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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Ein Eimer Bier und andere Verrücktheiten - Dietmar Cremers<br />

„Ich brauche noch meine Sssachen“, sagt das Echsenwesen Srrszzir im Vorraum und öffnet eine Luke<br />

im Boden, die die Anderen noch nicht bemerkt haben. „Diessse Trottel sssind sssich ihrer Sssache<br />

ssso sssicher, dasss sssie sssich noch nicht einmal Mühe gaben ihr Versssteck zzzu verbergen.“ Die<br />

Luke ist groß genug, das er in den Raum darunter gelangen kann. Sichtlich erfreut greift sich Srrszzir<br />

einen großen Kriegshammer aus einem Regal. „Was ist da noch?“, ruft Nurin hinunter. „Ein<br />

grössserer Sssack und eine Truhe. Sssie issst mit Eisssenbändern umwickelt. Darin poltert etwasss<br />

von innen gegen den Deckel. Esss will herausss.“ - „Mein Knochen!“, schreit Den. „Brich’ die Truhe<br />

auf!“ - „Hab’ nicht bemerkt, dasss Euch einer fehlt.“ Mit der Kraft eines Berserkers beginnt der Echs<br />

auf die Bänder einzuschlagen.<br />

Mit gewaltigem Knirschen und Quietschen wird eine Tür geöffnet. Eine Anzahl Leute strömt aus dem<br />

Haupttrakt der Lyzeum herein. Eine Handvoll Männer und Frauen, mit Schleudern bewaffnet. Ein<br />

paar gelehrt aussehende Burschen, ängstlich im Hintergrund. Doch allen voran: der, den sie<br />

„Großmeister“ nennen. Der Hohepriester! Und er sieht keineswegs ängstlich aus, oh nein! Er wirkt<br />

vielmehr ... müde. Er stellt eine so aufreizende Gelassenheit zur Schau, daß Den unwillkürlich einiges<br />

von seiner Selbstsicherheit verliert. Zusammen mit Aljuscha und Nurin zieht er sich knurrend vor dem<br />

Pulk der Gegner zurück. Bis er in seinem Rücken etwas Festes fühlt: die Glasscheibe, dieser verhaßte<br />

Ausgang, und doch kein Ausweg.<br />

Nur ein Blick und der Großmeister Dot Ikam Matulek hat die Situation erfaßt. Nicht umsonst ist er der<br />

Leiter der Lyzeum, der Mann ist seine Macht und seine Verantwortung gewohnt. Und schnelle<br />

Entscheidungen: Mit einem leichten Kopfnicken befiehlt er einem seiner Helfer, die Klappe zum<br />

Lagerraum zu schließen und sich darauf zu stellen. Srrszzir sitzt in der Falle! Die anderen<br />

Bewaffneten verteilen sich im Raum und bilden eine geschlossene Linie mit dem Großmeister im<br />

Mittelpunkt. In ihren Schleudern, die sie drohend erheben, stecken unscheinbare, eiserne Pfeilspitzen<br />

- tödliche Geschosse. Eine Flucht ist unmöglich: Die Linie der Widersacher zieht sich enger um die<br />

Drei herum. Dahinter hört man den Echs unter der Luke poltern.<br />

Der Priester spricht. Aus seinem behäbigen Gesicht tropfen die Worte wie süßes Gift: „Sieh einer an,<br />

das Tier zappelt noch. Und Ihr, Herr Barde? Seid Ihr sicher, daß Ihr in der Welt dort draußen<br />

zurechtkommt? Und, oh, meine liebe Aljuscha! Wollt Ihr nicht lieber zurück in Euer Bettchen. Ihr<br />

habt doch jetzt Euren Spaß geha...“<br />

Der Priester spricht nicht mehr. Statt dessen macht er ein erstauntes Gesicht und fällt dann langsam<br />

und sehr steif vornüber.<br />

Die Luke ist aufgesprungen. Der Mann, der auf ihr stand, wird gegen eine Wand geschleudert und<br />

bleibt ohnmächtig liegen. Etwas zischt durch die Luft und trifft direkt auf den Hinterkopf des<br />

Großmeisters. Das scheint keine böse Absicht zu sein: Der Kopf befindet sich einfach nur direkt im<br />

Weg des Knochens zu seinem rechtmäßigen Platz in Den’s Haar. Hinterdrein kommt ein wild um sich<br />

schlagendes Echsenwesen.<br />

Die Linie der Bewaffneten hat sich aufgelöst. Dennoch gelingt es Zweien ihre Schleudern<br />

einigermaßen gezielt abzufeuern. Eine Pfeilspitze prallt an Srrszzir’s dicken Schuppen ab, die andere<br />

schwirrt dicht an seinem Kopf vorbei. Doch ist der Kampf noch längst nicht entschieden: Die Feinde<br />

beginnen sich wieder zu formieren, sie ziehen bedrohliche Schwerter. Den zieht seinen geliebten<br />

Knochen aus dem Haar und stößt Aljuscha mit dem Ellbogen an: „Wär’ verdammt gut, wenn du jetzt<br />

das Wort sagen könntest.“ Aljuscha schaut verängstigt: „Du weißt doch ...“ Aber Den läßt das nicht<br />

gelten und schreit sie an: „Verflucht Aljuscha! Wahre Macht, echte Stärke hängt nicht von einem<br />

einzelnen Wort ab. Macht kann dir niemand geben oder nehmen. Sie kommt aus dir selbst. Aus<br />

deinem Bewußtsein, daß du jemand bist. Du mußt an dich glauben, Aljuscha! Und jetzt ... sag’ ‘was!“<br />

Und Aljuscha sagt ‘was. Doch noch im selben Augenblick wird ihr Wort übertönt von den Schreien<br />

und quiekenden Geräuschen ihrer Gegner. Sie greifen sich an den Hals, doch da ist kein Hals mehr.<br />

Sie lassen die Schwerter fallen und gehen auf allen Vieren zu Boden. Ihre Kleider werden ihnen zu<br />

groß und sie springen auf ihren kleinen Haxen heraus. Ihre winzigen Schweinsäuglein werden zu<br />

riesigen Scheiben, als sie entsetzt auf ihre Ringelschwänzchen blicken. Dann wirbelt der ganze<br />

Haufen auf dem Absatz, nein, dem Huf herum und rennt in Panik zur Tür hinaus.

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