Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Schattenspiele - Claudia Wamers<br />
„Was soll es schon geben, mach die Tür auf! Die Frau braucht Hilfe, ein Überfall, sie hat einen<br />
Bolzen in der Schulter, schnell!“ Bercan dauerte alles zu lange, viel zu lange. Shirinn wurde immer<br />
stiller, murmelte auch nicht mehr vor sich hin.<br />
„Aber, mitten in der Nacht, wer seid ihr..“, der Alte wurde rüde unterbrochen.<br />
„Das ist doch wohl sch...egal, mach die verdammte Tür auf oder, ich schwöre dir, ich werde diese<br />
eure Tür eigenhändig einreißen, und erst bei eurer Hundehütte damit aufhören!“<br />
Die Klappe in der Türe wurde hart zugeschlagen - Bercan stand vor der geschlossenen Tür und wollte<br />
es nicht glauben. Dann, kurz bevor er die Türe wirklich und wahrhaftig eintreten wollte, da hörte er<br />
einen Riegel scharren und ein Spalt tat sich auf.<br />
Bercan drängte sich herein und zwischen zwei alten Männern hindurch.<br />
„Wohin?“, fragte er knapp und blickte sie fragend an.<br />
„Hier, hier entlang.“ Ein grauhaariger Mann in einem einfachen Gewand führte ihn in eine Kammer<br />
hinein. Dort legte Bercan die Frau auf eine Pritsche und trat zur Seite. Jetzt konnte er nichts mehr tun.<br />
Die Einsiedler schoben ihn aus der Kammer hinaus.<br />
Dort stand er nun vor der Türe, immer noch das Bündel in der Hand, das er Shirinn aus den<br />
verkrampften Händen gelöst hatte. Nun, die Männer dort würden hoffentlich wissen, was jetzt zu tun<br />
sei. Er ließ sich neben der Tür auf die Holzbohlen nieder und schloß die Augen. Nur für einen kurzen<br />
Moment die Augen schließen, einen kurzen Moment nachdenken über das, was geschehen war, nur<br />
einen kurzen Moment...<br />
Als man ihn weckte standen die Monde nicht mehr, es war der nächste Morgen.<br />
���<br />
Bercan schreckte auf, er war eingeschlafen und man hatte ihn, unter einer warmen Decke, einfach<br />
weiterschlafen lassen. Das konnte doch nur bedeuten... Er warf einen hoffnungsvollen Blick in das<br />
Gesicht des Einsiedlers, der ihn geweckt hatte. Dieser allerdings schüttelte den Kopf.<br />
„Ihr Zustand hat sich nicht verschlechtert - bis nun, zum Sonnenaufgang. Die Schußwunde ist wohl<br />
nicht so schlimm, aber es war etwas böses an dem Bolzen, mehr als nur Gift. Sie hat ruhig gelegen bis<br />
die ersten Strahlen der Sonne durch das Kammerfenster fielen, dann begann sie wieder zu fiebern und<br />
zu phantasieren. Darum... wecke ich euch jetzt, kommt herein in die Kammer.“<br />
Der Mann führte Bercan Tibrand in die Kammer, in der man Shirinn während der Nacht<br />
untergebracht hatte.<br />
Sie lag auf einer einfachen Pritsche auf einer gewebten, wollenen Decke. Man hatte ihr den Mantel<br />
abgenommen und auch das blaue Haarband gelöst. Der große Stein daran schimmerte viel zu bunt<br />
neben ihrer blassen schmalen Hand. Ihr Gesicht war von dunklen Schatten durchzogen und das rote<br />
Haar klebte in ihrer schweißnassen Stirn. Ihr Atem ging sehr unregelmäßig und schwer, ihre<br />
Augenlider flatterten und auch ihre Hände fuhren ziellos über die Wolldecke, als wären sie auf der<br />
Suche nach etwas.<br />
Sie schien sprechen zu wollen, Bercan trat auf die auffordernde Geste des Heilers näher heran und<br />
kniete sich neben die Lagerstatt. Er bemühte sich sehr, etwas von ihren Worten zu verstehen.<br />
„Geh..., geh nach Kar'Yatan... Versprich'... Kar'Yatan und helfen... Stab gegen ihn...“<br />
Kar'Yatan - das war das Dorf von dem sie ihm erzählt hatte, in dem die Leute verschwanden. Er sollte<br />
an ihrer Stelle zu dem Dorf, für sie? Wollte sie nicht zuerst nach <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong> und dort irgend<br />
jemandem...<br />
„..in Acht vor Dorgen... Dorgen Achadin.... böse, hilf mir... versprich... Bring den Stab erst zu<br />
Großmutter..“, ihre Stimme wurde schwächer.<br />
Man sah ihr an wieviel Energie es sie kostete, ihre Gedanken auf ein Ziel zu richten und die Worte zu<br />
sprechen. Wieder fuhren ihre Hände über die Decke, suchend. Bercan reichte ihr seine linke Hand,<br />
unbewußt hielt er in der Rechten noch immer dieses seltsame Paket in der Hand. Das mußte der<br />
Stab...<br />
Plötzlich wurde seine Linke fest gedrückt, woher Shirinn jetzt noch diese Kraft nahm war Tibrand ein<br />
Rätsel. Sie setzte sich auf dem einfachen Lager auf, richtete den Blick ihrer vom Fieber glasigen<br />
Augen auf ihn, durchbohrte ihn fast mit diesem Blick, und drückte dabei seine Hand fest auf die<br />
Pritsche. Der Stein in ihrem Haarband darunter schnitt ihm fast in die Hand, aber das war jetzt<br />
nebensächlich. Viel wichtiger war, daß sie seinen Blick gefangen hielt, und mit fester Stimme sprach.