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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Vogelfreiheit - Stephan Packard<br />

Schließlich sammelte er die Blätter ein, brachte sie in die richtige Reihenfolge und stapelte sie<br />

säuberlich auf. Dann nahm er noch einen unverbrauchten Bogen und schrieb eine Aufstellung über<br />

alle gesammelten Daten. Er machte seine Arbeit gut.<br />

���<br />

Draußen vor der Stadt lagen nur wenige Höfe; der Boden der Gunthers war keine Ausnahme, das<br />

Land war einfach nicht dazu gemacht, Getreide wachsen und Sträucher sprießen zu lassen.<br />

Statt dessen bot der Berg den Bewohnern <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>s einige reichhaltige Erzadern, und in<br />

den letzten Jahrhunderten hatten sich zahlreiche Minen tief ins dunkle Innere der Erde gegraben.<br />

Die Menschen, die hier siedelten, hatten die Erzförderung schon lange vor der Zeit dieses Staates<br />

betrieben. Einige ihrer uralten Tunnel waren noch immer in Betrieb; die meisten aber waren<br />

irgendwann aufgegeben worden. In vielen hatte sich das Erzvorkommen ganz einfach<br />

erschöpft, andere waren mit der Zeit in Vergessenheit geraten oder eingestürzt. Oder sie mußten aus<br />

ganz anderen Gründen geschlossen werden. Die alte Mine im Nordwesten bekam weder von<br />

Menschen noch von Krähen Besuch; alles Leben mied diese Stelle - mit einer Ausnahme.<br />

���<br />

Es war unklar. Hier fehlte eine wichtige Information; einer der berüchtigtsten Attentäter der<br />

Unterstadt war verschwunden, und es gab keine plausible Erklärung dafür.<br />

Natürlich konnte man im Rattenloch nicht erwarten, daß ein Mord aufgeklärt oder auch nur eine<br />

Leiche gefunden wurde; aber dieser Tak hatte offensichtlich schon mehrere Jahre lang gute Arbeit<br />

geleistet, und es war nicht einzusehen, wieso er bei einem Routineauftrag das Leben lassen<br />

sollte.<br />

Und an seiner Statt war ein neuer Assassine aufgetaucht, der sich jedoch niemals offen zeigte und<br />

einen Wirt als Agenten benutzte, um neue Aufträge zu erhalten.<br />

In dieser Stadt war Schriftverkehr nicht so häufig, wie Manyr es sich wünschte, und seine<br />

bisherigen Methoden reichten nicht mehr aus, Übersicht über alle wichtigen Vorgänge zu erhalten.<br />

Er stützte den Kopf auf die rechte Hand, während er mit der Linken in seinen unvollkommenen<br />

Aufzeichnungen blätterte. Sein Blick fiel auf die Krähe vor dem Fenster.<br />

���<br />

Eine zweischneidige Klinge, noch rot von der Glut des Feuers.<br />

Gut sah es aus, das Schwert; wie lange es halten mochte, war Lyrs Sorge nicht. Es war ein geringer<br />

Preis, den sie für ihre Waffen verlangte, und das Metall war ebenso billig.<br />

Sie stieß das Schwert kurz in das zischende Wasser. Eine Dampfwolke stieg auf und nahm ihr<br />

kurze Zeit die Sicht. Mit einer langsamen, müden Handbewegung wischte sie sich den Schweiß von<br />

der Stirn, dann ging sie zurück ins Haus. Drinnen wartete ein Kunde.<br />

Wie er die Türe geöffnet hatte, wußte sie nicht. Er saß einfach auf einem harten Holzstuhl in der Ecke<br />

des Zimmers und wartete auf die Schmiedin. Als sie schließlich kam, stand er auf und machte eine<br />

steife Verbeugung; wer hatte in der Unterstadt Zeit für solche Höflichkeiten?<br />

„Guten Morgen. Ihr seid Lyr, nehme ich an?“<br />

„Das kommt darauf an. Wer seid Ihr?“<br />

„Mein Name ist Manyr.“ Die kleine, dunkel gekleidete Person streckte ihr eine Hand entgegen.<br />

„Ich bin eine Schmiedin.“ bot Lyr an. Die Hand ignorierte sie.<br />

„Und ich bin ein Schreiber, die meiste Zeit über. Aber wenn meine Arbeit mir Platz läßt für die<br />

angenehmeren Dinge -“dann raube ich gerne junge Frauen aus, erwartete Lyr halb und wußte nicht, ob<br />

sie sich verteidigen oder laut loslachen sollte. Der Greis mit seinem Buckel und den fahrigen<br />

Bewegungen war gewiß kein Gegner für sie.<br />

„ - dann beschäftige ich mich ein wenig mit Kunst.“ Manyr ließ die Hand wieder sinken und fiel auf<br />

den Stuhl zurück.<br />

„Ahso.“ Sie atmete tief durch. „Aber ich bin eine Schmiedin. Wenn Ihr also ein Pferd beschlagen<br />

lassen wollt-“<br />

„Nein.“

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