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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Der Ruf des Falken - Claudia Wamers * Jürgen Nilkens * Oliver Nothers * Robert Symons<br />

Zauberkraft der Schamanin - sie heißt übrigens Rash’yira, Spricht-mit-Geistern - mittlerweile so gut<br />

kannte, als hätte ich fünf Jahre bei einem Kai gelernt, unterhielten wir uns recht angeregt. Ich erzählte<br />

von <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>, von meiner Kindheit und meiner Jugend hier, von euch und den Falken. Torrik<br />

erzählte mir von der Geschichte der Kai im allgemeinen und der Molekkai im speziellen, von den hin<br />

und wieder auftretenden Scharmützeln mit den Hallakinen und vom Leben in den kalten Steppen und<br />

im ewigen Eis des Nordens. Und weil wir alle so aufgekratzt waren und partout nicht müde wurden,<br />

erzählten wir bis in die frühen Morgenstunden. Dabei erfuhr ich auch, daß Torrik zum damaligen<br />

Zeitpunkt seit zwölf Jahren Witwer war - die Kai leben zwar zum größten Teil recht freizügig auch in<br />

familiären Angelegenheiten, aber wenn zwei Liebende Nachwuchs zeugen, entsteht ein Bund, der<br />

noch tiefer geht als eine Ehe zwischen zwei Menschen und der dann wirklich ein Leben lang hält.<br />

Torgs Mutter Valima war zwei Jahre nach seiner Geburt bei einem Überfall Hallakinischer Räuber<br />

von einem vergifteten Pfeil in den Rücken getroffen worden und starb binnen Sekunden. Seitdem<br />

hatte Torrik keine Gefährtin mehr gehabt, und er widmete sich ganz seinem Sohn. Die Gefühle, die<br />

bei dieser Erzählung in Torriks Stimme mitschwangen, trafen mich wie ein Schlag. Soviel unendliche<br />

Liebe für seine verstorbene Gefährtin und seinen Sohn, von einer geradezu kindlich-naiven Reinheit.<br />

Ich glaube, von dem Moment liebte ich Torrik. Plötzlich ergriff er meine Hand, Torg war inzwischen<br />

am Feuer eingeschlafen, und führte mich zu einer Pferdekoppel.<br />

‘Ich habe mich noch gar nicht richtig für das Leben meines Sohnes bedankt’ sagte er und führte mich<br />

weiter zu einem dreijährigen Fohlen, einem herrlichen Schimmelhengst.<br />

‘Das ist der Sohn meiner besten Stute Sutra. Er soll dein sein!’ Damit führte er das Fohlen zu mir.<br />

Danach erlebte ich zum zweiten Mal in kurzer Zeit die Macht der Magie: Der junge Hengst trat an<br />

mich heran und legte seine Stirn an meine - und wieder verspürte ich diesen Blitz, wie bei der<br />

Gedankenverschmelzung mit Rash’yira.<br />

‘Nun seid ihr auf ewig miteinander verbunden. Wisse, Leandra, daß die Pferde der Kai so etwas wie<br />

ihre spirituellen Brüder sind, die selbst der Tod des einen nur solange trennen kann, wie der andere<br />

noch lebt. Treffen sich beide im Reich der Toten wieder, so verschmelzen sie zu einem Wesen, wie<br />

Zentauren. Daher stammen auch die Legenden von diesen Mann-Pferden, die ab und an in den<br />

Träumen auch der Menschen auftreten. Nun gib ihm einen Namen, und zwar den ersten, der dir<br />

einfällt, jetzt wo die Verbindung noch neu ist!’<br />

Ich konnte nur sagen ‘Morlan’, und ich hörte in meinem Geist ‘Leandra’. Seitdem verstehe ich mich<br />

mit Morlan, als wären wir ein Wesen.“ Mit einem Seitenblick auf Jakla: „Die Geschichten von den<br />

Zentauren, die ich als Kind so sehr liebte, haben doch mehr Substanz, als wir damals glaubten!“<br />

Leandra goß sich von dem Wein nach, denn ihren Becher hatte sie Verlaufe der Geschichte ganz<br />

ausgetrunken.<br />

„Und? Wie war das mit dir, deinem Ehemann und deinem Sohn?“ platzte Lianna heraus. „Scht,<br />

Kätzchen“ zischte Wingart, „laß Leandra erstmal einen Schluck nehmen!“<br />

„Eben“, erzählte Leandra weiter, „dazu komme ich jetzt! Dieses Geschenk von Torrik war das<br />

schönste, was mir je passiert ist - und das gilt auch jetzt noch. Als er direkt danach zu seinem Zelt<br />

zurückging, folgte ich ihm. Er hatte gerade Torg hineingetragen und zugedeckt, als ich eintrat. ‘Das ist<br />

das schönste, was mir je passiert ist. Danke, Torrik!’ sagte ich. Als er etwas erwidern wollte, legte ich<br />

ihm die Hand auf den Mund und umarmte ihn dann. Dabei legte ich meinen Kopf an seine Brust - er<br />

ist immerhin einen Kopf größer als ich - und drückte ihn. Irgendwie war mir so seltsam zumute, und<br />

es erschien mir nur natürlich, ihn zu umarmen. Wie von selbst schlossen sich auch seine Arme um<br />

mich, und wir standen vielleicht eine halbe Stunde einfach nur da und genossen dieses warme, zarte<br />

Gefühl. Irgendwann fragte ich ihn, ob man bei den Kai sich auch küssen würde, und als Antwort legte<br />

er seine Lippen auf meine und küßte mich, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Was wahrscheinlich<br />

daran lag, daß Torrik reifer und erfahrener als alle meine früheren Freunde war - guck nicht so,<br />

Mutter! Ja, ich war, als ich <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong> verließ, schon nicht mehr Jungfrau! Deinem Blick nach zu<br />

urteilen, weißt du scheinbar auch, warum ich das bisher verschwiegen habe.<br />

Wo war ich - ach ja! Nicht einmal sein Wolfsgebiß schmälerte diesen süßen Augenblick. Wir konnten<br />

gar nicht mehr aufhören, uns zu küssen, und dann sanken wir schließlich auf Torriks Lager und -<br />

nachdem wir uns von unseren lästigen Kleidern befreit hatten - liebten uns, bis wir bei Sonnenaufgang<br />

einschliefen, uns immer noch in den Armen haltend. Ich weiß auch nicht, irgendwie war diese

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