Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Spiel - Thomas Peter Goergen<br />
kurzer Hand fest, und nun war es an Parcesastre zu nicken: „Inwieweit das natürlich ist“, bemerkte er<br />
höflich, „mag dahingestellt sein, doch es ist wahr, ich danke der Nachfrage.“<br />
Larkur musterte ihn noch einen Moment, dann kehrte er sich auch schon ab: „Ihr müßt verzeihen“,<br />
sagte er in der Bewegung. „Der Gaul ist wohl verrückt geworden - kaum daß das Tor auf war, warf er<br />
den Reiter ab und ging durch - ein anderer“ - ein prüfender Schulterblick zu Parcesastre - „hätte an<br />
Eurer Stelle vielleicht weniger Glück gehabt...“ Der Totengräber blieb unbewegt.<br />
Larkur hielt inne, schien nachzudenken: „Wie dem auch sei, es war jedenfalls knapp genug!“ Damit<br />
wandte er sich endgültig zum Gehen. Er hatte einen Wachposten zu befehligen. Ein paar harsche<br />
Worte zu seinen Männern, Anweisungen, das Pferd zurückzuholen...<br />
„Indultassi, Herr Hauptmann!“<br />
Larkur dreht sich (deutlich angestrengt) langsam wieder um, und auch das Reden der nahestehenden<br />
Soldaten flaute ab: „Was sagt Ihr?“<br />
Parcesastre zuckte mit den Achseln. „Meines Wissens nach kehren ausgebildete Rösser wie die Euren<br />
doch immer in ihren Stall zurück, wenn ihnen der Weg bekannt ist!“<br />
Er wolle sich lustig über ihn machen! Der Hauptmann schnitt dem Totengräber das Wort ab:<br />
„...natürlich kennt das Luder den Weg, es ist ihn ja gerade 'durchgegangen', aber - das zum ersten, das<br />
Tier ist irre...“<br />
„Hauptmann!“ Larkur fuhr aufs neue herum (allmählich war durch das Hin- und Her die Grenze<br />
seiner Geduld erreicht). „Hauptmann, seht!“<br />
„Bei der silbernen - Verdammnis, was zum...“ Da war das Pferd. Da war es. Allmählich zurückgetrabt,<br />
stand es nun bei den Männern am Tore, warf ungeduldig den Kopf zurück und schnaubte<br />
weißen Dampf in die Nacht: „Hauptmann“, der Mann, ein Rekschat, nähert sich vorsichtig dem Tier,<br />
klopfte ihm, ganz ergriffen, den Hals, die Flanke, „es ist wieder da...“<br />
Larkur verzog keine Miene. Er hörte noch die leidenschaftslose Stimme des Mannes mit der weißen<br />
Strähne: „Das Tier - ist unschuldig, Hauptmann. Und es hat seinen Zweck - nicht erfüllt!“ Dann,<br />
Larkur wußte es, war der Totengräber in der Nacht verschwunden.<br />
Die Kerze war längst verloschen, längst dämmerte die Kammer einzig in dem bläulichen Zwielicht<br />
des Steins. Aber das Licht war schwächer geworden. An seinen Grenzen fraßen sich die Schatten der<br />
natürlichen Nacht immer weiter auf den Tisch zu.<br />
Die Augen glänzten in Wut.<br />
Nutzlos vertan schon auch der zweite Versuch, der Springer, abgeschlagen, nunmehr ohne Wert...<br />
Das war bitter, aber lehrreich zugleich. Der Hai ist ein Jäger, er jagt mit Bedacht.<br />
Ihm wird nichts entgehen. Er wird siegreich sein.<br />
Parcesastre erreichte die Brücke. Vor ihm lauerte das grob gemauerte Haus der Wache, darin der<br />
Torbogen wie eine gähnende Höhle, fahl beleuchtet von den knisternden und in der feuchten Kälte<br />
pfeifenden Fackeln. Ein leichter Schneewind schlierte aus der schwarzen Höhe der Nacht.<br />
Der Brückenposten war um diese Stunde verwaist; nur einzelne Soldaten stapften unruhig, frierend<br />
umher.<br />
Der Totengräber näherte sich dem nächsten Matjek, der gerade leise über irgendetwas in den filzigen<br />
Mantelkragen schimpfte, fingerte in seiner Tasche nach dem Wegeschein und förderte diesen auch,<br />
just als er vor dem Posten zum Stehen kam, hervor und dem Manne unter die Nase.<br />
Der Matjek hatte keinen guten Tag gehabt. Die übliche Plage mit einem gelbäugigen Hauptmann, der<br />
an Griesgrämigkeit sogar ihn selbst zu übertreffen fähig, sturer noch als Niklion gewesen war.<br />
Dienstpläne, Mannschaftsbericht, und wieder Dienstpläne. Als gelte es den Dienst für das nächste<br />
Jahrhundert durchzuplanen. Was für ein Aas.<br />
Der Matjek fror, wollte nach Hause und verfluchte wechselnd den Hauptmann, das Wetter, die<br />
unsinnige Vorstellung seines Vaters, er müßte unbedingt zu den Stadtwachen gehen. Das lag jetzt<br />
auch schon sechs, sechs ganze Jahre zurück. Der Gedanke besserte seine Stimmung ganz und gar<br />
nicht.<br />
Der Wegeschein des Fremden war in Ordnung, daran ließ sich auch durch gleich mehrfache Überprüfung<br />
nichts ändern. Was soll´s. <strong>Mantow</strong>in hatte ihm halt keinen gesandt, an dem er seine schlechte<br />
Laune hätte scheuern können. Und überhaupt: jetzt sich darüber Gedanken zu machen, wie er anderen<br />
das Leben schwer machen solle...<br />
„Hier“, sagte er nur und reichte das Papier zurück. Dann winkte er den Mann im Kapuzenmantel<br />
weiter; seufzte, als dieser den Torbogen durchschritt. Gute Nacht. Er blickte nicht hinterher.