Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Stiefkinder des Schöpfung I: Die vier Jahreszeiten - Marc Rösel<br />
Ruine, die einmal ein großer Zaubermeister war. Aber Mariannette hat ihm all seine Magie<br />
genommen.<br />
Am Anfang war die lästerliche Gier des Roten Fräuleins nach Wissen und Geheimnissen, die nicht für<br />
Menschen gedacht sind, auch dann nicht, wenn sie so mächtig sind wie eine Mariannette Flambertin.<br />
Sie schuf eine neue, eine eigene und ganz persönliche Art der Magie: Zauber, die wachsen wie<br />
Früchte oder Kristalle, daß aus einem Samen etwas Großes entsteht. Um dies zu vollbringen, tätowiert<br />
sie Kindern mit einer latenten Begabung, einem schlummernden magischen Talent, einen Spruch auf<br />
den Rücken, der von sich aus bereits mächtig ist, der aber noch weiterentwickelt werden kann, oder<br />
sie tätowiert ein Kind mit Fragmenten, Gedanken und Ideen, die vielleicht zusammenwachsen und<br />
einen völlig neuen Zauber ergeben könnten. Sodann gibt sie das von ihr präparierte Kind seinen<br />
Eltern zurück, auf daß es wachse und groß werde. Aber nur der Körper wächst, nicht sein Geist. Statt<br />
dessen wächst der Zauber auf seinem Rücken, nährt sich vom geistigen Potential des<br />
Heranwachsenden, frißt seinen Verstand, wandelt ihn um in reine Magie, die sich auf seinem Rücken<br />
manifestiert, so als würde eine unsichtbare Hand Zeichen auf seine Haut schreiben, unauslöschlich<br />
eingebrannt und durch keine Magie zu tilgen, die schwächer ist als die der Dame in Rot. Durch den<br />
saugenden Vampirismus des tätowierten Zaubers verliert das Kind nicht nur die Möglichkeit, zu<br />
lernen und sich zu entwickeln, sein keimender Verstand verfällt durch die verschlingende Kraft der in<br />
seine Seele gebrannten Magie auch einem unrettbaren Wahnsinn. Allerdings ist es dem Träger der<br />
Tätowierung nicht möglich zu sterben, denn die Macht der Roten beschützt ihn vor jeder Gefahr, und<br />
sei es der Tod durch eigene Hand oder die von Menschen, die ihn lieben und erlösen wollen. So harrt<br />
er aus, Gefangener des tätowierten Zaubers, bis der Spruch vollendet ist, dann kommt die Rote Dame<br />
und tötet ihn, schneidet den Zauber von seinem Rücken und nimmt ihn mit sich, ein neuerlicher<br />
Zuwachs ihrer verderblichen Macht.<br />
Xelesia und Absidian trachteten danach, ihren Sohn zu bewahren, ihm vielleicht sogar seinen<br />
geraubten Verstand wiederzugeben, deshalb studierten sie die Magie mehrerer Welten und auch die<br />
Kräfte des Pandämoniums, und deshalb kamen sie auch in die Pension in der Kranichgasse, denn sie<br />
wußten um die Erdkraft, die hier schlummerte, vor vielen Jahren versiegelt durch einen großen<br />
Zauberer, Amlud Inglikis, der hier gewohnt hatte und sich die Erdenergie zunutze gemacht, ehe er<br />
erkannte, daß es ihm nicht gegeben war, die zerstörerische Kraft zu bändigen, die im Erdinneren<br />
brodelte und wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch stand, ihn zu verschlingen. So belegte er den Ort<br />
mit mehreren Siegeln, bannte die Strahlung bis auf ein Minimum, und dann kehrte er dem damals erst<br />
jungen <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong> den Rücken und zog weiter.<br />
Xelesia und Absidian hatten die Siegel gebrochen und das Tor zur Erdmagie wieder geöffnet, in der<br />
Hoffnung, sich die Kraftquelle untertan zu machen und ihren Sohn erretten zu können. Aber damit<br />
handelten sie gerade als Marionetten ihrer Todfeindin, die ihre Macht auf die Erde gründet, und taten<br />
das Tor auf ins Verderben, das am Ende sie selbst und Ludomill Penhaligon verschlang. Das Übel,<br />
das darauf harrt, seinen Rachen auch um mich zu schließen.<br />
Welch ein Zauber war es, den Yalno auf seinem Rücken trug?<br />
Noch von anderen Dingen erzählt Ludomill, wenn die Nacht sich kurzfristig von seinem<br />
zerbrochenen Verstand erhebt. Bruchstückhaft nur vermag ich es zu fassen, was er in gemurmelter<br />
Litanei vor sich hinbrabbelt. Er hat Angst, soviel ist sicher. Irgendjemand, oder irgendetwas, lauert<br />
auf ihn, begierig ihn sich zu holen. Es ist nicht der Tod, den er fürchtet, sondern etwas, das er als weit<br />
schlimmer erachtet. Er spricht von einem Pakt, den er eingagangen ist, und davon, daß er ihn<br />
gebrochen hat. Oft höre ich ihn schreien oder angsterfüllt aufstöhnen, manchmal spricht er in fremden<br />
Sprachen, die ich noch nie zuvor vernommen habe. Es gibt einen Ausdruck - oder ist es ein Name? -<br />
der immer wiederkehrt: Yakatná. Er zittert, fleht, bettelt, wenn er dieses Wort sagt, in mir<br />
unverständlichen Zungen, fast so, als würde er um Gnade flehen oder um Vergebung.<br />
Mich würde interessiern, wie alt Ludomill ist.<br />
Meine Hände... sie sind schon wieder blutig! Ich muß gehen und sie waschen.<br />
Später, in der gleichen Nacht.<br />
Meine Hände sind immer noch blutig, so oft ich sie auch wasche. Das Blut will nicht weichen. Ein<br />
neuerlicher Fluch, der auf mir lastet. Und immer noch stehen die düsteren Gestalten zweier<br />
Gespenster abwartend im Dunkel, flüstern Worte und Lügen, auf die ich nicht länger achte.<br />
Ludomill hat mich vor einer Stunde mit bebender Stimme an sein Bett gebeten. Er ergriff mit<br />
zitternden Fingern meine Hand, redete flüsternd auf mich ein. Seine Augen waren die ganze Zeit auf