Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Ein Eimer Bier und andere Verrücktheiten - Dietmar Cremers<br />
hatten ihn nicht betäubt, um ihn an die Priester zu verkaufen, die ihn ihrem Gott opfern würden. Oder<br />
doch? Wollten sie nur zuerst seinen Willen brechen um ihn dann schließlich doch noch dem Feuer zu<br />
übergeben? Nun, was das anging: Sie hatten es geschafft. Aber so langsam mußten sie sich mit dem<br />
Verbrennen beeilen, denn sonst würde er noch vorher eingehen aus Mangel an ... Da, war da nicht ein<br />
Geräusch? Irgendwas hatte seine Ruhe gestört. Den dachte seinen letzten Gedanken zu Ende: „Aus<br />
Mangel an Freiheit.“ Dann erhob er sich ein wenig von dem großen Strohballen, auf dem er lag und<br />
strengte seine müden Augen an. Aus dem Halbdunkel seiner Kammer formte sich eine kleine Gestalt.<br />
Eine sehr kleinwüchsige Person offenbar, mit einem ganz undamenhaften roten Bart. Sie trug eine<br />
zerfetzte grüne Robe, auf der einige goldene Symbole aufgestickt waren. Sie waren teils verblaßt, teils<br />
abgerissen und ergaben für Den keinen Sinn. Ihr Alter war schwer zu schätzen, aber sie schien noch in<br />
recht jungen Jahren zu sein, wenn man von ihren vorzeitig ergrauten Haaren absah. Das<br />
merkwürdigste für Den war jedoch ein verbeulter, sehr spitz zulaufender Hut aus dem gleichen<br />
Material ihres Gewandes, den sie etwas schief auf dem Kopf trug. „‘N schöner Hut“, brummelte Den<br />
matt. Die Kleine trat an ihn heran, so daß er aus seiner Position ein wenig zu ihr aufsehen mußte. Sie<br />
stemmte die Hände in die Seiten. „Allerdings“, verkündete sie mit lauter Stimme. „Das ist ein<br />
Zauberhut. Ich bin nämlich eine große Zauberin. Klar? Und meine Name ist Aljuscha.“ - „So so, ‘ne<br />
Zauberin bist du. Hab’ noch nicht viele gesehen.“ Den setzte sich zurück und lehnte sich an die<br />
feuchte Mauer. Aljuscha, die es anscheinend nicht leiden mochte, daß Den jetzt wieder größer war als<br />
sie, kletterte auf den Strohballen und baute sich über seinen ausgestreckten Beinen auf. „Das glaubst<br />
du wohl nicht, was?“ - „Was meinst du?“, fragte Den, ehrlich erstaunt. „Na, daß ich eine Zauberin<br />
bin!“, schnaubte Aljuscha. „Doch klar“, meinte Den. „Das sieht man doch schon auf den ersten Blick.<br />
Willst du mich jetzt verzaubern? Denn genau gesagt hätt’ ich davor ziemliche Angst.“ Das stimmte<br />
tatsächlich. Den hatte bis jetzt mit Magie aller Art nur sehr wenig anfangen können. Und Zauberer<br />
waren für ihn unberechenbare, suspekte Persönlichkeiten. Aljuscha legte den Kopf so schief, daß ihr<br />
Hut beinahe herunterfiel und sah ihn aus kleinen Augen nachdenklich an. „Das glaubt mir hier<br />
eigentlich niemand. Und das, obwohl ich bei einem Ball des alten Erzfeld gleich drei Menschen<br />
Froschköpfe angezaubert habe.“ Ihre Stimme wurde etwas leiser. „Das war, kurz bevor sie mich<br />
hierhergebracht haben. Hm, naja, aber dich werde ich wohl nicht verzaubern.“ - „Das ist aber nett von<br />
dir“, meinte Den freundlich. Doch Aljuscha ließ die Arme hängen und machte ein trauriges Gesicht.<br />
„Tatsache ist, daß ich’s gar nicht könnte. Sie haben mich aller Fähigkeiten beraubt. Ich mache zuviel<br />
Unfug, haben sie gesagt. Stell’ dir das ‘mal vor, nur wegen ein paar Froschköpfen!“ Den machte ein<br />
bedauerndes Gesicht. „Und du wirst nie wieder zaubern können?“ Die Miene des Persönchens hellte<br />
sich etwas auf. „Doch, bestimmt. Und dann werde ich es ihnen allen schon noch zeigen. Es gibt da<br />
dieses Wort, das Wort der Macht. Ich brauche es nur zu sagen und ich kann wieder alles wie vorher.“<br />
- „Na prima“, strahlte Den. „Warum sagst du’s dann nicht einfach, damit ... hm ... du’s ihnen allen<br />
zeigen kannst?“ Aljuscha drehte den Kopf zur Seite und gab kleinlaut zu: „Naja, weil ... äh ... weil ich<br />
es eben vergessen habe.“<br />
An das Ende seines Gespräches mit Aljuscha konnte sich Den nicht mehr erinnern, er mußte<br />
eingeschlafen sein. Als er wieder erwachte, fiel ein dünner Streifen Sonnenlicht in seine karge Zelle.<br />
Also mußte es wohl stimmen, was ihm die ehemalige Magierin noch erzählt hatte: Er lag nicht in<br />
irgendeinem düsteren Kerker, sondern im ersten Stock eines Turmes, der wiederum ein Teil eines<br />
größeren Gebäudekomplexes war. Den wußte nicht, daß er sich im Nachtturm der Anstalt für geistig<br />
Kranke befand. Aljuscha hatte es „Lyzeum“ genannt, doch dieses Wort bedeutete ihm nichts. Dem<br />
Klang nach bestärkte es eher Den’s schlimmste Befürchtungen: Es mußte eine Art Tempel sein und<br />
gleich würden die Priester kommen um ihn ihrem gräßlichen Dämon zu opfern. Und richtig: Wie auf<br />
einen stummen Befehl hin öffnete sich die schwere Tür und ein dicklicher Mann in einer<br />
dunkelblauen Robe betrat den Raum, gefolgt von drei grimmig dreinschauenden Spießgesellen. Die<br />
seltsamen Runenstickereien auf der Robe und die Größe ihres Trägers vervollkommneten das diffuse,<br />
von Angst gezeichnete Bild Den’s: Kein Zweifel, dies mußte ein hallakinischer Priester sein, auch<br />
wenn seine Hautfarbe eher untypisch dunkel war. Jetzt galt es nur noch Haltung zu bewahren. Den<br />
richtete sich mit viel Mühe in eine gerade Sitzposition auf und starrte dem Priester offen ins Gesicht.<br />
Er hatte beabsichtigt, seine Worte tapfer herauszuschleudern, doch sie gerieten eher zu einem<br />
schwächlichen Nuscheln: „Hast mich gekriegt ... klerikaler Abschaum. Doch nur ... Körper ... nich’<br />
meine Kraft ... wann sterb’ ich ... sag’s mir ...“ Der Blaurock schien erstaunt zu sein, möglicherweise<br />
verstellte er sich aber auch nur um Den weiter zu demütigen. „Du wirst sterben, du Tier. Aber nicht so