonst, einfach nur durch die Straßen<br />
marschierten.<br />
Doch das war alles zu erwarten gewesen und kein Grund, nicht mit dem Plan fortzufahren, zumal die<br />
Monde wieder günstig standen. Die schwarze Figur löste sich aus dem Schatten des Baumstammes,<br />
kletterte den Ast entlang, bis sie die Mauer erreichte und ließ sich darauf hinabgleiten. Dann schaute<br />
sie sich in alle Richtungen um, doch es waren weder Stadtwache noch Söldner zu sehen. Leise und<br />
geschickt sprang sie von der Mauer, rannte über die Straße, sich nicht um die Spuren im frisch<br />
gefallenen Schnee kümmernd, und kletterte auf Keriams Grundstücksmauer. Sie schaute sich zunächst<br />
um und lauschte, bevor sie hinabsprang und in Richtung Haus lief.<br />
Auch hier hinterließ sie leichte Spuren im Schnee, doch waren die kaum zu sehen, da die Söldner auf<br />
ihren Rundgängen die Wege mit Stiefelabdrücken überseht hatten. Die Figur versuchte, die von<br />
Fackeln ausgeleuchteten Bereiche, so gut es ging zu umgehen, doch gelang es nicht immer. An diesen