Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Der Ruf des Falken - Claudia Wamers * Jürgen Nilkens * Oliver Nothers * Robert Symons<br />
Ich lief auf das Schlachtfeld hinaus, wich Kämpfenden aus und hastete zu dem alten Mann, oh ich war<br />
voller Wut, voller Zorn und Schmerz. Ein alter Mann, der niemandem etwas getan hatte, der nur<br />
einem Verletzten helfen wollte. Der Hauptmann hatte übrigens einen bösen Hieb in die Schulter<br />
abbekommen, er sah sowohl Tagrianus als auch mich schmerzerfüllt und zugleich traurig an. Ich warf<br />
mich neben ihnen in den Schnee, der sich immer mehr dunkel färbte vom Blute Tagrianus. Ich sah den<br />
Speer in dessen Rücken, sah die Spitze vorne herausgetreten, kaltglitzernd rot, und ich wußte ich<br />
konnte nichts für ihn tun. Könnt ihr euch vorstellen, welche Wut ich da empfand? Welche Wut auch<br />
auf mich, daß ich nichts tun konnte? Diese Hilflosigkeit schmerzte so sehr, beinahe glaubte ich, den<br />
Speer selber im Rücken zu haben. Dann verschwamm das Bild mir vor den Augen, Wellen von Rot,<br />
von Schwarz, Heiß und Kalt überkamen mich, und ich merkte nur noch, wie ich vornüber in den<br />
kühlen, alles verdeckenden Schnee sank.“<br />
Caerlissa pausierte eine Weile und betrachtete in Erinnerung versunken die Maserung der Tischplatte.<br />
Stille herrschte in der Hütte, niemand sagte etwas, niemand rührte sich. Nur die alte Jakla in ihrem<br />
Stuhl, sie nickte wissend und mit Trauer im Blick; Sie hatte einst auch einmal dieses Gefühl gekannt,<br />
sich hilflos etwas gegenüber zu sehen, daß so viel gewalttätiger ist als alles, was man sich bislang<br />
hatte vorstellen können. Caerlissa nahm einen Schluck Tee, räusperte sich und sprach weiter. Vor<br />
allem weil Lianna so aussah, als würde sie gleich zu drängeln beginnen.<br />
„Nun, wie ich zu Beginn schon sagte erwachte ich in einem Lazarettbett, nicht mehr wissend, was mir<br />
widerfahren war. Langsam erinnerte ich mich dann wieder an alles, was ich euch auch schon über die<br />
Schlacht berichtete.<br />
Am nächsten Morgen, zwischenzeitlich war ich wohl wieder eingeschlafen, fanden sich drei<br />
Menschen an dem Bett ein. Zuvorderst erblickte ich eine Frau in den Gewändern der Astanaciner,<br />
dahinter sah ich den Hauptmann mit bandagierter Schulter und - Tagrianus! Ihr könnt euch mein<br />
ungläubiges, freudiges Staunen nicht vorstellen. Bevor ich jedoch auch nur eine Frage stellen konnte,<br />
erklärte mir die Astanacinerin, was sich an jenem Schlachtentage zugetragen hatte. Doch was ich<br />
hörte vermochte ich, obwohl ich es gerne wollte, kaum zu glauben.<br />
Die Frau, ihr Name war Nashina Asaman, eine Kasralitin, berichtete mir, daß sie gesehen habe, wie<br />
ich auf die beiden zugelaufen und neben ihnen in den Schnee gestürzt wäre. Was sie daraufhin noch<br />
gesehen hatte, und wovon sie dann berichtete, glaubte ich ihr erst, als ich mir in einem Spiegel ansah,<br />
was sich unter den Verbänden auf meinem Rücken und meiner Schulter verbarg. Nashina sah<br />
nämlich, wie sich die Wunden der beiden Männer langsam aber sicher zurückbildeten - unglaublich<br />
aber wahr. Der Speer wurde aus Tagrianus' Wunde herausgezogen wie von unsichtbarer Hand, die<br />
Blutung hörte auf und die Wunde wurde kleiner und kleiner, bis schließlich zarte, rosa Haut durch den<br />
Riß in seinem Gewand schimmerte. Nashina lief auf uns zu, so schnell sie nur konnte. Niemand wagte<br />
die Astanacinerin zu behindern. Im Näherkommen beobachtete sie, wie das Phänomen auch bei dem<br />
Soldaten auftrat. In sekundenschnelle war sie nun bei uns dreien. Sie war gerade noch rechtzeitig, um<br />
zu bemerken, was während der wundersamen Heilung mit mir geschehen war...<br />
Ich weiß nicht wie es geschehen konnte, aber in meinem unbändigen Wunsch zu helfen hatte ich<br />
meine Lebenskraft auf die Verletzten übertragen und damit ihre Wunden auf mich gezogen. In dem<br />
Augenblick wo sich Tagrianus und des Hauptmannes Verletzungen schlossen, brach eine Wunde in<br />
meinem Rücken auf und eine in meiner Schulter, die den vorherigen Verletzungen aufs Haar glichen!<br />
Astanace sei Dank, daß Nashina bereits lange genug Heilerin war, sie erkannte dieses Phänomen<br />
sofort. Sie hat dafür gesorgt, daß ich nicht dort im blutigen Schnee starb.“<br />
Zhoreena nickte zustimmend, sie hatte auf ihren Reisen schon von solchen Ereignissen gehört, es war<br />
eine machtvolle Fertigkeit, die viel Kraft und Disziplin verlangte.<br />
„Nashina hat mir dann erklärt, daß dieses Ereignis eigentlich ein Wunder Astanaces gewesen sei, und<br />
ich großes Glück gehabt hätte. Normalerweise ist es nur erfahrenen Priesterinnen möglich, solche<br />
Verletzungen auf die von mir unbewußt durchgeführte Art und Weise zu heilen - denn Astanace<br />
nähme die Verletzung von der Priesterin, wie diese sie von dem Verwundeten genommen hätte. Und<br />
wenn Nashina nicht dort gewesen wäre um mir zu helfen, wer weiß? Es war etwas viel für einen Tag,